Der Teufel von New York

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • dtv, 2012, Titel: 'The Gods of Gotham', Originalausgabe
Wertung wird geladen
Eva Schuster
911001

Histo-Couch Rezension vonMär 2014

Düsterer Historienthriller aus dem New York des 19. Jahrhunderts

New York 1845: Nach einem verheeren Brand verliert der junge Timothy Wilde nicht nur seinen Job, sondern behält auch noch Gesichtsverletzungen bei, die ihn für seinen Beruf als Barkeeper untauglich machen. Gegen seinen Willen besorgt ihm sein älterer Bruder Valentine einen Posten bei der neu gegründeten Polizei. Tims Aufgabe ist es nun, in den New Yorker Straßen nach Verbrechen Ausschau zu halten und für Ordnung zu sorgen.

Eines Abends läuft ihm bei seinem Rundgang ein kleines Mädchen in die Arme - nur mit einem Nachthemd bekleidet und blutüberströmt. Tim kümmert sich um das Mädchen, das sich Bird nennt, und stellt fest, dass es nicht verletzt ist, das Blut muss von jemand anderem stammen - doch Bird will nichts preisgeben.

Kurz darauf wird die Leiche einen Jungen gefunden, dem nach seinem Tod der Brustkorb aufgeschnitten wurde. Endlich öffnet sich Bird gegenüber Tim und durch ihren Hinweis finden er und seine Kollegen neunzehn weitere Kinderleichen, vergraben auf einem abgelegenen Gelände. Alle Kinder scheinen irischer Abstammung zu sein, wohl keines älter als dreizehn Jahre. Doch niemand meldet sein Kind vermisst, auch das öffentliche Interesse an Morden an katholischen, irischen Kinder ist gering. Gerüchte um eine Kutsche und einen Mann mit schwarzer Kapuze, der die Kinder holt, gehen um. Tims Ermittlungen führen ihn in die finstere Welt der New Yorker Kinderprostitution ...

New Yorks dunkle Seite

Die Anfänge der New Yorker Polizei, das Leben in den Armenvierteln, die Halbwelt und die Suche nach einem Kindermörder sind die Aufhänger dieses Romans, der in das 19. Jahrhundert entführt. Lyndsay Faye gelingt es, ihren Lesern eine sowohl spannende als auch historisch fundierte Handlung zu präsentieren, die den Auftakt zu einer Serie um den Ermittler Timothy Wilde bildet.

Die Geschichte hält sich nicht mit langem Vorgeplänkel auf, sondern lässt nach kurzer Einführung des Ich-Erzählers Tim das Feuer ausbrechen, das so bedeutsam für den weiteren Verlauf wird. Bald darauf läuft Tim die kleine Bird Daly in die Arme und ehe er es sich versieht, befindet er sich mitten in einem beklemmenden Fall um ermordete und grausam zugerichtete Kinder. Gemeinsam mit Tim Wilde macht sich der Leser auf die Suche nach dem Täter, die sich ausgesprochen wendungsreich gestaltet. Die Hinweise sind dünn gesät, das Motiv ist lange Zeit unklar und immer steht die Befürchtung im Raum, dass noch weitere Kinder sterben müssen, ehe der Mörder gefasst wird. Das Leben in den New Yorker Elendsvierteln und der Unterwelt ist sowohl akribisch recherchiert als auch anschaulich dargestellt. Das Leid der prostituierten Kinder berührt, ohne dass zu plakativen Mitteln gegriffen werden muss. Nebenbei erhält der Leser auch informative Einblicke in die Anfänge der Polizeiarbeit und zum Alltagsleben der New Yorker um 1845. Hygieneverhältnisse, medizinische Versorgung und Spannungen zwischen irischen Einwanderern und amerikanischen Protestanten leuchten immer wieder auf und illustrieren die fesselnde Kriminalgeschichte.

