Die Stimme des Mörders
- Emons
- Erschienen: Januar 2003
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- Emons, 2003, Titel: 'Die Stimme des Mörders', Originalausgabe
Historisch äußerst fundiert, als Krimi ein totaler Reinfall
Köln, 1610: Der Worringer Pfarrer Gerhard Hamacher trifft sich mit seinem Rheinkasseler Kollegen Adolph Overzier, um einmal mehr eines ihrer beliebten Streitgespräche zu führen, in dem es erneut um die legendäre Schlacht bei Worringen geht. Auf dem Rückweg erreicht Hamacher das südliche Stadttor, wo er auf eine kleine Menschenansammlung stößt. Der allseits beliebte Bauer Peter Schöffer wurde erschlagen, und da sich Overzier seit geraumer Zeit mit der "Stimmanalyse" beschäftigt, beschließt er gemeinsam mit Hamacher, den Mörder zu suchen und seine Fähigkeiten zu testen. Tatsächlich gelingt es Overzier recht schnell, den Täter zu überführen. Kurz darauf lässt sich in Köln der Arzt Georg Feder nieder, der als Paracelsist recht schnell für Furore sorgt. Mit seiner spagirischen Kunst gelingen ihm erstaunliche Erfolge, sogar von Wunderheilungen ist die Rede. Die Kölner Ärzteschaft ist hingegen entsetzt, sehen sie in Paracelsius doch einen Scharlatan, dessen Nachfolger ihnen nun mit äußerst zweifelhaften medizinischen Methoden die Patienten wegschnappt. Als ein weiterer Mord geschieht, droht die Stimmung in der Stadt endgültig zu kippen ...
Banal
Fangen wir ausnahmsweise einmal mit den negativen Punkten an: "Die Stimme des Mörders" als Kriminalroman zu bezeichnen ist schon ein recht gewagtes Unterfangen - und dies ist noch sehr, sehr freundlich formuliert. Zum ersten Mordfall:
"Ihr hier bei uns? Was treibt Euch nach Stommeln? Habt Ihr etwa auch hier die Beichte gehört?" Overzier stand erstarrt. Er kannte die Stimme nicht, aber er erkannte das Zeichen. Ein Mörder sprach ihn an, endlich ein Ergebnis!
Geht es noch banaler? Leider ist die "Auflösung" des zweiten Falles genauso trivial. Nach Seite 76 steigt Pfarrer Overzier zudem erst einmal aus der Handlung aus, stattdessen beherrscht fortan der zwielichtige Georg Feder das Geschehen. Overzier taucht erst wieder auf Seite 118 auf, so dass man sagen könnte, der Krimi hat zahlreiche Hänger und zieht sich träge dahin. Aber löst man sich von dem Gedanken, hier einen "Kriminalroman" zu lesen und betrachtet den Roman als das was er ist, nämlich als "historischen Roman", dann sieht die Sachlage schon gleich viel freundlicher aus.
Kölner Stadtgeschichte
Die Stimme des Mörders bietet nicht nur umfangreiche und kenntnisreiche Einblicke in die Kölner Stadtgeschichte, sondern bedient auch die Themen der damaligen Zeit. Als da wären unter anderem Astrologie, Aberglaube, Religion sowie tiefe Einblicke in die Medizin. Hier treffen traditionelle Ärzte, die mehr von vorbeugen und lindern, denn vom Heilen verstehen auf "moderne Praktiker", die - frei nach Paracelsus - durch Erfahrungen den Menschen helfen wollen; nicht selten jedoch mit letalem Finale für ihre Patienten. Wer sich für die vorgenannten Themen (vor allem aber für Medizin und/oder die Kölner Stadtgeschichte) interessiert, findet in "Die Stimme des Mörders" ein durchaus lesenswertes Werk. Über die beiden Mordfälle und deren sogenannte Aufklärung sollte man allerdings großzügig hinwegsehen.
Karl-Heinz Göttert, Emons
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