Scherben des Glücks

  • Gmeiner
  • Erschienen: Juni 2019
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  • Sutton, 2009, Titel: 'Scherben des Glücks', Originalausgabe
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Annette Gloser
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Histo-Couch Rezension vonNov 2019

Portrait einer Prinzessin

Preußen: Im Jahr 1731 sitzt Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen im Arrest. Nach dem missglückten Fluchtversuch des Bruders darf sie ihr Zimmer im Berliner Stadtschloss nicht verlassen, denn ihr Vater, „Soldatenkönig“ Wilhelm I., verdächtigt sie der Mittäterschaft bei der Fluchtplanung. Er will Wilhelmine schnellstmöglich verheiraten, politisch gewinnbringend natürlich. Jahrelang hat sich Wilhelmine diesen Plänen widersetzt. Zwischen Mutter und Vater wird sie regelrecht aufgerieben, denn die Mutter plant eine Vermählung mit dem englischen Kronprinzen. Der Vater dagegen will es sich nicht mit dem Kaiser verderben und lehnt diese Verbindung ab. Wilhelmine, geschwächt durch zahlreiche Krankheiten, traumatisiert durch eine grausame Erziehung und von Depressionen geplagt nach monatelangem Eingesperrtsein, trifft eine Entscheidung: Alles ist gut, was sie von Berlin weg bringt. So verzichtet sie auf die Möglichkeit, Königin von England zu werden, und akzeptiert den Ehekandidaten des Vaters: Friedrich, den charmanten Sohn des Markgrafen von Bayreuth. Und dann geschieht doch noch ein kleines Wunder, denn Wilhelmine verliebt sich in ihren Ehemann. Noch ahnt sie nicht, dass sie niemals ein Leben ohne Preußen führen wird. Aber sie weiß: Was auch immer geschieht, die Musik wird immer bei ihr sein, wird sie trösten und aufrichten, wird ihr Flügel verleihen, um allem Schlechten und Bösen zu entkommen.

Prinzessin, Markgräfin, Musikerin

Es wurde aber auch wirklich Zeit, dass ein Roman über Wilhelmine geschrieben wurde. Ein schwer misshandeltes Kind, ein magersüchtiger Teenager, als Tochter eines Königs weit unter ihrem Stand vermählt, abgeschoben in die Provinz, war sie doch eine der schillerndsten Gestalten unter den Damen der Hohenzollern. Ihr diplomatisches Geschick konnte sie an dem kleinen Markgrafenhof in Bayreuth nur selten unter Beweis stellen, doch Wilhelmine war eine begabte Musikerin, brillierte auf dem Cembalo, komponierte und ließ in Bayreuth ein Opernhaus errichten, das zu den schönsten seiner Zeit zählt und das in das UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Cornelia Naumann hat sich ihrer Wilhelmine mit viel Fingerspitzengefühl genähert und so ein umfassendes und vielschichtiges literarisches  Portrait dieser Frau geschaffen. Dabei ist die Autorin nicht der Versuchung erlegen, ihrer Protagonistin nette Eigenschaften anzudichten, die ihr vielleicht auch gut gestanden hätten, welche die reale Wilhelmine aber nicht besaß.

Der Roman zeigt eine Frau, die durch ihre Kindheitserlebnisse seelisch schwer geschädigt ist, aber die doch immer wieder Wege findet, um im Leben zurecht zu kommen. Im Roman erlebt man eine Frau, die zwischen tiefsten Depressionen und schweren Krankheiten doch den Mut findet, ihre Träume als architektonische Kleinode gestalten zu lassen, das Verhältnis zu ihrem Vater in einer Oper aufzuarbeiten und ein eigenständiges Leben zu führen. Cornelia Naumann gelingt es, dem Leser auch die Ideenwelt Wilhelmines nahe zu bringen, ihre philosophischen Betrachtungen ebenso wie die Hintergründe für manche seltsam anmutende Handlungsweise. Sehr erfreulich, dass die Markgräfin von Bayreuth dabei als Kind ihrer Zeit und ihres Standes gezeigt wird. Keine Reformerin, keine Vordenkerin, eine gebildete Frau mit vielen künstlerischen Ambitionen und großen seelischen Nöten.

Bekannte und unbekannte Namen

Der Roman führt von Berlin nach Bayreuth, nach Karlsbad und wieder nach Bayreuth. Einige besonders wichtige Menschen begleiten Wilhelmine über viele Jahre. Dazu gehören die Hofdame „Sonsine“ ebenso wie die Kammerzofe Sophie, herausragende Musiker wie Franz Benda, Baumeister wie die Brüder Galli da Bibiena, der Philosoph Voltaire und der Arzt Superville. Nicht zu vergessen Markgraf Friedrich, der als Freund und Ehemann eine besondere Bedeutung hat. Und der Bruder, auch ein Friedrich, der als preußischer König Kriege führt, philosophiert, musiziert und irgendwann einmal den Beinamen „der Große“ bekommen wird.  Viele von ihnen schildert Cornelia Naumann prägnant und mit sehr individuellen Charakteren. Schade allerdings, dass Sophie im Roman nicht Eleonora heißen darf, schließlich ist Bendas Ehefrau bekannt und es ist nicht ganz verständlich, selbst wenn viele Details der Geschichte sicher fiktiv sind, warum sie im Roman einen anderen Namen tragen muss. Bruder Friedrich wird mit seinen kleinen und größeren Schwächen gezeigt, aber als der Mann, der er für seine Schwester immer war: Der engste Vertraute, der beste Freund. Dabei ist eine der großen Stärken dieses Romans, dass der Leser die Möglichkeit hat, sich in die Welt Wilhelmines versetzen zu lassen, nicht nur in die oft nur scheinbar glamouröse Szenerie bei Hofe, sondern auch in die Welt der Gefühle. Die Autorin zeigt Wilhelmine am Ende ihres Lebens, lässt wichtige Ereignisse Revue passieren, so dass man mit der Markgräfin von Bayreuth durch ihr Leben wandert. Diese Rückblenden sind gradlinig erzählt, Jahreszahlen kennzeichnen die Kapitel, so fällt die Orientierung leicht. Das von Christel Nies geschriebene Nachwort geht noch einmal besonders auf das musikalische Schaffen Wilhelmines ein.

Fazit:

„Scherben des Glücks“ ist ein berührendes Romanportrait, sensibel und gut recherchiert. Ein gelungenes literarisches Denkmal für eine ungewöhnliche Frau. Für Preußen-Fans ein Muss, aber auch für alle, die sich für die Geschichte Bayreuths interessieren, für starke und interessante Frauen in der Geschichte oder einfach nur wissen wollen, wer Wilhelmine von Bayreuth denn nun eigentlich war.

Scherben des Glücks

Cornelia Naumann, Gmeiner

Scherben des Glücks

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