Das Haus der blauen Schmetterlinge
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2014
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- Blanvalet, 2014, Titel: 'Das Haus der blauen Schmetterlinge', Originalausgabe
Dramatik und Liebe in der Südsee
Port Rabaul in der Südsee, 1932: Elsa Fa’alua ist eine samoanische Prinzessin, verwaiste Tochter eines deutschen Kapitäns und einer Samoanerin, die Nichte eines Königs. Mit Anfang zwanzig verliebt sie sich in den deutschen Handelsmann Henning Matthes und ist überglücklich, als sie heiraten.
Elsa ist neugierig auf Hennings Heimat Bremen, die sie bald besuchen wollen und genießt das anfängliche Glück mit ihrem Ehemann. Doch das Hochgefühl ist nur von kurzer Dauer. Elsa muss erfahren, dass Henning ein Spieler ist, der sich regelmäßig dem Alkoholrausch hingibt und hoch verschuldet ist. Aus Liebe versucht Elsa, ihm zu helfen, doch von einen auf den anderen Tag ist sie plötzlich auf sich allein gestellt - und zu allem Überfluss erwartet sie ein Kind.
Zuflucht findet Elsa in der Villa des reichen Engländers Titus Warwick. Der extravagante Mann ist weder jung noch attraktiv, besitzt jedoch einen gewissen Charme und zeigt sich Frauen gegenüber sehr großzügig. In der Villa leben außerdem noch seine beiden Geliebten - die kühle französische Prostituierte Paulette und die sanfte polynesische Kellnerin Iolana. Elsa lebt sich in ihrem ungewöhnlichen neuen Heim rasch ein. Doch der Schein trügt - und bald bindet die drei Frauen ein düsteres Geheimnis aneinander und auf Elsa warten weitere Schicksalsschläge ...
Leben und Leiden einer saomanischen Prinzessin
Sarah Benedicts Roman entführt seine Leser in die Südsee der 1930er Jahre und präsentiert eine sympathische Hauptfigur, die zur Identifikation einlädt. Elsa Fa’alua erscheint als liebenswerte junge Frau, deren Lebensweg mit eindrucksvollen Höhen und Tiefen gepflastert ist und den man als Leser gern begleitet. Dem anfänglichen Liebesglück mit Henning folgt eine herbe Ernüchterung. Elsa gibt ihren Ehemann zunächst trotzdem nicht auf, sondern reist sogar zu ihren bisher unbekannten Schwiegereltern nach Bremen; hier muss sie jedoch einsehen, dass sie niemals in diese Welt gehören wird. In ihrer Not begibt sich in den Harem des exzentrischen Engländers Warwick, auch um ihr Kind versorgen zu können. Der materielle Luxus hat seinen Preis, doch Elsas Durchhaltevermögen zahlt sich aus und bald ist sie finanziell unabhängig.
Gelungene Charakterdarstellungen
Es dauert allerdings nicht lange, bis neue Probleme am Horizont auftauchen und wieder spielen Männer eine Rolle: Der Arzt Max Richter, mit dem es beinah zu einer Beziehung gekommen wäre, kann ihr nicht verzeihen, dass sie sich als Geliebte Warwicks erniedrigte, statt Hilfe bei ihm zu suchen, und doch bleibt Max ihr weiterhin ein Vertrauter. Auch Henning ist nicht aus der Welt und entpuppt sich als Bedrohung für Elsas neues Leben. Elsas Entscheidungen sind grundsätzlich immer gut nachvollziehbar. Die Protagonistin erweist sich als gelungene Mischung aus Verletzlichkeit und Souveränität: Elsa zeigt Schwächen und Unsicherheiten, vor allem die Opiumpfeife bleibt eine immerwährende Versuchung, um den Kummer zu betäuben. Sehr verständlich ist ihre Zerrissenheit zwischen den Kulturen, die es ihr schwer machen, Selbstbewusstsein zu entwickeln: Ihre samoanische Familie bricht nach dem Fiasko mit Henning den Kontakt ab und betrachtet sie als Weiße; für Weiße wie ihre Schwiegereltern oder die puritanischen Methodisten in der Südsee ist sie jedoch trotz ihrer bemühten Anpassung eine Wilde, die auch durch eine für Elsa erniedrigende Domestizierung nie zur Gesellschaft gehören kann. Auf der anderen Seite ist Elsa gewiss nicht nur Spielball, sondern zeigt auch Engagement und Risiko und schafft so den Spagat zwischen Mitgefühl und Identifikation beim Leser. Vor allem ist Elsa keine sterile Heldin, sondern trifft durchaus radikale und provokante Entscheidungen und begeht Fehler, bleibt dabei aber stets authentisch und nachvollziehbar.
