Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini
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- Erschienen: Januar 2014
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- , 2014, Titel: 'Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini', Originalausgabe
Ein hervorragender spezieller Western
1852. Der italienische Komponist Gioachino Rossini hat der Großteil seines kompositorischen Schaffens hinter sich und schreibt nur noch ein paar kleine Gelegenheitsarbeiten, als er erfährt, dass sein Onkel in Amerika gestorben ist und ihm einen Saloon und ein Stück Land vermacht hat. Rossini macht sich auf die beschwerliche Reise über den Atlantik, um sein Erbe anzunehmen.
Nach einer strapaziösen Überfahrt wird er gleich von unbekannten mysteriösen Menschen in New York in Beschlag genommen, die ihm einen Treckwagen und vieles andere nötige und unnötige verkaufen, bevor er sich mit seinem Maultier und dem Wagen auf den Weg Richtung Westen und dem Örtchen Poplar Bluff macht. Doch nicht nur Indianer säumen seinen Weg.
Währenddessen gibt es in Poplar Bluff den Rinderbaron Whip Fletcher, der wegen einer Wasserstelle scharf auf das Land ist, das Rossini geerbt hat, und ein lesbisches Schafzüchterpärchen will genau dies verhindern. Während Rossini sich auf dem sechs Wochen langen Weg befindet und dabei einen Inder, einen Schwarzen und einen Indianer aufgabelt und mitnimmt, weiß er nichts von dem Treiben, das sich um sein Land abspielt. Dort angekommen, kommt es zum spektakulären Showdown.
Ein italienischer Komponist als Romanheld
"Kein Spaghetti-Western”, so der Untertitel auf dem Buchcover aus dem Residenz-Verlag, und schon das Titelbild und der ungewöhnliche Titel lassen erahnen, dass man es hier tatsächlich nicht mit einem normalen Roman zu tun hat. Und wer genau in Rossinis Gesicht schaut (er ist der Mann vorne auf dem Pferd), der kann ein gewisses Schmunzeln sehen, dass dem Meister zu Beginn des Romans jedoch gehörig vergeht.
Denn die Schilderung der Überfahrt auf einem Segler, obwohl es bereits Dampfer gab, fordert dem Komponisten bereits einiges ab. Sowieso von leicht schwächlicher Konstitution und in der Heimat von Selbstmordgedanken umflogen, ist sich Rossini nicht sicher, den Amerikanischen Kontinent überhaupt lebend zu erreichen. Autor Kurt Palm schildert die Überfahrt und deren Umstände derart realistisch, dass man froh ist, nicht mit dabei gewesen zu sein.
Kuriose Reisegruppe
Überhaupt ist Palm ein guter Beobachter und führt dem Leser plastisch vor Augen, wie die damaligen Verhältnisse, nicht nur auf dem Schiff, waren. Die Neuankömmlinge wurden nicht nur freundlich behandelt, und einzig, dass Rossini erwähnt, dass er zu Lorenzo Da Ponte möchte, einem ehemaligen Librettisten und mittlerweile über 100 Jahre alt, entlockt so manchem Schergen ein "Don Lorenzo? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?”, und plötzlich öffnen sich Türen und Tore, und so mancher Dollarschein kann in Rossinis Börse bleiben. Wobei die Schergen alles daran setzen, auch noch an diese Scheine heranzukommen.
Nachdem Rossini bei Da Ponte war und nun mit allem wichtigen und unwichtigen ausgestattet ist, macht er sich auf den Weg und gabelt nach und nach mehrere Reisegefährten auf, ohne das eigentlich zu wollen. Immer noch ein gutgläubiger Mensch, lässt sich Rossini das eine ums andere mal beschwatzen und sammelt so eine kuriose Truppe um sich zusammen, für die er auch Umwege macht, damit sie nicht erwischt oder entdeckt werden. Hier hat der Autor allein durch die Zusammenstellung der drei "Anhalter” - ein Inder, ein Schwarzer und ein Indianer - viel Humor bewiesen, allerdings präsentiert er auch einen Querschnitt durch die Vereinigten Staaten, mit ihren Ureinwohnern, ihren Sklaven und ihren Einwanderern.
Humorvoll
Palms Stärke liegt nicht nur im Kuriosum und im Humor, sondern vor allem auch im Realismus seiner Erzählung. Natürlich wird ein wenig geflunkert, so wurde Lorenzo Da Ponte niemals über 100 Jahre alt, aber dieser Mann wäre einen eigenen Roman wert. Palm versteht es, dem Leser die politischen Begebenheiten, aktuell und vergangen, näher zu bringen, das Schicksal der Indianer zu beschreiben und sich auch mit Sklaverei zu beschäftigen, indem er eben die drei Charaktere auf Rossinis Wagen steigen lässt und sie mitnimmt, so dass er Zeit hat, sie zu entwickeln und darzustellen. Das ist geschickt zusammengestellt und für den Leser äußerst lehrreich.
Die Parallelhandlung in Poplar Bluff bietet ebenfalls einigen Sprengstoff und zeigt, dass manche Farmer skrupellos und durchaus nicht schüchtern waren, wenn es um die Durchsetzung ihrer Meinung und angeblichen Rechte ging. Das ist Alltag im Wilden Westen, und selten war man so nah dran wie in diesem Roman.
Preiswürdiger Titel
Bringt mir die Nudel von Giaochino Rossini - schon der Titel verdient eine besondere Erwähnung und einen obersten Platz auf der Liste der originellsten Buchtitel des Jahres. Rossini war kein Kostverächter und musste sich auf dieser Tour hauptsächlich von Bohnen und Speck ernähren, was einen Italiener schon kräftig wurmen kann. Rossini wird sehr humorvoll und nett beschrieben, und man fühlt Sympathien mit ihm und möchte fast mit ihm auf dem Wagen sitzen und seine kuriosen neuen Begleiter kennen lernen. Palm spielt mit seinen Zusammenstellungen und hat dabei den Leser immer auf seiner Seite.
Der Humor des Romans ist nicht zotig, wie der Titel vielleicht vermuten lassen können, aber davor warnt ja auch der Zusatz "Kein Spaghetti-Western”. Es ist ein Western, ja, und der Humor besteht mehr aus den Handlungen und kuriosen Ereignissen denn in Dialogen, und das macht den Roman zu einem besonderen Erlebnis für Freunde der aussergewöhnlichen Literatur. Es ist ein ungewöhnlicher Roman, dem nur eine Karte fehlt, damit man die Tour Rossinis mit verfolgen kann.
Wer gerne Western liest, auf etwas schrägen Humor steht und doch einen ziemlich seriösen Roman mit enormem Hintergrundwissen lesen möchte, der ist mit Bringt mir die Nudel von Gioachino Rossini bestens beraten. Allen anderen sei der Roman trotzdem ans Herz gelegt, um aus dem Historischer-Roman-Allerlei zu entfliehen und eine spezielle Perle zu entdecken. Weiter so, Herr Palm. Es hat uns sehr gefreut, hoffentlich bald wieder.
Kurt Palm, -
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