Der arme Konrad
- Silberburg
- Erschienen: Januar 2014
- 3
- Silberburg, 2014, Titel: 'Der arme Konrad', Originalausgabe
Detailgetreue Darstellung des Lebens der einfachen Leute
Württemberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts. In Beutelsbach lebt die Bevölkerung einfach und im Grunde zufrieden, nur die harten Winter sind oft ein Kampf ums Überleben. Im Ort kennt jeder jeden und in der bunten Schar an Leuten wachsen zwei jungen Buben auf, die enge Freundschaft schließen. Hannes Gais, Sohn eines Tagelöhners und Jost Huetlin, Sohn des Schultes von Beutelsbach. Die enge Freundschaft hält so lange, bis die beiden sich in dasselbe Mädchen verlieben, Katharina.
Ist das Los der einfachen Leute ohnehin nicht leicht, so nimmt sich die Obrigkeit alle Freiheiten heraus, ohne Rücksicht zu nehmen. Ihre beliebten Jagdausflüge gehen nicht selten über die Felder der Bauern, deren Ernte damit zerstört wird. Als der Herzog noch mehr Geld braucht und die Bevölkerung noch extremer zu schröpfen beginnt, können viele nicht mehr an sich halten und schließen sich zusammen, um ihren Unmut kundzutun. Wie gefährlich es sein kann, sich mit der Obrigkeit anzulegen, bekommen einige von ihnen zu spüren...
Vermeintlich unscheinbare Aufmachung
Liegt dieses Buch zwischen Stapeln anderer historischer Romane, so werden viele Liebhaber des Genres wohl nicht unbedingt zu diesem greifen, zu unscheinbar wirkt es auf den ersten Blick. Wie sehr die Aufmachung aber täuschen kann, weiß man aber erst nach dem Lesen dieses doch außergewöhnlichen Romans. Dass das Motiv des Covers dabei hervorragend zum Inhalt passt, wird der geneigte Leser auch erst dann wissen, wenn er sich näher mit dem Bild befasst.
Der arme Konrad ist mitnichten ein gebeutelter Mann, sondern bezeichnet eine Vereinigung von Bauern und Bürgern in Württemberg um 1514, um gegen Herzog Ulrichs Umverteilungs-politik aufzubegehren.
Jürgen Seibold hat sich eines Themas angenommen das man selten in historischen Romanen findet: Das alltägliche Leben des einfachen Bürgers und der Bauern. Von Beginn sitzt man mit am Tisch der einen oder anderen Familie im Dorf, wenn sie ihr karges Mahl einnehmen, die Mutter ihrer täglichen Arbeit nachgeht und die Kinder mit anpacken müssen. Es ist, als lebe man selbst mit in dieser Gemeinschaft, um einmal den Schultes, Heinrich Huetlin in seinem Gasthaus zum Ritter zu besuchen, Gast zu sein bei Peter Gais und seiner Familie, den Trunkenbold Muthans in seiner Werkstatt aufzusuchen oder auch am Tisch der Familie Buchner, einem Zimmermann aus Winterbach, zu sitzen.
Der Autor gibt auf sehr subtile Weise detaillierten Einblick in das Milieu der Bevölkerung. Ihre Sorgen, ihre Nöte werden aber nicht nur sehr plastisch, sondern auch mit einer Prise Humor dargestellt. Und obwohl sich alles um das Leben im Dorf dreht, kommt kein einziges Mal das Gefühl auf, dass es dem nun zu viel sei. Im Gegenteil. Man lernt die Figuren so gut kennen, als wären sie gute, alte Bekannte.
Wunderbare Charakterstudie
Eine Vielzahl an Figuren ist es, denen man in diesem Buch begegnet. Zur Erleichterung, alle auseinanderzuhalten, gibt es hinten im Buch ein übersichtliches Glossar. Und trotz der Vielzahl an Personen fällt es dem Leser nicht schwer diese auseinanderzuhalten, zu ausgefeilt ist jeder einzelne Charakter. Viel überlässt Seibold der Fantasie des Lesers, nur da wo es angebracht ist, gibt er ihm leichte Führung, wie im Aussehen mancher Figur.
Stehen die Familien Gais und Huetlin auch im Zentrum des Geschehens, so ist das eigentliche Thema jedoch der Zusammenschluss des geknechteten Volkes zum armen Konrad, einem Vorboten der Bauernkriege.
Politische Einblicke
Wenngleich das Leben von Hannes, Katharina und auch Jost stets im Fokus stehen, so bekommt man gerade im letzten Viertel des Buches genauen Einblick in das damalige politische Geschehen und wie es dazu kam, dass die Leute sich zusammenschlossen. Dass der Autor sich sehr viel Mühe mit der Recherche gemacht hat, wird mit jeder Zeile verdeutlicht. Authentisch, nachvollziehbar und mit sehr viel Gespür fürs Wesentliche hat Jürgen Seibold mit diesem Roman eine kleine Perle in der Flut der sich auf dem Markt befindlichen Bücher dieses Genres geschaffen. Wer sich für das wirkliche Leben der Zeit interessiert und einen Roman ohne übertriebenen Heldentum, ohne emanzipierter und umwerfender Frauen lesen möchte, der wird mit diesem Buch seine wahre Freude haben.
Jürgen Seibold, Silberburg
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