Doctor Boff

  • Sutton
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Sutton, 2012, Titel: 'Doctor Boff: Weiberkranckheiten', Originalausgabe
Doctor Boff
Doctor Boff
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonMär 2014

Ein Medicus gerät in die Intrigen der Mächtigen

Halle im Jahr 1732. Roderich Hoppe verletzt den beliebten Stadtmedicus Tänzer so schwer, dass dieser in ein wochenlanges Koma verfällt. Angeblich, weil Tänzer Hoppes Frau falsch behandelt hatte. Da trifft es sich gut, dass sich mit dem weitgereisten Medicus Albrecht Boff zufällig ein geeigneter Nachfolger gerade in der Stadt aufhält. Von seinem Vorgänger übernimmt er die unersetzliche Stine, die ihm den Praxisalltag organisiert. Nur kurz stehen die Frauen dem neuen Fachmann für ihre besonderen Krankheiten skeptisch gegenüber. Mit seiner fachkundigen, aufgeschlossenen und vor allem menschlichen Art erobert er die Frauenwelt jedoch im Sturm.

Nur eine Frau scheint sich gar nicht zu ihm hingezogen zu fühlen, denn seine engste Mitarbeiterin, die hübsche Hebamme Hermine, zeigt ihm die kalte Schulter. Boffs Arbeitsmethoden werden durchaus kritisch beäugt, zumal er den jungen Arzt Rohwedder bei sich aufnimmt, der sich mit der Untersuchung von Leichen befasst, um den menschlichen Körper besser zu verstehen. Als Tänzer nach mehreren Wochen aus dem Koma erwacht und am nächsten Tag auch noch Hoppe aus dem Gefängnis ausbricht, drohen sich die Ereignisse zu überschlagen und gleich die ganze Stadt in den Abgrund zu stürzen…

 

Aber selbst wenn man zum Äußersten griff und Vampire, Werwölfe, Wiedergeborene, Spukgestalten und Waldmenschen abzog, am Ende blieb eine Zahl von 8.000 bis 10.000 einfachen Menschen, die morgen sehr zornig werden könnten. Und weil diese Menschen arm waren und nichts zu verlieren hatten, können sie auf den Gedanken kommen, denen, die reich waren und viel zu verlieren hatten, einen Besuch abzustatten.

 

Weiberkranckheiten ist ein vielschichtiger Einblick in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts, wenngleich die Handlung kaum die Stadt Halle verlässt. Vielmehr legt Norbert Klugmann seinen Schwerpunkt auf die Heilkunst der damaligen Zeit. Die neue trifft die alte Medizin und damit studierte Ärzte auf Heiler, Kräuterweiber und Zahnreißer. Der Konflikt zwischen den Ärzten für die Reichen und den übrigen Gruppierungen, denen viele Scharlatane angehören, soll sich zum zentralen Thema des Romans entwickeln.

Hier gibt es jedoch den, wenn man es so sagen möchte, einzigen Schwachpunkt. Zunächst geht man anhand des Buchrückens davon aus, dass es um die Auseinandersetzung zwischen Hoppe und Tänzer geht, deren finale Auflösung nach knapp der Hälfte des Romans dann überraschend schnell erfolgt. Erst anschließend zeigt sich allmählich, worum es wirklich geht: um den besagten Disput zwischen gelehrten Ärzten und "dem Rest". Es geht um Macht, Ansehen und Geld, so dass auch ein korruptes politisches Umfeld im städtischen Rathaus nicht fehlen darf. Zu Beginn springt die Handlung ein wenig, nicht jede Seitenhandlung wird am Ende überzeugend aufgeklärt und so dauert es, bis sich der berühmte "rote Faden" findet. Die Geschichte wirkt teilweise überfrachtet.

Die medizinische Versorgung ist bildhaft dargestellt und einige eklige Episoden bleiben zwangsläufig nicht aus. Zudem stand es Ärzten nicht an, ihre Patientinnen in bestimmten Körperregionen zu berühren; eine Aufgabe, die hier die vorlaute Hermine übernimmt. Da nur wenige Menschen über ausreichende Geldmittel verfügen, begibt sich die Masse in die Hände der Heiler und Kräuterweiber, deren Arbeitsmethoden mehr als bedenklich anmuten.

 

Für jede Patientin hatte er ein Medikament parat: das Lächeln des Doktors. Er lächelte auch noch, wenn das, was den Juckreiz auf dem Kopf verursachte, flinke Beine besaß; wenn die Krätze beide Arme unter sich begraben hatte, legte er eine Hand darauf, und alles ließ sich gleich besser aushalten; wenn das Fieber seit sechs Wochen nicht verschwinden wollte, fragte er einem so lange ein Loch in den Bauch, bis die Rede auf das verschimmelte Brot und das verschimmelte Gemüse kam, das man aus dem Abfallhaufen fischte, der so günstig lag, dass man nicht widerstehen konnte.

 

Die Figurenzeichnungen hätten mehr Tiefgang verdient und auch die Schreibweise des Autors erfordert eine "Eingewöhnungsphase". Ansonsten überzeugen aber die genannten Themen (medizinische Versorgung, Streit zwischen Ärzten und Heilern, politische Intrigen - nicht nur - im Rathaus) sowie ein mitunter humorvoller Erzählstil. Hätte der Autor seine Schwerpunkte etwas genauer gesetzt und vor allem den Erzählstrang zu Beginn klarer aufgezeigt, wäre mehr drin gewesen. So ist Weiberkranckheiten ein kurzweiliges Werk, dessen Protagonisten man ein weiteres Abenteuer wünscht.

Doctor Boff

Norbert Klugmann, Sutton

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