Intervention

  • Scherz
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Scherz, 2012, Titel: 'Pantheon', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
801001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2014

Die entscheidende Frage: Soll Amerika den Briten helfen?

8. Juli 1940. James Zennor kommt von seinem täglichen Rudertraining nach Hause und erlebt einen Schock. Von seiner Frau Florence sowie dem gemeinsamen Sohn Harry fehlt jede Spur. Dafür sieht die Wohnung so aus, als wäre sie intensiv durchsucht worden. Zunächst glaubt er an eine Entführung, doch dann findet James klare Hinweise, die nur einen Schluss zulassen: Florence hat ihn mit ihrem Sohn verlassen. Aus Gesprächen mit seiner Nachbarin sowie Florence´ bester Freundin erfährt James, dass diese offenbar schon länger ihr Verschwinden plante. Eine erste Spur führt nach Liverpool und so vermutet James, dass sie von dort mit dem Schiff nach Dublin fahren wollte, um sich vor den zunehmenden deutschen Luftangriffen in Sicherheit zu bringen. Aber auch vor ihrem Mann, der sich nach einer Kriegsverletzung als Krüppel sieht, welcher seinem Heimatland nicht im laufenden Krieg helfen kann, hatte Florence offenbar Angst, neigt James doch zu Gewalt und Jähzorn.

Für James indessen steht fest, dass er seine Familie wieder zusammenbringen will. Umso größer ist seine Verwunderung, dass Florence mit Harry nicht nach Dublin fuhr, sondern eine Schiffspassage nach Quebec buchte, von wo aus sie, wie weitere Recherchen ergeben, nach New Haven an die Eliteuni Yale fahren wollte. James folgt ihr wild entschlossen nach Amerika, doch was er dort in Erfahrung bringt, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen. Während in England die Menschen vor einer täglichen deutschen Invasion zittern, führt man im weit entfernten Amerika hitzige Debatten, ob man in den Krieg überhaupt eingreifen sollte. Würden dabei nur vermeintliche Kriegshetzer gegen selbsternannte Pazifisten wettern, wäre alles nur halb so wild …

Packender Plot, der nur anfangs kleine Längen hat

Jonathan Freedland (den Krimi-Lesern unter seinem Pseudonym Sam Bourne vermutlich bekannt) ist ein beeindruckender Thriller gelungen, der zunächst viel Zeit darauf verwendet, seinen eigenwilligen Protagonisten vorzustellen. So entsteht ein Psychogramm eines jungen Mannes, der eigentlich alles erreicht hat. Eine bezaubernde Frau, einen kleinen Sohn und eine gut dotierte Stelle an der Universität von Oxford. Wären da nur nicht die schlimmen Erinnerungen an einen Aufenthalt in Spanien im Jahr 1936, die nachts ständig zu Albträumen führen. Als linker Idealist schloss er sich den internationalen Brigaden an, um im Nachrichtendienst für die republikanische Armee zu arbeiten und so seinen Beitrag im Kampf gegen Francisco Franco zu leisten. Eine zertrümmerte Schulter in Folge einer Schussverletzung beendete seinen Einsatz. Seitdem gilt er auch für die britische Armee als untauglich, was sein Selbstwertgefühl zusätzlich belastet. Die Figurenzeichnung ist ebenso beklemmend wie brillant, zumal der Protagonist, welch´ Wunder, über sich selbst hinaus wächst und eine "wahnsinnige Geschichte" zu ihrem guten Ende führt. Allerdings übertreibt es der Autor ein wenig, denn James Reise nach Amerika beginnt erst nach rund 170 Seiten.

 

Nachts herrschte schwärzeste Finsternis, und die Leute, auch er, gruben sich Löcher im Garten, wo sie vor den Bomben Schutz suchen könnten. Sogar zweijährigen Kindern wie Harry schärfte man ein, Gasmasken bei sich zu tragen, falls Hitler die Luft mit Giftgas verseuchte. Der Feind war nur wenige Meilen weit entfernt – zweiundzwanzig genau gesagt, denn so weit war es von Dover bis Calais.

Aber hier in New Haven war der Krieg ein Diskussionsthema mit Argumenten dafür und dagegen. So war es drei oder vier Jahre zuvor auch in Großbritannien noch gewesen, als Chamberlain geglaubt hatte, er könnte mit Hitler Frieden schließen. Die gleichen Debatten wie hier hatte es gegeben, jede Menge, in Oxford Union und anderswo, und junge Männer hatten Reden über die Frage geschwungen, ob sie "für Krieg und Vaterland" kämpfen würden oder nicht – und so weiter. Aber das gab es nicht mehr. Die Diskussionen waren vorbei.

 

In Amerika warten einige Abenteuer und Überraschungen auf ihn und was er letztlich aufdeckt, ist eine Geschichte über ein "Detail" des Zweiten Weltkrieges, die man so noch nicht gelesen hat, die einen aber sicherlich faszinieren wird. Wenngleich "faszinieren" sicher nicht das passende Wort ist. Ohne zu viel verraten zu wollen, geht es um die Rolle der Amerikaner und hierbei um die Frage, ob sie den Hilferufen Churchills folgen sollen. Einerseits droht die Gefahr, dass Hitler ganz Europa überrollt, andererseits ist Europa weit weg. Wer hier (Politiker sowieso, aber auch Wissenschaftler, Intellektuelle, Geheimbünde und viele mehr) und aus welchen Gründen welche Position ergreift und welche drastischen Folgen mitunter in Kauf genommen werden, ist wahrlich haarsträubend. Dennoch beruht die Story (teilweise) auf historischen Begebenheiten, wie sich in den abschließenden Anmerkungen des Verfassers nachlesen lässt. Oder sagen wir es anders: Denkbar wäre es gewesen.

Der Schreibstil entspricht, dies soll abschließend nicht unerwähnt bleiben, einem modernen zeitgenössischen Thriller mit hohem Tempo. In die damalige Zeit wird man nur bedingt versetzt.

Intervention

Jonathan Freedland, Scherz

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