Saschenka
- Fischer
- Erschienen: Januar 2013
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- Fischer, 2008, Titel: 'Sashenka', Originalausgabe
Alles andere als ein seichter Liebesroman
Russland 1916. Für die Mädchen im Smolny-Internat für höhere Mädchen ist der Unterricht zu Ende und alle freuen sich auf ihre Familien. Auch Saschenka weiß, dass sie von ihrer Gouvernante abgeholt wird, die sie bereits sehnsüchtig erwartet. Doch so weit kommt es nicht, denn kurz nachdem Saschenka das Institut verlässt, wird sie von der Geheimpolizei verhaftet und weggebracht. Saschenkas Familie ist sich sicher, dass dies alles ein Irrtum ist und ihr Vater setzt alle Hebel in Bewegung, um ihr eine Nacht im Gefängnis zu ersparen. Nur Saschenka selbst ist weder überrascht noch ängstlich...
Titel und Cover suggerieren eine leichte Liebesgeschichte
Eines vorweg: Der Verlag spricht weder mit dem Titel noch mit dem Cover die richtige Leserschicht an und viele werden vom Inhalt enttäuscht sein. Dies aber nicht weil die Geschichte nicht gut ist, sondern weil sie falsche Erwartungen weckt, denn Saschenka ist keine leichte Liebesromanze. Im Gegenteil. Montefiore erzählt eine Familiengeschichte über drei Generationen, in deren Mittelpunkt Saschenka steht. Beginnend in St. Petersburg bzw. Petrograd zur Zeit der Bolschewiken.
Der Einstieg in die Geschichte fällt nicht ganz leicht, lässt der Autor den Leser doch ziemlich lange im Ungewissen, worum es eigentlich geht und weshalb die junge Saschenka wirklich mit der Geheimpolizei in Konflikt geraten ist. Mutet der Anfang etwas behäbig an, so wird man, hat man einmal den Kern der Sache erfasst, schnell hineingezogen in die Dramatik des damaligen politischen Umbruchs Russlands. Nichts wird ausgelassen. So ist Saschenkas Vater, Baron Samuil Moisejewitsch Zeitlin, ein sehr reicher Industrieller, was in der Gesellschaft mehr gewichtet als der Makel der ihm anhaftet, nämlich dass er Jude ist. Ihre Mutter dagegen lebt in ihrer eigenen Welt und ist - wie die Zarin selbst - Rasputin verfallen.
Russland im Umbruch
Beginnt alles 1916, so sind es noch mehrere wichtige politische Stationen die man mit Saschenka durchlebt. Man trifft auf Rasputin ebenso wie auf die Romanows und - einer der wohl wesentlichen Figuren dieses Buches - auf Stalin und da vor allem nicht die Person selbst, sondern die Auswirkungen seines Handelns. So ist das Jahr 1916 nur der Beginn, dem noch andere wichtige zeitgeschichtliche Stationen folgen. Saschenka ist eine überzeugte Bolschewikin, die von ihrem Onkel in diese für sie letztendlich folgenschwere Verbindung gezogen wird.
Montefiore ist Historiker und Sachbuchautor, weshalb vielleicht die Sprache nicht gerade als geschliffen empfunden wird. Die vielen Informationen, die der Leser jedoch zum Russland des 20. Jahrhunderts erhält, die noch dazu sehr anschaulich mit der fiktiven Familie der Zeitlins verwoben ist, lässt die eine oder andere sprachliche Unebenheit vergessen.
Saschenka ist keine leichte Kost, denn Montefiore zeigt auf ungeschönte Weise was Menschen erlebten, die sich gegen das Regime stellten. Ob dieses Buch, dass eine politische Abhandlung eines beinah ganzen Jahrhunderts zu einem der größten und mächtigsten Länder der Welt ist, die Leserschaft trifft, die es zu schätzen weiß, ist aufgrund des zu Beginn hier erwähnten Covers eher zweifelhaft.
Simon Montefiore, Fischer
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