Die Zarin der Nacht
- Insel
- Erschienen: Januar 2013
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- Insel, 2014, Titel: 'The Empress of the Night', Originalausgabe
Kein Vergleich zum ersten Band
Russland 1796. Katharina die Große sitzt an ihrem Schreibtisch, unterzeichnet Unterlagen und geht ihre Post durch, als sie plötzlich merkt, dass ihr Leben dem Ende zugeht.
In Rückblenden erfährt man mehr über ihr Leben, ihren Vertrauten, ihren Feinden, ihrem Ehemann, ihren Kindern und auch ihren Liebhabern.
Liebloser Abklatsch des ersten Bandes – für mehr als 100 Seiten
Der zweite Band verspricht die Fortsetzung von Katharinas Leben. Endete Der Winterpalast mit dem Tod Kaiserin Elisabeth und der Machtübernahme durch Katharina, liegt nahe, dass man nun mehr über die Regierungsjahre von "Katharina der Großen" erfährt.
Doch diese Erwartung wird schnell zunichte gemacht. Lassen die ersten Seiten, in denen man Katharina im Minutentakt beim Ende ihres Lebens begleitet, noch auf eine gute Fortsetzung hoffen, wird die erwartende Vorfreude schnell getrübt. Weit über hundert Seiten sind lediglich mit Wiederholungen aus dem ersten Band gefüllt und dies so durcheinander, dass Leser, die den ersten Band nicht kennen, sich wohl kaum zurecht finden werden. Dieses Buch besteht nur aus Fragmenten, wahllos Episoden aus dem Leben Katharinas ausgewählt, durcheinandergewürfelt und präsentiert. Hat im ersten Band Warwara, eine Vertraute Katharinas, noch ihre Geschichte erzählt und dies in einer sehr innovativen und spannenden Weise, so ist diese Figur nun an den Rand der Geschichte gerückt und hat nur noch wenige Auftritte.
Liebhaber über Liebhaber
Würde man Katharinas Leben nicht zumindest in groben Umrissen kennen, müsste man meinen, das ganze Leben dieser Zarin bestünde nur darin, dass sie sich einen Liebhaber nach dem anderen suchte und ihre Tage nur in ihren Räumlichkeiten bzw. in ihrem Bett verbrachte. Einblicke in die Politik kommen kaum vor, was man sich aber sehr wohl erwartet, wenn es um diese Persönlichkeit geht.
Lediglich angerissen werden wichtige Themen wie Innen- und Außenpolitik oder auch Katharinas Stand beim Volk. Nur ab und an blitzt das zeitlich parallel laufende, dramatische Geschehen in Frankreich durch und das auch nur, weil durch die Revolution und die Exekution des französischen Königspaares viele hochgestellte Persönlichkeiten nach Russland fliehen. Aber auch hier darf man sich keinen Tiefgang erwarten, kratzt auch dieses Thema nur an der Oberfläche.
Alles dreht sich um das Kommen und Gehen ihrer Liebhaber und Katharinas Gemütszustand, wenn sie entweder einen ihrer Galane überdrüssig wird oder von einem verlassen. Dann wird die Autorin ausführlich und schildert ihre himmelhochjauchzende Freude ebenso detailliert wie ihre weinerliche Trauer, wenn ein Liebhaber sie verlässt.
Szene, Schnitt, Szenenwechsel…
Eine chronologische Erzählweise darf man sich genauso wenig erwarten wie Figuren mit Tiefgang. Stachniak zeichnet eine Szene und wechselt diese übergangslos und oft auch in eine gänzlich andere Zeit, sodass man oft Probleme hat, der Geschichte folgen zu können. So sprunghaft der Aufbau der Erzählung ist, so lieblos sind auch die Darsteller gezeichnet. War es im ersten Band so, dass man sich mit Warwara, Spionin und Vertraute Katharinas, noch identifizieren konnte, so fehlt in diesem Buch jegliche empathische Figur. Unzähligen Personen gewährt Stachniak zwar einen Auftritt, die aber durch eine sehr distanzierte Darstellung kaum in Erinnerung bleiben und man eher Probleme hat, sie nicht zu verwechseln. So ist das am Ende des Buches angeführte Personenregister sicher hilfreich, ändert aber an der farblos dargestellten Figuren auch nichts.
Auch ist man stets in Erwartung, endlich einen roten Faden zu finden, der durch die Geschichte führt – und sucht diesen vergebens. Leser des ersten Bandes stellen sich unweigerlich die Frage, was hier wohl passiert ist oder was sich die Autorin dabei dachte, eine Fortsetzung so absolut konträr zum ersten Teil anzulegen. Die Enttäuschung ist groß, erwartet man sich doch von einer Persönlichkeit wie Katharina der Großen mehr als nur Bettszenen und eine Reduzierung auf ihre – zweifelsfrei zahlreichen – Liebschaften. Eine Empfehlung wie zu Band eines kann man der Fortsetzung somit nicht aussprechen.
Eva Stachniak, Insel
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