Gelungene Charaktere

Hauptfigur Tim Wilde versteht es, den Leser schnell für sich einzunehmen. Sein Leben ist bisher alles andere als glücklich gelaufen, dennoch ist er bemüht, das Beste daraus zu machen. Interessant und vielschichtig ist vor allem die komplizierte Beziehung zwischen Tim und seinem älteren Bruder Valentine. Val, optisch in allem die etwas größere Ausgabe von Tim, ist seit seiner Kindheit ein Draufgänger, der das Leben liebt, sich gerne Alkohol und den Frauen hingibt, ein leidenschaftlicher Kämpfer für die Demokratische Partei ist und sich mit allerlei Gesindel aus der Unterwelt herumtreibt. Tim verbindet eine Art Hass-Liebe zu seinem Bruder, dem er aus dem Weg geht und mit dem er doch immer wieder zusammentrifft. Tim und Val waren sechs und zwölf Jahre alt, als das Haus der Eltern in Flammen aufging. Val rettete seinen Bruder, für die Eltern kam jede Hilfe zu spät. Gemeinsam schlugen sie sich durch und so sehr Tim auch oft den Lebensweg seines Bruders ablehnt, sind sie einander doch eng verbunden.

Ambivalent ist auch das Verhältnis zwischen Tim und Mercy Underhill, Tochter des Reverends und Kindheitsfreundin von Tim. Trotz ihrer langjährigen Bekanntschaft hat Tim es bislang nie gewagt, Mercy offen den Hof zu machen. Stattdessen spart er heimlich, um ihr für den Fall einer Heirat etwas bieten zu können, nur um mitansehen zu müssen, wie sein Hab und Gut in den Flammen aufgeht. Gezeichnet durch die Brandwunde glaubt Tim, nun zusammen mit dem Verlust seiner Ersparnisse endgültig alle Chancen auf Mercys Liebe verloren zu haben und hält sich von ihr fern - bis seine Ermittlungen im Fall der Kindermorde ihn ihr wieder nahe bringen. Eine charmante Figur ist die kleine Bird, anfangs verschlossen und rätselhaft, später trotz ihrer jungen Jahre Tim eine richtige Freundin. Auch Tims gütige Vermieterin, die junge verwitwete Mrs. Boehm und der kauzige Kollege Mr. Piest erscheinen als gelungene Figuren. Das gilt in gleichem Maß für die historische Gestalt George Matsell, New Yorks ersten Polizeipräsidenten, der hier eine kleine aber prägnante Nebenrolle ausfüllt.

Geringe Schwächen

Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist der häufige Einsatz der Gaunersprache "Flash", die sowohl Tim als auch sein Bruder Val beherrschen. Zwar erklärt ein Glossar am Buchenende die wichtigsten Begriffe und die meisten Ausdrücke können dem Kontext entnommen werden, doch der Lesefluss wird bisweilen dadurch gehemmt, dass sich bisweilen ganze Sätze in Flash aneinander reihen. Aufmerksame Leser werden zudem zumindest einen Punkt der Auflösung bezüglich der Kindermorde dank gewisser Hinweise vorzeitig erahnen können, sodass eine der Enthüllungen Tim Wildes für sie nicht mehr überraschend kommt. Das ändert nichts an dem grundsätzlichen Spannungsgehalt des Romans, aber die verfrühte Ahnung nimmt letztlich doch ein bisschen Tempo aus der Handlung heraus.

Unterm Strich ist Lyndsay Faye ein hervorragender Historienthriller geglückt, der durch dichte Atmosphäre, ausgiebige Recherche und eine facettenreiche Hauptfigur überzeugt - auf weitere Fälle von Timothy Wilde darf man gespannt sein.

Der Teufel von New York

Lyndsay Faye, dtv

Der Teufel von New York

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Der Teufel von New York«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Zeitpunkt.
Menschen, Schicksale und Ereignisse.

Wir schauen auf einen Zeitpunkte unserer Weltgeschichte und nennen Euch passende historische Romane.

mehr erfahren