Die Tochter der Sündenheilerin
- Piper
- Erschienen: Januar 2014
- 8
- Piper, 2014, Titel: 'Die Tochter der Sündenheilerin', Originalausgabe
Gelungener Generationenwechsel
Verletzte Eitelkeiten sind gefährlich, sie können weitreichende Folgen haben, vor allem wenn derjenige, dessen Eitelkeit verletzt wurde, eher kleingeistig und unversöhnlich ist. Diese Erfahrung muss auch die junge Antonia von Birkenfeld machen. Aus einer Laune heraus ermutigt sie den wesentlich älteren Eberhard von Regenstein, um sie zu werben – nicht wissend dass er ihre Neckereien tatsächlich ernst nimmt. Umso demütigender ist es für ihn, dass Antonias Vater Philip von Birkenfeld dieses Ansinnen rundheraus ablehnt – und somit alte Animositäten zwischen den Familien erneut geschürt werden. Eberhard lässt kurzerhand Antonias jüngere Schwester Meret entführen und als Geisel auf die Burg seines Vaters bringen. Wenig später befinden sich die beiden Sippen in einer Fehde, in der mit teils unfairen Mitteln gekämpft wird…
Für Leser von Melanie Metzenthin sind Philip und Lena von Birkenfeld aus den vorhergegangen Büchern Die Sündenheilerin und Die Reise der Sündenheilerin alte Bekannte. Vor nunmehr 23 Jahren sind die beiden von ihren Abenteuern aus Ägypten zurückgekehrt, haben sich auf Burg Birkenfeld niedergelassen und sind stolze Eltern vierer Kinder. So ist es nur folgerichtig, dass die Autorin in ihrem neuesten Roman Die Tochter der Sündenheilerin Antonia von Birkenfeld und ihre Geschwister Rudolf, Alexander und Meret in den Mittelpunkt rückt.
Humorvoll und ideenreich
Melanie Metzenthin selbst bezeichnet dieses Buch als ihre "heitere Mittelaltergeschichte", und dem kann man nach der Lektüre nur zustimmen. Trotz der ernsten Ausgangssituation mit der Entführung und der Fehde ist der Ton des Romans ausgesprochen humorvoll und besonders die Birkenfelder haben einige hervorragende Ideen, die ihren Gegnern das Leben schwer machen, ohne ihnen dabei ernsthaft zu schaden, aber den Leser ausgezeichnet unterhalten. Dabei hat auch Lena einen herrlichen Auftritt, den Leser der vorherigen Bände besonders zu schätzen wissen dürften, ebenso wie das Auftauchen von Philips Neffen Karim und Theas Tochter Sachmet, deren Eltern ebenfalls alte Bekannte sind.
Doch auch wenn einige Figuren aus den ersten Büchern auftreten und es immer wieder Anspielungen auf frühere Erlebnisse gibt, so kann man Die Tochter der Sündenheilerin doch problemlos alleine lesen. Die Hinweise machen höchstens neugierig auf die anderen Bücher.
Faszinierende Figurenzeichnung
Neben der humorvollen Schreibweise kennzeichnet die überzeugende Figurenzeichnung Melanie Metzenthins Romane. Als Fachärztin für Psychatrie und Psychotherapie kennt sie sich mit seelischen Erkrankungen aus und kann sie treffend darstellen.
In Die Tochter der Sündenheilerin ist Philip und Lenas ältester Sohn Rudolf von einer bipolaren affektiven Störung betroffen, umgangssprachlich auch "manisch-depressive Erkrankung" genannt. Metzenthin versteht es, dem Leser nahezubringen, was es heißt, mit einem daran Erkrankten umzugehen, mit ihm zu leben und wie sehr ein stabiles, liebevolles Umfeld helfen und stabilisieren kann, denn medikamentöse Hilfe gab es damals noch nicht.
Doch unbestritten die faszinierendste Figur ist Stephan von Cattenstedt, ein junger Ritter, der in den Diensten von Philip von Birkenfeld steht und seinen Ritterschlag während des Kreuzzugs erhielt. Dort hat er Traumatisches erlebt, dass er bisher tief in sich verschlossen hält. Im Laufe des Buchs öffnet sich Stephan immer mehr und der Leser erfährt nach und nach seine ganze Geschichte. Diese Wandlung ist so überzeugend und glaubwürdig dargestellt, dass Stephan bald zu einem der stärksten Sympathieträger des Romans wird. Zudem verleiht seine Erzählung dem Buch Würze, so dass die eher heiter erzählte Rahmenhandlung gekonnt abgerundet wird und die nötige Portion Tiefgang erhält.
Wenig Kritikpunkte
Zu Kritisieren gibt es wenig an Die Tochter der Sündenheilerin. Lediglich die sich anbahnenden Liebesgeschichten sind sehr vorhersehbar, hier gibt es so gut wie keine Überraschungen, ebenso wie letztlich – trotz einiger Wendungen – das Ende der Geschichte und der Sieger der Fehde schnell klar ist.
Somit ist es letztlich die Geschichte um Stephan von Cattenstedt, die das Buch davor rettet, allzu seicht zu werden.
Doch so entsteht eine gekonnte Verwebung zwischen Tiefgang, Dramatik, Spannung, Finesse und Humor sowie eine glaubhafte und facettenreiche Darstellung (fast) aller Figuren, welche Die Tochter der Sündenheilerin zu einem genussvollen Leseerlebnis macht, das den Leser für einige Stunden in eine andere Welt eintauchen lässt.
Melanie Metzenthin, Piper
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