Der Heidenfürst

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2014
  • 2
  • Rowohlt, 2013, Titel: 'The Pagan Lord', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
981001

Histo-Couch Rezension vonMai 2014

Von falschen Freunden und echten Feinden

England im Jahr 910. Noch ist das Land nicht geeint, und König Edward ist nach dem Tod seines Vaters, König Alfred, unentschlossen und zögerlich. Seit einigen Jahren herrscht Frieden auf der britischen Insel, doch der ist trügerisch. Edwards bester Ritter, Uhtred von Bebbanburg, vermutet, dass sich schlimmes zusammenbrodelt, und wie zumeist hat er recht.

Als Uhtred nach einem Ausritt sein Dorf vernichtet vorfindet, hat er den Schuldigen schnell gefunden: Es ist Cnut Langschwert, der davon überzeugt war, dass Uhtred seine Frau und seine Kinder entführt habe, doch dem war nicht so. So macht sich Uhtred auf den Weg, Cnuts Frau und Kinder zu finden und den wahren Schuldigen zu stellen. Doch zuvor versucht er, seinen Onkel von seinem Familiensitz Bebbanburg zu vertreiben.

Während er in den Norden reitet, braut sich im Rest Britanniens einiges zusammen. Bei der Schlacht von Ceaster kann er gerade eben überleben und wird für tot gehalten. Ein Umstand, der ihm zupass kommt, denn so wird er zur Legende und versucht mit knapp 300 Leuten gegen das Heer des eigentlichen Schurken, eben Cnut Langschwert, zu bestehen. Doch wenn nicht Hilfe von Edward kommt, können die Dänen nicht geschlagen werden und das Schicksal Englands könnte entscheiden sein.

Cornwell in Hochform

Das Warten hat sich gelohnt. Bereits zum siebten Mal schickt Bernard Cornwell seinen Helden Uhtred von Bebbanburg durch das mittelalterliche England, doch zunächst fällt er auf eine List Cnut Langschwerts herein, kommt ihm aber schnell auf die Schliche. Er wollte Cnut bereits zu einem vergangenen Zeitpunkt töten, doch ist es ihm nicht gelungen, und so wird er das eben bald erledigen müssen.

Der Beginn des Romans besticht nicht so sehr durch Schlachten und Kämpfe, womit Cornwell gerne aufwartet, sondern eben dadurch, dass alles ruhig ist, was Uhtred verdächtig vorkommt. Er ist ausgeritten, seinen Sohn vor der Priesterweihe zu retten, doch er kommt zu spät, und so verstösst er ihn und nennt ihn nicht mehr seinen Sohn. Respektlos tötet er einen Priester und wird dafür von der Kirche exkommuniziert und verflucht werden, wobei letzteres schlimmer ist, denn er war ja eh kein Christ und glaubte nicht an den "angenagelten Gott, wie er ihn nennt.

Derbe Ausdrücke

Schon zu Beginn des Romans läuft Cornwell zu Hochform auf und formuliert Sätze und Ausdrücke, dass es beim Lesen eine Freude ist, wobei dieses Lob auch der Übersetzerin Karolina Fell gehören soll, die bislang für alle Übersetzungen aus der Uhtred-Reihe verantwortlich ist. Die Sprache ist nicht geschönt und teilweise auch derb, aber sie entspricht eben den Gepflogenheiten des 10. Jahrhunderts, wo das Schwert allgemein lockerer saß und gerade auch Beleidigungen zu einem ordentlichen Kampf und einer Schlacht rituell dazu gehörten. Hier kann man einiges an Flüchen und Beleidigungen lernen...

Cornwells Dramaturgie ist geschickt gewählt, schickt er seinen Helden nach dem Ausflug zu Cnut doch zunächst nach Bebbanburg, worauf der Leser seit Beginn der Reihe wartet, damit Uhtred seinen Onkel von seinem Stammfamiliensitz vertreiben kann. Doch sein Onkel ist alt und nennt sich ebenfalls Uhtred und hat einen Sohn, der ebenfalls Uhtred genannt wird. Der Held des Romans hat ebenfalls einen Sohn, der er nach dem Verstoss seines Erstgeborenen ebenfalls Uhtred nennt, so dass es vier Uhtreds gibt. Doch Cornwell behält den Überblick, und am Ende gibt es nur noch drei.

