Falkenlust
- Emons
- Erschienen: Januar 2006
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- Emons, 2006, Titel: 'Falkenlust', Originalausgabe
Mord im Rheinland
Im März 1758 tauchte aus dem Rhein, der lange zugefroren war, bei Tauwetter ein Leichnam an den Ufern auf. Spielende Kinder hatten ihn bei einem Ausflug in die Rheinauen entdeckt und sofort gemeldet. Der Tote war ein Mann, getötet durch zwei Messerstiche, aber niemand kannte ihn.
Aber langsam. Petra Reateguis historischer Kriminalroman ";Falkenlust"; ist kein üblicher Krimi, in dem man einen Toten findet und den Mörder sucht. Hier ist alles ein bisschen anders, der rheinische Klüngel ist an jeder Ecke dieses Buches zu finden.
Nach dem Fund der Leiche wird der Leser zwei Jahre zurückversetzt. Im beschaulichen Brühl dieser Jahre geht das Leben so vor sich hin, jeder weiß, wer er ist und was er erreichen kann. Johann Stemmeler, Sohn des Müllers, will aber mehr: Er will Falkner am Hof von Clemens August werden. Auf Falkenlust hält er seine Falken, wenn er mit ihnen jagen geht und dort hinzukommen ist sein ehrgeiziges Ziel. Und wenn er das erreicht hat, will er Agnes Linnich, Tochter des Wirts, zur Frau nehmen.
Männer und Frauen buhlen umeinander – in großer Zahl
Da ist er allerdings nicht der einzige. Anton Dominick, Sohn eines Großgrundbesitzers, soll eigentlich eine andere heiraten, aber Agnes gefällt ihm viel besser. Da Johann und Agnes nicht offiziell ein Paar sind, beginnt Anton sich stärker für sie zu interessieren. Daneben kommt ein neuer Gerichtsschreiber, Ignatz Clemens Kerpen, nach Brühl, um sein neues Amt anzutreten und zudem einer nicht gewünschten Heirat zu entgehen. Auch Kerpen entwickelt, bei aller gebotenen Sachlichkeit, Gefühle für Agnes.
Agnes' Gedanken werden dem Leser hauptsächlich durch Briefe mitgeteilt, die sie ihrer toten Schwester schreibt und deren Grab sie regelmäßig besucht. Neben den drei Herren schleicht noch ein Buckliger durchs Dorf, Joseph, der wohl nicht ganz richtig im Kopf ist und kleine Gaunereien begeht und eine sehr suspekte und daher eine von Grund auf verdächtige Person ist.
Die Frage: Wer ist die Leiche?
Beate Reateguis Kriminalroman ist deswegen anders, weil man nicht denkt, wer der Mörder sein könnte, vor allem geht es darum, wer denn die Leiche sein könnte. Dass dazu ein Mörder gehört, ist klar, aber nicht das entscheidende Element des Buches. Die Autorin entwirft ein karges Bild des Rheinlandes in der Mitte des 18. Jahrhunderts, voll mit Dorfklatsch und allem, was man sich für einen Provinzort denken kann. Liebevoll beschreibt sie die Einwohner des Dorfes, die alle irgendwie in die Geschichte mit einbezogen sind. Jeder hat seine Ecken und Kanten, seine Macken und Verschrobenheiten, und so wird irgendwie jeder verdächtigt, ein Kandidat sowohl für den Toten als auch für den Mörder abzugeben.
Allerdings dauert es eine Weile, bis man als Leser darauf kommt. Gerade zu Beginn des Buches, wo die Personen vorgestellt werden und allmählich der Konflikt zwischen Anton und Johann um Agnes und Margarethe, der eigentlichen Braut für Anton, beginnt, zieht sich die Handlung in die Länge. Man fragt sich bald warum das Buch eigentlich ";Kriminalroman"; heißt und was daran jetzt unbedingt historisch ist. Warum das so ist, merkt man erst ab der Hälfte des Buches, wenn man bis dahin durchgehalten hat.
Intrigen führen zur Katastrophe
Das allerdings ist zu empfehlen. Wie sich zwischen den Männern die Eifersucht und der Hass hochschaukeln, wie Intrigen gesponnen und entflochten werden, wer überhaupt gegen wen arbeitet – das ist schon amüsant zu lesen. Und das Dorf gibt seinen Senf in der Gerüchteküche gerne dazu und glaubt jeden kleinsten Fingerwink. Das allerdings gerät schon fast ins Klischeehafte, manche Dinge lassen sich dann doch vorausahnen und die Häufigkeit, in der diese Klischees auftauchen, wirkt zunehmend übertrieben.
Ein Buch mit dem Titel ";Falkenlust"; (womit der Name des Schlosses gemeint ist, wo der Fürst seine Falken hält) enthält viele Details über die Falknerei, sollte man meinen, aber hier wird leider ein wenig gespart. Gerne hätte man mehr über das Leben und die Arbeit eines Falkners erfahren, zumal Johann diesen ehrbaren Beruf anstrebt. Vielleicht war aber die Falknerei für den Haupthandlungsstrang der Geschichte nicht wichtig genug.
Wunderbarerweise klärt sich das Verbrechen erst auf den letzten zehn Seiten. (Bitte nicht vorher nachschauen.) Wer denn nun der Mörder ist und wer vor allem das Opfer ist und wer alles in diese Tat verwickelt ist und wer letztendlich dafür büßen muss, oder auch nicht, das ist eine lohnenswerte Auflösung der Geschichte.
Erwähnenswert ist der Anhang des Buches. Hier wird erwähnt, dass es ein Wegekreuz am Rhein gibt, das den Tod eines Unbekannten im Jahr 1758 anzeigt. Der Gedanke des Mordfalls ist also ein realer, der Fall selber aber nicht, wie die Autorin selber schreibt. Vorgestellt werden auch die Personen, die im Buch vorkommen, seien sie real oder selbst dazu erfunden. Dazu kommt ein Glossar mit Begriffen aus der Sprache der Falkner.
Dieses Buch ist ein Krimi, in dem der rheinischen Klüngel für einen Mord verantwortlich ist, das aber auch zu Beginn die Geschwindigkeit des Klüngels an den Tag legt. Gerüchte und Intrigen bestimmen das Leben und das Schicksal der Brühler Bevölkerung, aber, wenn wir mal ehrlich sind, ist es ja überall so – auch heute noch.
Petra Reategui, Emons
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