Die Kurtisane des Teufels

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Droemer-Knaur, 2013, Titel: 'Die Kurtisane des Teufels', Originalausgabe
Die Kurtisane des Teufels
Die Kurtisane des Teufels
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Eva Schuster
861001

Histo-Couch Rezension vonDez 2013

Glanz und Elend der Kurtisanen im 18. Jahrhundert

London 1719: Kitty Marshall verliert ihre Eltern durch die Blattern und steht mit ihren siebzehn Jahren fast allein auf der Welt da. Da die Arztkosten fast ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht haben, hat sie zudem keine Aussicht mehr auf eine Heirat. Nur ihr Bruder Thomas ist ihr noch geblieben, der seit einiger Zeit in London lebt. Da Kitty in Stamford nichts mehr hält, macht sie sich auf in die Großstadt.

In London angekommen, erfährt Kitty zu ihrem Entsetzen, dass Thomas kurz zuvor als Dieb gehängt wurde. Kitty ist fest davon überzeugt, dass ihr rechtschaffener Bruder niemals kriminell geworden wäre. Verantwortlich für seinen Tod ist der gefürchtete Jonathan Wild, der bei Dieben rigoros durchgreift und sie an den Galgen bringt. Unterstützung erhält die junge Frau von Daniel Gascoyne, der ebenfalls an die Unschuld ihres Bruders glaubt. Trotz Warnung stellt Kitty Jonathan Wild zu Rede und macht ihn sich damit zum Feind.

Nachdem die Bekanntschaft mit Daniel Kitty zunächst Glück brachte, wendet sich ihr Schicksal wieder zum Schlechten. Einsam und mittellos muss sie in London um ihr Überleben kämpfen und von niedrigster Arbeit leben. Notgedrungen bietet sie schließlich in einem Bordell ihre Dienste an. Während Kitty mit der Zeit zu einer der begehrtesten Kurtisanen Londons aufsteigt, bleibt sie auf der ständigen Furcht vor Jonathan Wild und seinen Häschern und auf der Suche nach der Wahrheit über ihren Bruder ...

Londons düstere Seiten

Schon in ihren früheren Werken hat Sandra Lessmann nicht nur demonstriert, dass ihr die englische Geschichte besonders am Herzen liegt, sondern dass sie auch sehr fundierte Kenntnisse darüber besitzt. Mit Die Kurtisane des Teufels legt sie nun einen weiteren Roman vor, der in die Vergangenheit Londons entführt.

Es ist eine schwierige Zeit für eine junge Frau, in der Kitty Marshall lebt. Der Einfluss der Kirche hat im Vergleich zum vorherigen Jahrhundert deutlich verloren, die Kriminalitätsrate hat ihren Höhepunkt in der englischen Geschichte erreicht, Armut und Verwahrlosung treffen selbst arbeitende Menschen, da der Lohn oft nicht für ein würdiges Leben ausreicht. Für mittellose Frauen wie Kitty gibt es nicht viele Wege, Geld zu verdienen - die Arbeiten als Dienstboten oder Hökerinnen sind hart und schlecht bezahlt, die überfüllten Unterkünfte und das karge Essen machen anfällig für Krankheiten. Die Prostitution ist eine naheliegende Alternative - fasziniert stellt Kitty fest, dass sie in drei Stunden fast so viel wie ein Handwerksmeister in einem Jahr verdient hat.

Kitty Marshall ist zwar eine fiktive Figur, doch die Autorin hat sich von historischen Begebenheiten inspirieren lassen: Den schillernden Jonathan Wild hat es ebenso gegeben wie Tom und Moll Kings Kaffeehaus, in das Kitty mehrfach einkehrt und den sozialkritischen Maler William Hogarth, dem Kitty noch zu Beginn seiner Karriere als Kupferstecher begegnet und den sie zur Malerei ermutigt. Auch viele von Kittys wohlhabenden Freiern sind historische Persönlichkeiten, ebenso wie die stadtbekannte Kurtisane Sally Salisbury, zu der Kitty ein zwiespältiges Verhältnis aufbaut. Es gelingt der Autorin ausgesprochen gut, die damalige Zeit vor den Augen des Lesers lebendig zu gestalten. Detailliert und zugleich nicht zu ausufernd werden das Stadtbild, die Architektur, die Kleidung, das Essen und die Alltagsgewohnheiten der Londoner beschrieben, zudem versprüht die Handlung ein intensives Lokalkolorit - auf jeder Seite wird offenkundig, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt und sich der Hauptstadt des Vereinigten Königreiches verbunden fühlt.

Sympathische Protagonistin

Die junge, unbedarfte Kitty Marshall wächst dem Leser rasch ans Herz. Zwar ist sie naiv, doch dabei nicht dumm; es erscheint realistisch, dass sie mit den Anforderungen und Regeln der Großstadt zunächst überfordert ist. Kitty präsentiert sich als liebenswertes Mädchen, das sich nach und nach in sein Schicksal einfindet und immer bemüht ist, das Beste aus der Lage zu machen. Eine interessante Figur ist Daniel Gascoyne, in den sich Kitty schon bald verliebt. Er wirkt charmant und ehrlich, doch weiß der Leser zumindest, dass er mehr Kenntnisse über Kittys Bruder besitzt, als er ihr anvertraut. Als er plötzlich verschwindet, rätseln Leser und Kitty gleichermaßen über den Grund und erfahren die Hintergründe erst spät. Eine besonders gelungene Nebenfigur ist die Hökerin Betty, die Kitty eine gute Freundin wird, eine raue, aber gutherzige Frau, die sich dem jungen Mädchen mütterlich annimmt.

Geringe Schwächen

Dem Roman ist nicht viel anzukreiden, weiß er doch sehr gut zu unterhalten. Der Stil liest sich ausgesprochen leicht und flüssig, ohne zu trivial zu sein. Ein paar wenige Tippfehler sind vorhanden, fallen aber nicht weiter auf. Allerdings ist zu kritisieren, dass einige der Nebenfiguren etwas zu blass daherkommen und ruhig einprägsamer hätten gestaltet werden können. Das gilt beispielsweise für den jungen Fackelträger Jonathan, den Kitty auf der Straße kennen lernt und der erst spät an Profil gewinnt. Ein bisschen zu rasch wird Kittys Aufstieg zur Edelkurtisane erzählt. Kitty hat das Glück, gleich an eine ehrliche Bordellbesitzerin zu geraten, die es gut mit ihr meint. Reizvoll wäre ein langsamerer Aufstieg gewesen, um noch mehr Facetten des Prostitutionswesen zu zeigen. Gegen Ende der Geschichte erlebt Kitty einen Gesinnungswechsel bezüglich einer bestimmten Meinung, der etwas abrupt erscheint; im Gegensatz zu ihren sonstigen Entscheidungen und Haltungen ist hier ihre großzügige Reaktion nicht uneingeschränkt nachzuvollziehen.

Unterm Strich bleibt ein sehr empfehlenswerter, farbenprächtiger Historienroman, der ein detailliertes Bild vom London des frühen 18. Jahrhunderts vermittelt und mit abwechslungsreicher Handlung überzeugt.

Die Kurtisane des Teufels

Sandra Lessmann, Droemer-Knaur

Die Kurtisane des Teufels

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