Traditionen und Bräuche

Was zunächst verwirrend sein mag, beschreibt aber die Traditionen der Sachsen, den Sohn nach dem Vater zu benennen und notfalls, sollte dieser sterben, den nächsten Sohn umzubenennen. Überhaupt schildert Cornwell wieder Traditionen und Bräuche, die zunächst verwunderlich erscheinen, vom Autor aber sinnreich eingeführt und logisch erklärt werden. Das ist die Erzählkunst, aus der historische Romane bestehen sollten.

Erstaunlicherweise schafft es Cornwell immer wieder, seine Hauptfigur mehr wissen zu lassen als der Leser, denn meist ist es ja umgekehrt. Doch da Uhtred weiterhin der Ich-Erzähler ist, kennt er Schlachtenpläne und Landstriche und Vergangenheiten von Personen, die man als Leser noch nie wahrgenommen hat. Dies ist ein geschickter Schachzug, um Neues einzuführen, und so wird es im Roman nie langweilig. Gespickt mit einigen Flüchen und Beleidigungen wird die Lektüre so zu einer brillanten Unterhaltung.

Cornwell schafft Charaktere, die voller Saft und Kraft stehen, und auch alte Bekannte wie Haesten, die er bereits in den vorgeringen Bänden töten wollte, tauchen wieder auf und stehen ihm im Weg. Uhtred kann sich nie sicher sein, ob sein Plan aufgeht, gibt es doch sehr viele Faktoren, die schief gehen können. Vor allem ist er auf die Unterstützung von Edward und Æthelred angewiesen, doch wann und vor allem ob sie überhaupt kommen, ist nicht klar, wenn er mit einer unverschämten Minderheit gegen das übergrosse Heer von Cnut antritt. Doch seine Strategie ist, die anderen dazu zu bringen, zu tun, was er will, und bislang ist ihm das noch immer gelungen.

Tiefstes, saftigstes Mittelalter

Die Beschreibungen der Schlachten sind zum Teil recht detailliert und vielleicht nicht jedermanns Sache, aber man kann die Zeilen notfalls überlesen. Allerdings gibt es heutzutage so viele Serien und Sendungen im Fernsehen, wo dies wirklich zu sehen ist, daher fallen diese Scharmützel nicht weiter auf. Uhtred versucht selber, seine Faszination vom Kampf im Feld und im Schildwall zu beschreiben:

 

"Ich habe versucht, das alles Frauen zu erklären, aber die wenigsten haben es verstanden. Gisela hat es verstanden, Æthelflæd auch, aber die meisten haben mich angesehen, als wäre ich ein Ausbund an Widerwärtigkeit, wenn ich von der Lust am Kampf erzählte. Es ist sinnlos. Es ist grauenvoll. Es stinkt. Es bringt Leid. Am Ende der Schlacht sind Freunde tot und Männer verwundet, es gibt Trauer und Tränen und grässliche Schmerzen, und doch ist es eine Lust. Die Christen reden von einer Seele, auch wenn ich so etwas wie eine Seele nie gesehen, gerochen, geschmeckt oder gespürt habe, aber vielleicht ist die Seele der Geist eines Mannes, und in der Schlacht steigt dieser Geist in die Lüfte empor wie ein Falke.

 

Mit Der Heidenfürst legt Cornwell einen der besten Teile seiner zurecht erfolgreichen Romanreihe vor. Die Handlung ist abwechslungsreich, neuen und alte Charaktere geben sich die Klinke in die Hand, und es wird wieder ordentlich das Schwert geschwungen, eingebettet in Taktik und Kampf, wie es der geneigte Leser von Cornwells Romanen gewohnt ist und auch erwartet. Hier werden alle Erwartungen erfüllt, und man darf sich schon auf den achten Teil freuen, den Cornwell derzeit fertig stellt. Zu den Extras des Romans zählen wie immer eine Karte, ein Stammbaum derer von Wessex, Übersetzungen der Ortsnamen und ein interessantes und aufschlussreiches Nachwort des Autors. So sollten historische Romane sein. Hervorragend.

Der Heidenfürst

Bernard Cornwell, Rowohlt

Der Heidenfürst

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