Die Reform des Salai

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Aufbau, 2012, Titel: 'La Riforma di Salaì', Originalausgabe
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Almut Oetjen
871001

Histo-Couch Rezension vonApr 2014

Schlauer Reformator mit Schaden

Salaì, der Ziehsohn Leonardo da Vincis, wird nach dessen Tod nicht im Testament bedacht. Es soll aber einen weiteren letzten Willen des großen Künstlers geben, nur für Salaì und in Leonardos Nachttopf versteckt. Mit seinem Sohn, dem Mönch Bruder Redento, macht Salaì sich auf den Weg, das Erbe anzutreten, das nunmehr in Wittenberg im Hause des Reformators Martin Luther steht. In Teutschland geben sich die beiden als Anhänger Luthers aus, die helfen wollen, dessen Lehre in Italien auszubreiten. Zugleich führt Salaì für den Papst ein Tagebuch über seine Erfahrungen in dem fremden Land und über Luther. Jahrhunderte später bildet ein Teil dieses Tagebuchs die Grundlage für ein psychiatrisches Gutachten, das Professor Reiter über den Reformator erstellt hat.

Vulgärer Schelm als vermeintlicher Reformationsanhänger

Salaì ist im dritten Band der Reihe eine Spur vulgärer als in den Vorgängern Die Zweifel des Salaì und Die Entdeckung des Salaì. Die Intensität des Vulgären wird noch dadurch verstärkt, dass der Papst Adressat der Aufzeichnungen ist.

Salaì profitiert durch seine Kenntnis menschlicher Schwächen in Verbindung mit seinem listigen Verhalten. Er entspricht dem typischen Schelm, der mit adäquaten Mitteln auf seine Umwelt reagiert. Es gelingt ihm, Systemmängel zu instrumentalisieren und die Schwächen der Menschen offenzulegen. Er nutzt die Arroganz, Dummheit und Gier Hochgestellter, so wenn er Fälschungen von Werken Leonardos dem französischen König als angeblich im Voraus vermachtes Erbe seines Meisters verkauft.

Salaì hat keinen großen Plan, er verhält sich von Fall zu Fall. Er will nicht hoch hinaus im Leben, sondern dieses nur auf möglichst angenehme Weise durchstehen. Die Ausführungen an den Papst zeigen im Detail, dass sich Salaì im Umfeld von Macht und Ordnung unwohl fühlt.

Salaìs Promiskuität wurde ersetzt durch die Ehe, was ihn letztlich zu häufigeren und deftigeren Ausflügen in die Vorstellungswelt der Sexualität bringt. Zugleich verübt er kaum mehr Streiche. Der heimliche Moralist, der sich in den beiden Vorgängern gelegentlich andeutet, wird in Die Reform des Salaì stärker betont.

Der Roman enthält Exkurse in den Literaturmarkt, diskutiert die Beziehung zwischen Verlagen und Autoren als Ausbeutungsverhältnis, greift aktuelle Diskurse auf wie die Urheberrechtsdiskussion. Salaì fertigt Kopien einiger Bilder Leonardos, die er in Details "verbessert", so durch "dicke Möpse". Diese Kopien verkauft er für viel Geld. Leonardo will als Urheber an den Einnahmen Salaìs beteiligt werden.

Fiktionaler Luther als Objekt psychiatrischer Überlegungen

Die Reform des Salaì besteht aus zwei Teilen, einem Tagebuch und einem Sachtext. Beides wird herausgegeben und kommentiert von Monaldi & Sorti. Sie stellen den Sachtext nicht in den Anhang und beziehen sich in der Erzählung darauf, sondern organisieren den gesamten Roman wie einen Sachtext. Er beginnt mit einem Vorwort der Herausgeber und endet mit einem Postscriptum und Quellenangaben. Den Hauptteil bilden die beiden Texte, Salaìs Tagebuch und Reiters psychiatrische Überlegungen zu Luther. Reiters Arbeit bezieht sich nur auf einen Teil des Tagebuchs, der auch in den Überlegungen zitiert wird. Drei weitere Tagebuchteile, die Reiter nicht vorlagen, haben die Herausgeber so in den Text eingefügt, dass die Chronologie der Eintragungen gewahrt bleibt. Der gesamte Text enthält Fußnoten der Herausgeber.

Die Figur des Martin Luther ist eine Verbindung aus Fakten und Fiktion, wobei die Trennlinie unsichtbar ist, auch wenn Monaldi und Sorti im Postscriptum grobe Angaben dazu machen, was authentisch ist. Der Luther der Erzählung wird beschrieben als ein Mann, der säuft, frisst, bei Tisch gerne Frauen mit den Füßen masturbiert, vollbusige Frauen vorzieht, sich für den Stellvertreter Gottes auf Erden hält und sich gerne reden hört, dem schließlich der Teufel erscheint. Manches davon zählt zur Folklore, anderes ist dokumentiert. So hatte Luther neun aus dem Kloster Nimbschen geflohenen – im Roman: entführten - Nonnen im von ihm bewohnten Schwarzen Kloster in Wittenberg Unterschlupf gewährt. Diese Dinge erfährt Reiter aus dem Tagebuch Salaìs und wertet sie aus. Tatsächlich haben Monaldi und Sorti Auszüge aus dem zweibändigen, tausend Seiten umfangreichen Werk Reiters über Luther zur Grundlage ihres Romans gemacht und Textstellen daraus zu Tagebucheinträgen Salaìs umgeschrieben, auf die wiederum der Reiter des Romans sich bezieht. Das Salaìsche Tagebuch ist eine Erfindung von Monaldi und Sorti.

Stilistisch ähnelt der Roman seinen Vorgängern. Salaìs Tagebuch wird mit allen Mängeln in Orthographie und Grammatik reproduziert, es enthält aus Comics bekannte Lautmalereien, Schallwörter, die über Dehnungen Emotionen ausdrücken, die sprachliche Wiedergabe von Musik und Körpergeräuschen. Luthers Freund und Schüler Melanchthon lifpelt, was im Text zur häufigen Ersetzung des "s" durch ein "f" führt.

Die Reform des Salaì ist nicht so vielschichtig wie Die Zweifel des Salaì und Die Entdeckung des Salaì, ist einige Spuren vulgärer, weitab vom gelegentlichen Abhandlungscharakter der "Zweifel", zurückhaltender mit Anmerkungen der Autoren und insgesamt komischer als die Vorgänger.

Die Reform des Salai

Rita Monaldi & Francesco Sorti, Aufbau

Die Reform des Salai

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