Das Licht zwischen den Meeren
- Limes
- Erschienen: Januar 2013
- 3
- Limes, 2012, Titel: 'The Light Between Oceans', Originalausgabe
Falsch und Richtig als zwei Seiten einer Entscheidung
Kurzgefasst:
1926, Janus Rock. Auf einer abgelegenen Insel im Westen Australiens arbeitet Tom Sherbourne als Leuchtturmwärter. Mit seiner Frau Isabel führt er ein erfülltes Leben fern einer Welt im Umbruch. Nur eines trübt ihr Glück: Ein Kind bleibt ihnen verwehrt. Bis sie eines Morgens am Strand ein Ruderboot entdecken, in dem die Leiche eines Mannes liegt - und ein neugeborenes Baby. Während Tom die Küstenwache alarmieren will, schließt Isabel das kleine Mädchen in die Arme - und für immer in ihr Herz. Gegen Toms Willen nehmen sie das Kind als ihr eigenes an und nennen es Lucy. Zwei Jahre später kehren sie aufs Festland zurück - und müssen erkennen, dass ihre Entscheidung das Leben eines anderen Menschen zerstört hat ...
Tom Sherbourne wird Leuchtturmwärter auf Janus Rock, einer kleinen Insel vor der westaustralischen Küste. Hier kann der Veteran des Ersten Weltkriegs eine halbe Tagesreise von der Küste entfernt seine Vorstellungen von gewollter Isolation leben. Bei einem Landaufenthalt lernt er Isabel Graysmark kennen. Sie heiraten 1926 und verbringen eine glückliche Zeit auf Janus Rock, bis Isabel drei Fehlgeburten erleidet. Tom findet in einem gestrandeten Boot die Leiche eines Mannes und einen lebenden Säugling. Die verzweifelte Isabel interpretiert dies als Fügung des Schicksals und behält gegen Toms Willen das Kind, das sie Lucy nennt. Sie geht davon aus, dass die Mutter des Mädchens ertrunken ist.
Führe mich nicht in Versuchung
Das Debüt der Australierin M. L. Stedman erzählt elegant eine Geschichte, die in Teilen vorhersehbar ist. Die Beziehung zwischen Tom und Isabel bildet das eindeutige Zentrum, um das herum ebenfalls gut beschriebene Figuren angeordnet sind. Wie diese junge Frau den vom Krieg traumatisierten Mann, der aus einer desolaten Familie stammt, durch ihre Liebe ins Leben zurückholt, wird gefallen.
Das Licht zwischen den Meeren erfasst bereits im ersten Absatz das Dilemma der Protagonistin: "An dem Tag, als das Wunder geschah, kniete Isabel gerade an der Kante der Klippe und pflegte das neue Grab mit dem kleinen aus Treibholz gezimmerten Kreuz." Dann flüstert sie, der Herr möge sie nicht in Versuchung führen und von dem Übel erlösen. Tatsächlich kommt das Baby zu einem sehr kritischen Zeitpunkt und wird dadurch zu einer Versuchung, an der Tom und Isabel wachsen oder scheitern können.
Natürlich bringen Isabels Bitten an Gott, nicht in Versuchung geführt zu werden, im entscheidenden existenziellen Moment nichts. Sie nimmt das Kind an sich, obwohl sie davon ausgehen muss, dass irgendwo vielleicht noch dessen Mutter lebt und verzweifelt über den Verlust von Mann und Kind ist. Nicht nur das - auch rechtfertigt sie ihre moralisch fragwürdige Handlung. Fragwürdig, weil die der Entscheidung innewohnenden Interessenkonflikte dergestalt gelöst werden, dass Isabel die Mutter des Kindes behelfsweise für tot erklärt und darüber deren Interesse für nichtig.
Der Umgang mit Wahrheit
Die Diskussion hierzu wird im Roman durchaus ambivalent und nicht selten auf Grundlage als (kultureller) Konsens vorausgesetzter Geschlechterstereotype geführt. Man kann sie für pathetisch halten bei Textzeilen wie diesen: "Wir können die Vergangenheit nicht rückgängig machen, Tom." "Und was ist mit ihrer liebenden Mutter? Ihrer Mutter, die noch am Leben ist? Wie kann das gerecht sein, Izz?" "Findest du es vielleicht gerecht, dass wir drei Babys verloren haben?"
Was soll Tom dazu sagen, wo er doch unter der Ungerechtigkeit leidet, den Krieg, anders als seine toten Freunde und Kameraden, überlebt zu haben.
Von der Aneignung des Kindes an ist klar, dass die Lüge der Sherbournes nicht unentdeckt bleiben kann. Deshalb geht es über die Beziehungsproblematik hinaus auch darum, wie die Wahrheit ans Licht kommt und die Beteiligten mit der Entscheidung der Sherbournes umgehen. Stedman kontrastiert die Verzweiflung Isabels mit der Hannah Roennfeldts, Lucys Mutter. Die Sympathien des Lesers liegen bei beiden Frauen, und es ist schwierig, sich für eine von ihnen zu positionieren, obgleich Isabel eine kriminelle Handlung begeht, als sie das Baby einfach behält.
Im Namen Janus Rock ist bereits das Doppelgesichtige enthalten: dass jemand, der auf dem Leuchtturm Licht und Orientierung in das Dunkel für andere Menschen bringen soll, selbst in die Dunkelheit gerät und nur schwer wieder dort herausfindet.
Das Licht zwischen den Meeren ist ein Roman, der ein moralisches Dilemma zum Diskussionsgegenstand hat, das überwiegend an der Oberfläche bleibend thematisiert und gelegentlich im Pathos ertränkt wird.
M. L. Stedman, Limes
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