Das Haus am Alsterufer

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Goldmann, 2014, Titel: 'Das Haus am Alsterufer', Originalausgabe
Wertung wird geladen
Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonJul 2014

Feingesponnene Familiensaga aus dem beginnenden 20. Jahrhundert

Hamburg, 1911. Das Schicksal scheint der Reedersfamilie Dornhain nach einigen Tiefschlägen wieder wohlgesonnen. Die Geschäfte gehen gut, Tochter Nele beweist sich an der Kunstschule in München als talentierte Malerin und Tochter Lavinia hat sich den jungen, erfolgreichen Architekten Konrad Michaelis zum Ehemann erkoren. Auch die älteste der drei Töchter des verwitweten Reeders Victor Dornhain scheint mit ihrem Leben zufrieden. Doch hinter der Fassade brodelt es. Denn Lavinia muss erkennen, dass sie Konrad niemals die Ehefrau sein kann, die er verdient fühlt sie sich doch zu einem ganz anderen Menschen hingezogen.  Und niemand von der Familie darf wissen, dass ausgerechnet die freiheitsstrebende Nele in ihrem Schwager Konrad die große Liebe gefunden hat. Victor Dornhain muss sich zudem einer für ihn unangenehmen Wahrheit stellen: das neue Dienstmädchen Klara, das eben bei ihm vorstellig geworden ist, ist seine illegitime Tochter, ahnt allerdings nichts davon. Nur Dornhains Mutter Charlotte weiß noch um die wahre Herkunft Klaras, doch ihr Streben um das Aufrechterhalten eines tadellosen Rufs der Familie verbietet ihr, das Mädchen als weitere Tochter des Hauses willkommen zu heißen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, verschieben sich die bisherigen Werte und für die ganze Familie Dornhain beginnt eine Zeit unter völlig neuen Aspekten.

Facettenreiche Geschichte

Die Autorin Micaela Jary legt mit diesem Roman eine ausgereifte und facettenreiche Familiengeschichte vor. Mit viel Geschick hat sie die einzelnen Charaktere ausgewählt und ihnen viel Tiefe verliehen. Nicht nur Nele, die in ihrer Vielschichtigkeit eine der tragendsten Figuren der Geschichte ist, kommt dem Leser auf eine höchst menschliche Art sehr nahe. Auch die ungestüme und jugendlich naive Lavinia ist gut getroffen und weckt trotz ihres Egoismusses Sympathien. Dass die beiden Schwestern, was die Liebe zu Konrad betrifft, Gegenspielerinnen sind, gibt dem Roman auf eine gute Art Würze. Denn Micaela Jary verzichtet darauf, sich in endlosen Intrigenspielen zu verlieren, die viele Familiensagas zu einem zähflüssigen Brei verkochen lassen. Obwohl auch bei ihrer Saga den Gefühlen großer Stellenwert zukommt, mag sie die Spannung über andere Komponenten hinein bringen, ohne das Schwergewicht auf menschliche Gemeinheiten zu legen. Eine wohltuende und vor allem eine überzeugende Art, die Geschichte einer Familie zu erzählen. Die einzelnen Charaktere haben ausnahmslos Schwächen und Stärken, die sich mehr oder weniger die Waage halten und genau das lässt den Leser sehr nahe ans Geschehen heran kommen.

Abbild einer bewegten Zeit

Die Stärke des Romans ist jedoch nicht nur die Schilderung der Familienkonstellation. Vielmehr versteht es die Autorin ausgezeichnet, ihre Geschichte gut in die Zeit der Kriege und Veränderungen einzupassen. Quasi nebenher lässt Micaela Jary die Leser an den politischen Ereignissen teilhaben. So schafft sie eine unglaublich einnehmende Atmosphäre und gibt die Gefühle wieder, die die Menschen in jenen Jahren begleitet haben. Es gelingt wenigen Autorinnen und Autoren, die Ereignisse rund um die Weltkriege auf eine so eindrückliche Weise zu schildern, und dabei dennoch eine gewisse Leichtigkeit aufrecht zu erhalten, die dem Roman eine große Portion Unterhaltungswert verleihen. Die Leser können sowohl nachvollziehen, wie sich die Stellung der Gesellschaft langsam verändert, wie auch weshalb Europa auf einen verheerenden Krieg zu taumelte und nur wenige Menschen in der Lage waren, die Gefahr zu erkennen, ohne sie jedoch bannen zu können.

Wunderbare Mischung

Das Haus am Alsterufer hat alles, was ein Roman braucht, um sich einen Platz in jenem Regal zu erkämpfen, in dem die Bücher landen, die man ein weiteres Mal lesen möchte. Tatsächlich wirken viele Details erst dann so richtig, wenn die letzte Seite gelesen ist und man noch über die Geschehnisse nachdenken mag. Es fällt schließlich schwer, die Familie Dornhain und ihr Schicksal zu verlassen genau das beweist, dass die Autorin ihr Handwerk ausgezeichnet beherrscht. Auf jeden Fall lohnt es sich, sich vertieft mit der Geschichte auseinanderzusetzen und auch die gepflegte und dennoch süffige Sprache der Autorin zu genießen.

Das Haus am Alsterufer

Micaela Jary, Goldmann

Das Haus am Alsterufer

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Das Haus am Alsterufer«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Zeitpunkt.
Menschen, Schicksale und Ereignisse.

Wir schauen auf einen Zeitpunkte unserer Weltgeschichte und nennen Euch passende historische Romane.

mehr erfahren