Die Prophezeiung der Nonne
- dtv
- Erschienen: Januar 2013
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- dtv, 2013, Titel: 'The Chalice', Originalausgabe
Verschwörung um Heinrich VIII. mit Längen
Im Jahr 1538 ist die Nonne Joanna Stafford immer noch mit ihrer Vergangenheit, aber auch mit ihrer Gegenwart konfrontiert. Ihre Großmutter war die Schwester der Großmutter von Heinrich VIII., dem König von England, was sie zu einer Blutsverwandten macht, wenngleich sie nicht von allen akzeptiert wird. Ihre Suche nach der Krone von König Athelstan hat sie ein wenig bekannt gemacht, doch nun droht neues Ungemach.
König Heinrich ist von der Kirche exkommuniziert worden, und alle Kirchen und Klöster werden geschlossen. Da erreicht Joanna eine Prophezeiung, obwohl sie ihren inzwischen getöteten Eltern versprochen hat, niemals zu einem Seher zu gehen. Sie wehrt sich gegen die Prophezeiung, doch dies ist nur die erste von dreien, die ihre Zukunft und die von England entscheiden soll. Wird sie die Prophezeiungen annehmen und rechtzeitig deuten können? Ein Wettlauf mit der Zeit und gegen ihre Feinde beginnt...
Auflösung der Klöster
Mit Die Prophezeiung der Nonne hat die amerikanische Autorin Nancy Bilyeau die Fortsetzung ihres Romans Die letzte Nonne vorgelegt. Der neue Roman setzt nach dem ersten ein, kann aber auch ohne das Vorwissen des ersten gelesen werden, allerdings sollte man wegen einiger Details doch zunächst den ersten gelesen haben.
Die Heldin des Romans ist wiederum Joanna Stafford, die als Ich-Erzählerin fungiert und so den Leser an ihren Gefühlen und Gedanken teilhaben lässt. Sie erfährt von drei Prophezeiungen, die sie ereilen sollen und die ihr Leben fortan bestimmen werden, und deren Erfüllung sie zu einem wichtigen Menschen für das Königreich machen. Doch schon die erste Prophezeiung kann sie nicht entschlüsseln, und zudem will sie auch gar nicht zu dieser Sache gezwungen werden, sondern ihre Ruhe haben und vielleicht Bruder Edmund näher kommen.
Überhaupt steht Joanna zwischen zwei Männern, und da alle Klöster auf Geheiß des Königs aufgelöst wurden, und dieser inzwischen von der katholischen Kirche ausgestossen wurde, stehen alle Nonnen und Mönche ohne Sinn und Zweck auf der Strasse. Ein einziges Kloster ist übrig geblieben, und das wird das letzte sein, das die Männer des Königs zerstören werden, nachdem sie die dort liegenden Gebeine des Heiligen geschändet haben werden. Doch niemand hat die Kraft, sich dagegen zu wehren. Oder vielleicht Joanna?
Nostradamus
Die Orden sind aufgelöst, und so sind auch die Nonnen und Brüder durch das Land verteilt. Einige haben sich gefunden und wollen heiraten, doch kommt eine neue Order des Königs, die genau das verbietet - gerade in dem Moment, als Joanna und Bruder Edmund genau diesen Weg einschlagen wollen, nachdem sie lange daran gezweifelt hat, ob dieser Weg für sie der richtige sein könnte. Ein interessanter und von der Geschichte bislang wenig beachteter Aspekt - was passiert mit den Menschen der Klöster nach deren Auflösung. Hier bietet die Autorin Grund zum Nachdenken.
Nach der zweiten Prophezeiung gelingt es Joanna nach und nach, die beiden Vorhersagen zu entschlüsseln, ist aber immer noch nicht gewillt, sich ihrem Schicksal zu stellen. Erst spät im Roman kommt sie nach Gent, wo sie im Gefängnis auf den berühmten Seher Nostradamus trifft, der ihr die dritte Prophezeiung voraussagt und sie damit in Probleme stürzt, denn diese Prophezeiung lässt sich auf verschiedene Art und Weise deuten, doch Joanna sträubt sich gegen alle Möglichkeiten. Heinrich VIII. ist ihr politischer Gegner, doch er ist auch ihr Verwandter. Unterliegt sie einer Intrige oder einer höheren Macht? Nur langsam gelingt es ihr, die Prophezeiung richtig zu deuten und ihren Part in der Geschichten anzunehmen und einzunehmen.
Längen und Erzählschwächen
War Die letzte Nonne noch ein spannender, aufwühlender Roman, so hängt die Fortsetzung doch deutlich hinterher und fällt in Spannung und vor allem in ihrer Struktur davon ab. Gerade die erste Hälfte des Romans ist irgendwie zerfahren und es ist so viel los, dass man gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Es tauchen viele Menschen auf, an die man sich später nicht mehr erinnern kann, diese Menschen haben dafür zu wenig Konturen bekommen, als dass man sie memorieren könnte. Freunde sind mal für und mal gegen Joanna, und auch die Religion bietet ihr nicht den nötigen Halt, obwohl sie sich immer sagt, dass sie Nonne ist und auch danach und nach Gottes Willen handeln muss.
Dabei sind gerade Bruder Edmund als ihr vermeintlich angebeteter und Geoffrey Scovill als Sheriff von Dartford die beiden Figuren, die sie durch den Roman und durch mehrere Gefahren begleiten und sie ein ums andere retten. Gerade Scovill erscheint dabei des öfteren als Deus ex Machina, und es wird auch nicht immer logisch erklärt, warum er nun gerade dort auftaucht.
Der Roman ist an einigen stellen etwas strukturlos geraten und hat auch einigermassen an Leerlauf zu bieten, so dass es dem Leser schwer fällt, nach einer Lesepause wieder ins Geschehen zu finden. Glücklicherweise sind die Kapitel recht kurz geraten, so dass man es sich leisten kann, wieder ein paar Seiten zurückzublättern.
Strukturschwächen
Ist die Struktur auch löcherig, besticht der Roman doch durch die Beschreibungen vor allem der historischen Umstände und der realen Figuren. Hier wird der Leser gepackt und an die Lektüre gefesselt und die Autorin läuft zu ihrer Form aus dem ersten Teil auf. Heinrich VIII. taucht persönlich im Roman auf, und auch die Begegnung mit Nostradamus ist spannend zu lesen. Hätte die Autorin ihre Geschichte an einigen Stellen deutlich gerafft, und vielleicht auch die Heldin nicht allzu oft an sich zweifeln lassen, was den Leser doch auf Dauer zu nerven droht, wäre bestimmt ein spannender Pageturner entstanden, der sich nahtlos an den ersten Teil angeschlossen hätte. So bleibt der Roman leider deutlich hinter seinen Möglichkeiten. Viel bringt nicht immer viel.
Ein kurzes Nachwort ergänzt den Roman, Karten, Personenverzeichnis und ähnliches fehlen. Bleibt zu hoffen, dass Joanna Stafford, sollte sie ein drittes Mal das literarische Licht der Welt erblicken, wieder etwas straffer agieren kann als hier. Zwar ist das Ende spannend und fast packend, doch ist das für einen 500-Seiten-Roman nicht genug. Historisch gesehen ist der Roman jedoch durchaus zu empfehlen.
Nancy Bilyeau, dtv
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