Vor dem Abgrund

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2013
  • 10
  • Lübbe, 2013, Titel: 'Vor dem Abgrund', Originalausgabe
Vor dem Abgrund
Vor dem Abgrund
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Daniela Loisl
921001

Histo-Couch Rezension vonNov 2013

Das East End lebt und stirbt, denn Jack the Ripper geht um

London 1888. Nach dem Tod ihrer Mutter kommt die junge Celia Brooks in die Stadt, um der dunklen Ahnung eines Vaters auf die Spur zu kommen. Sie ist nahezu mittellos und daher bleiben wenig Orte, um unterzukommen. Sie findet einen Schlafplatz in dem Frauenheim der Heilsarmee, mitten im verrufenen East End. Dort bieten Huren ihre Dienste an, Opiumhäuser warten auf Kunden, die Kneipen und Spelunken sind schließlich Auffangbecken für alle. Die Heilsarmee tut ihr möglichstes, um dem sündigen Treiben Einhalt zu gebieten, um Gottes Weg zu rühmen und die verlorenen Seelen zu retten. Dies ruft die Skleleton Army auf den Plan, da die Schankwirte und Brauereien um ihren Gewinn fürchten. Die Stimmung ist aufgeheizt und gefährlich.

Diese berüchtigte Gegend ist auch Anziehungspunkt für Rupert Ingram, den jüngsten Sohn eines wohlhabenden Hoteliers, der hier Vergessen und Zuflucht vor den ungeliebten Plänen seines Vaters sucht. Er soll heiraten, eine gute Partie machen und somit die Zukunft des Familienunternehmens sichern. Er hat eigene Pläne, setzt diese aber nicht durch, sondern lässt sich treiben und genießt das harte Leben im East End als netten Zeitvertreib. Erst als er auf Celia und ihre Geschichte trifft, beginnt er umzudenken und Verantwortung zu übernehmen. Und dann ist da auch noch der berühmt-berüchtigte Jack the Ripper, der im East End umgeht und Angst und Schrecken verbreitet.

Mutiges, naives Mädchen trifft auf verwöhnten Sohn

Die facettenreich gezeichneten Charaktere bilden die Grundlage für eine faszinierende Geschichte. Celia kommt als mutiges, aber recht naives Mädchen in London an, um sich auf die Suche nach ihrem Vater zu machen. Sie ist praktisch veranlagt und bereit, zu arbeiten. Schnell wird sie mit den harten Tatsachen des Lebens in London konfrontiert und sie muss zügig erwachsen werden und einen Weg für sich finden. So auch bei Rupert, er leidet keine finanzielle Sorgen und hat ein sicheres Dach über dem Kopf. Doch ihn beherrschen die Zwänge der Familie und ihre vorgefassten Pläne, die ihm so gar nicht entsprechen. So muss auch er sich lösen und einen Weg für sich finden. Die beiden dabei zu begleiten, ist spannend zu lesen und garantiert ein Abtauchen in die Vergangenheit, in der sich Wahrheit und Fiktion verbinden. Dem Autor gelingt es auch in diesem Roman wieder, der Stadt London ein Denkmal zu setzen, in dem er das Aussehen, die Atmosphäre und die Zustände in der Stadt auf ganz besondere Weise fühlen, riechen und schmecken läßt. Er versteht es wunderbar, die unheilvolle Stimmung nach den Ereignissen im East End einzufangen. Diese üben auf alle eine eigenartig anziehende und gleichermaßen abschreckende Faszination aus. Dieser können sich weder die Protagonisten noch der Lesende entziehen.

Zwei Erzählstränge verbinden sich zu einem Ganzen

Die Erlebnisse von Celia und Rupert werden immer abwechselnd erzählt, sodass der Leser die Geschehnisse aus verschiedenen Sichtweisen erzählt bekommt und sich damit auch ein eigenes Bild machen kann. Dabei treffen Celia und Rupert immer wieder aufeinander, aber ihre Geschichten laufen zunächst nebeneinander her. Hierbei entsteht ein sehr unterschiedliches Bild des Lebens im East End: Celia, die um ihre Existenz und das tägliche Überleben kämpfen muss, während Rupert in den dunklen Kneipen Vergessen und Amüsement sucht. Zwei Menschen im East End, die unterschiedlicher nicht sein könnten und erst im Laufe der Zeit, wenn die Geschichten miteinander verwoben werden und aus den einzelnen Teilen sich ein wunderbares Ganzes ergibt, ihre Gemeinsamkeiten entdecken.

Insgesamt ist dies ein hervorragend gelungener Roman, der den Leser nach London ins 19. Jahrhundert entführt, in dem die Elendsviertel wie eh und je wachsen und gedeihen, in denen Alkohol, Armut und Verbrechen regieren und Jack the Ripper durchs East End streift. Auch in diesem Abschluss der London-Trilogie gelingt es dem Autor auf fabelhafte Weise zu zeigen, dass noch immer Menschlichkeit, Liebe, Vertrauen und Freundschaft ihren Platz haben. Der Roman unterhält fabelhaft und weckt Vorfreude auf weitere Bücher des Autors.

Vor dem Abgrund

Tom Finnek, Lübbe

Vor dem Abgrund

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