Der Traum von Rapa Nui
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2014
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- Droemer-Knaur, 2014, Titel: 'Der Traum von Rapa Nui', Originalausgabe
Von der Faszination einer rauen Welt
Katharina hat Torschlusspanik. Mit ihren 26 Jahren scheint die Chance, dass sie noch einen Ehemann findet, verschwindend klein. Denn im 19. Jahrhundert gelten auch in Chile Frauen in diesem Alter bereits als alte Jungfern. Um ihrem Leben als Kindermädchen und Dienstmagd ihrer Schwester zu entfliehen, beschließt Katharina, einen Witwer zu heiraten, der auf der Osterinsel lebt und eine Mutter für seine kleinen Kinder sucht. Schon die Reise in ihre neue Heimat stellt Katharina aber auf eine Bewährungsprobe. Nur die Bekanntschaft mit dem Missionar Aaron scheint ein Lichtblick in ihrem Leben zu sein. Er führt die junge Frau in die Welt von Rapa Nui ein, wie er sie von seinem jungen Begleiter Tane erfahren hat. Wie rau die Insel tatsächlich ist, müssen sowohl Katharina als auch Aaron schmerzhaft erfahren, als sie versuchen, in dieser für sie unbekannten Welt Fuß zu fassen. Katharina ist jedoch gewillt durchzuhalten und die von ihr übernommene Aufgabe als Stiefmutter gut zu erfüllen. Dennoch kommt sie an ihre Grenzen und muss erkennen, dass Rapa Nui nicht die Chance auf ein eigenes Glück war, als das sie die Insel gesehen hatte. Katharina steht vor der Entscheidung, die Insel zu verlassen und einen Neuanfang auf dem Festland zu versuchen.
Schlüssige Handlungsweise
Carla Federicos Roman scheint auf den ersten Blick ein "gewöhnlicher" Auswandererroman zu sein. Doch schon nach wenigen Seiten wird klar, dass es sich hier um eine ganz spezielle Geschichte handelt. Wohl kehrt Katharina ihrer Heimat den Rücken – doch ist sie nicht die Europäerin aus behütetem Haus oder von einer verarmten Familie, die in Übersee ihr Glück sucht, sondern eine Chilenin, die auf die Osterinsel übersiedelt. Ihre Berührung mit der fremden Kultur geschieht also vor einem etwas anderen Hintergrund als in den traditionellen Auswandererromanen. Hier zeigt sich, dass Carla Federico sich intensiv mit der chilenischen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts beschäftigt hat. Immer wieder flicht sie Verhaltensweisen von Katharina ein, die für diese Gesellschaft steht und manchem Leser nicht ganz verständlich sein dürfte. Wer aber bereit ist, die Protagonistin als Kind ihrer Zeit zu verstehen und zu akzeptieren, wird mit Katharina bald warm. Sie ist eine Heldin mit Ecken und Kanten, mit vielen Stärken und Schwächen – vor allem aber einer Heldin, deren persönliche Entwicklung schlüssig ist und in direktem Zusammenhang mit den Erlebnissen steht, welche die Autorin ihrer Protagonistin zugedacht hat.
Verschiedene Problemkreise angeschnitten
Die Autorin belässt es nicht bei der Protagonistin, die auf der Suche nach ihrem Glück ist. Sie schneidet in ihrem Roman verschiedene Problemkreise an, die zwar hierzulande bekannt sind, aber in der Regel nicht mit der Osterinsel in Zusammenhang gebracht werden. Vor allem die Ausbeutung der Ureinwohner der Insel durch skrupellose Sklavenhändler sowie die Zerstörung der Tradition der Ureinwohner stehen im Zentrum. In der Figur des stolzen Tane, den Aaron von einer Plantage frei gekauft hat, findet Carla Federico eine ideale Lösung, um die verschiedenen Aspekte, die das Leben des unbekannten Volkes ausmachen, näher zu erläutern. Schließlich ist es auch das Hadern mit Gott, das den jungen Missionar Aaron nach einigen Schicksalsschlägen quält, das anschaulich und nachvollziehbar dargestellt wird. Alle drei – Katharina, Aaron und Tane, der seine Heimat nur aus Erzählungen kennt – müssen sich ihren eigenen Dämonen stellen und versuchen, sich in einer eher feindseligen Welt zu Recht zu finden. Die Art, in der Carla Federico davon erzählt, hat weder etwas weinerliches noch etwas beschönigendes oder verklärtes. Die Autorin schildert eine harte Realität und den ganz alltäglichen Kampf ums Überleben.
Unbekannte Welt näher gebracht
So feinfühlig die einzelnen Schicksale von der Autorin erzählt werden, so intensiv ist auch die Atmosphäre, die sich durch ihre Schilderung entstehen lässt. Carla Federico bringt die hierzulande nahezu unbekannte Welt und Kultur der Osterinsel einem breiten Publikum näher, verzichtet dabei aber auf jegliche pathetische Ausschmückung. Unterstützt werden ihre Schilderungen von der Karte, die im klappbaren Buchdeckel abgedruckt ist und einem unkundigen Leser zeigt, wo die Osterinsel zu finden ist und wie sie aufgeteilt ist.
Sowohl sprachlich als auch von der Story her legt Carla Federico erneut einen eindringlichen Roman vor, der nicht nur den Fans von Auswanderer-Geschichten eine spannende und tiefgründige Lektüre bietet.
Carla Federico, Droemer-Knaur
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