In einem Boot
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- Erschienen: Januar 2013
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- , 2012, Titel: 'The Lifeboat', Originalausgabe
Wie verhalten sich Menschen in einer Ausnahmesituation?
1914. Nach dem Untergang der "Zarin Alexandra" scheinen sich die Vorgänge der 1912 gesunkenen "Titanic" zu wiederholen. Die frisch vermählte Grace, Protagonisten des Buches, 35 Frauen, ein paar Männer und ein Crewmitglied finden sich in einem Rettungsboot wieder und hoffen auf ihre Rettung&
Bedrückend, melancholisch
Ganz zu Beginn wird man mit einer Gerichtsverhandlung konfrontiert, um dann relativ schnell in eine gänzlich andere Szenerie zu wechseln in ein Rettungsboot am offenen Meer. Charlotte Rogan erzählt aus der Perspektive ihrer Protagonistin Grace und diese wirkt auf den Leser nicht unbedingt sympathisch.
Man bekommt tiefen Einblick in eine Gruppe an Personen, die auf engstem Raum aufeinander angewiesen sind und deren Gedanken stets zwischen Hoffen, Bangen und Resignation pendeln. Die Situation selbst schildert die Autorin bravurös, denn die Stimmung an Bord des kleinen Bootes, die Ängste, Hilflosigkeit, Hoffnung bis hin zu Bösartigkeit wird regelrecht greifbar und nicht selten ertappt man sich bei Gedankengängen, wie man denn vielleicht selbst in ähnlicher Situation reagieren würde. So schwebt über der ganzen Geschichte stets eine dunkle Wolke, eine Melancholie und ein Warten auf Erlösung aus der ausweglos scheinenden Lage.
Schwierige Hauptfigur
Als Leser schwankt man, ob man die Erzählung nun innovativ und tiefgründig finden soll oder einem die Kälte und Exzentrik der Protagonistin auf die Nerven geht. Es werden sämtliche Abgründe der menschlichen Psyche aufgezeigt; von Brutalität, Egoismus, Kaltblütigkeit, Ignoranz und auch Hinterhältigkeit. Jeder ist sich selbst der Nächste, der eine mehr, der andere weniger und die Starken regieren die Schwachen. Hinzu kommen noch die gesellschaftlichen Hierarchien der damaligen Zeit, die für viele an Bord noch ein zusätzliches Handicap sind im Kampf ums Überleben.
Leider gibt es in dem Roman aber ein paar Punkte, die doch ziemlich stören. Der eine ist, dass man ständig das Ereignis mit der Titanic vor Augen hat und Ähnliches auch schon im Zusammenhang mit diesem Ozeandampfer gelesen hat. Ein anderer Punkt ist, dass Grace ziemlich überheblich und fast schon durchtrieben auf den Leser wirkt. Ist das Geschehen in diesem Boot natürlich stets im Fokus, so erhält man aber auch Einblicke in Graces Leben, das ihren Charakter in ein nicht unbedingt gutes Licht stellt. Doch ist man berechtigt zu urteilen, wenn man sich selbst nie in ähnlicher Lage befunden hat? Fragen werden aufgezeigt und regen zum Nachdenken an.
Wenngleich der Hauptteil des Werkes sich auf dem Meer abspielt, so führt der letzte Teil des Buches in den Gerichtssaal, in dem Grace für das Geschehen im Rettungsboot Rede und Antwort stehen muss. Ob sie nun schuldig gesprochen wird oder nicht, erfährt der Leser, der sich bis dahin sein eigenes Urteil bilden kann, ganz am Schluss.
Im Fazit jedoch ein Roman der spannend und ungewöhnlich ist und alles andere als leichte Kost.
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