Von besonderem Reiz ist das komplexe Verhältnis zu Paulette und Iolana. Die schonungslos direkte und oft gegen sich wie andere harte Paulette begegnet der neuen Mätresse zunächst mit heftiger Abneigung, während die ruhige Iolana von Beginn an versöhnliche Töne anschlägt. Aus der rivalisierenden Beziehung entwickelt sich nach und nach eine enge Freundschaft, die dennoch nicht frei von Konflikten ist - Paulettes kompromisslose Art sorgt für hitzige Diskussionen und Iolana verbirgt vor ihren Freundinnen lange Zeit ein Geheimnis, das sie schließlich alle betrifft. Einen roten Faden der Handlung bildet das Verhältnis zu dem idealistischen Arzt Max Richter. Immer wieder scheint es, dass die beiden jeweils in unterschiedlichen Lebensstadien zu einer Beziehung bereit wären und sich so immer wieder verpassen - welcher Ausgang dieser Verbindung beschieden sein wird, ist nicht unbedingt vorhersehbar.
Kleine Schwächen
Nicht optimal gelungen ist der Einstieg in den Roman, der etwas zu abrupt Elsa und Henning an ihrem Hochzeitstag einführt. Die Hintergründe über ihr Kennenlernen und zu Elsas Herkunft werden erst später näher beleuchtet; man muss sich gedulden, bis man sich ein genaues Bild machen kann und ein paar Informationen hätte man besser schon früher erfahren. Grundsätzlich ist es erfreulich, dass en passant historische Personen wie Somerset Maugham, Pearl S. Buck und Clark Gable eingeflochten werden, die an Elsas Gesellschaften in Port Rabaul teilnehmen. Schade ist jedoch, dass es bei diesen knappen Erwähnungen bleibt, ohne dass diese Begegnungen zumindest in ein paar Sätzen ausgebaut werden. Etwas besser wird die Erwähnung von Spencer Tracy und Katharine Hepburn gelöst, denen zumindest ein kleiner Auftritt bei einem Fest zugestanden wird, der über eine bloße Namensnennung hinausgeht.
Der Stil des Romans ist flüssig und macht das Werk zu einer angenehmen Lektüre - ein bisschen zu kurz kommt dabei aber der Lokalkolorit. Die Zeitgeschichte wird mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zwar gut eingeflochten, doch Details zum Leben in der Südsee, etwa was Kleidung oder Essen angeht, bleiben an der Oberfläche. Zu guter Letzt wird eine für Elsa prekäre Situation durch einen deus ex machina gelöst, einen unvorhersehbaren Zufall, der es ihr ein bisschen zu einfach macht, aus einer schier ausweglosen Lage zu entkommen.
Unterm Strich präsentiert sich Das Haus der blauen Schmetterlinge als reizvolle Lektüre mit interessanten Figuren, die sich bestens als Urlaubsunterhaltung anbietet. Trotz kleiner Schwächen ist der Roman insgesamt spannend und versteht es, seine Leser für einige Stunden zu fesseln.
Sarah Benedict, Blanvalet
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