Die Seelenwärter
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2014
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- Gmeiner, 2014, Titel: 'Die Seelenwärter', Originalausgabe
Von den Abenteuern eines Erstsemesters
1805. Der junge Medizinstudent Julius Weiland hat durch Beziehungen einen Studienplatz an der Universität von Halle ergattert und fährt enthusiastisch, aber auch ein wenig blauäugig, dort hin, um sich einzuquartieren. Auf dem Empfang, bei dem er die nötige Zustimmung von Dr. Erasmus Brackhagen erhalten hat, trifft er zudem seine Jugendliebe Eleonore Lehnau wieder, für die er immer noch etwas empfindet. Doch kaum wird seine Zulassung zum Studium vor allen verkündet, folgt die Ankündigung von Eleonores Hochzeit ausgerechnet mit Dr. Brackhagen, und Julius reist sofort nach Halle ab.
Im Gepäck hat er neben seinen Habseligkeiten auch eine Bitte seines älteren Bruders Laurenz, der in Weimar als Kriminalunterinspektor tätig ist und mehr arbeitet als sein Vorgesetzter Niemer. Bei seinem vorherigen Fall ist sein Diener ums Leben gekommen und hat ein paar Papiere hinterlassen, die eine Verwandte in Halle Geld zu hinterlassen scheinen. Laurenz bittet Julius um Hilfe, und so hat dieser direkt Ablenkung von seinem Studium.
In Halle macht sich Julius auf, die gesuchte Person zu finden und gerät in ominöse Machenschaften um Medizinpatienten, die im Kopf wirr zu sein scheinen. Und ausgerechnet Dr. Brackhagen scheint in die Sache verwickelt zu sein.
Gelungene Fortsetzung
Der Roman Die Seelenwärter schliesst nahtlos an den Vorgänger Die Schädeljäger desselben Autorenduos an und bedient sich auch streckenweise desselben Personals. (Vorsicht, Spoiler des Vorgängers:) Beim Finale des ersten Romans, in dem sich Laurenz Weiland als mutiger als sein Chef erwiesen hat und den Fall aufklären konnte, kommt allerdings dessen Diener um. (Spoiler Ende.) Laurenz beauftragt nun seinen jüngeren Bruder Julius, der nach Halle zum Medizinstudium geht, die Erbin des Dieners ausfindig zu machen. Dies ist ein geschickter Schachzug der Autorinnen, denn obwohl der zweite Roman seinen Ausgangspunkt aus dem ersten Roman zieht, steht der eigentliche Grund nicht im Mittelpunkt, und es wird sowohl eine neue Hauptfigur eingeführt, als auch eine weitere Handlung eingebaut, so dass der Roman trotz Fortsetzungscharakter auch ohne seinen Vorgänger gelesen werden kann. Allerdings empfiehlt sich dies trotzdem, da dem geneigten Leser dann die bereits im ersten Roman vorkommenden Personen, besonders der kleine Junge Friedemann, schon als Charakter vertraut sind und sich so manche Frage des Hintergrundes von selbst beantwortet.
Den Autorinnen gelingt ein schönes Bild der Zeit, vor allem der Gepflogenheiten an der damaligen Universität. Das Einschreibeverfahren ist heute gottseidank einfacher als damals, wie wohl jeder Leser feststellen wird, und man staunt, welche Hürden damals genommen werden mussten. Dass man mit seinen Mitbewohnern Glück oder Pech haben kann, dürfte sich bis heute nicht geändert haben.
Studentenleben
Julius Weiland versucht, seine Jugendfreundin zu vergessen, was umso unmöglicher ist, da er zu der Hochzeit eingeladen ist. Dies macht ihn bei seinen Mitstudenten unbeliebt, da er so als Günstling Professor Brackhagens gilt, und dies als Erstsemester, damals Fuchs genannt! Neid und Missgunst schlagen ihm entgegen, der eigentlich gar nichts dafür kann und auch eigentlich am liebsten gar nicht zur Hochzeit gegangen wäre. Da aber das Dozentenkollegium auch da ist, wäre es noch schlimmer, wegzubleiben.
Zwar versucht Julius, hinter das Geheimnis zu kommen, wo denn die Frau ist, die er im Auftrag seines Bruders suchen soll, doch nimmt die Geschichte um seine Herzensdame Eleonore mehr Raum ein, als ihm und vielleicht auch dem Leser lieb ist. Dennoch kommt er allmählich einer Sache auf die Spur, die für ihn noch sehr gefährlich werden wird. Es scheint so, als würde irgendwelche Menschen Experimente mit Patienten mit psychischer Erkrankung machen, wenngleich es diese Begrifflichkeiten damals noch nicht gab, da die Forschung in diese Richtung noch neu und unsortiert war. Bewacht von Seelenwärtern, den heutigen Krankenpflegern, tauchen immer wieder Leichen auf, deren Totenschein mit Herzversagen und der Unterschrift von Dr. Brackhagen immer dieselben Merkmale zu finden sind. Julius kommt einem gefährlichen Geheimnis auf die Spur.
Unangenehme Zimmergenossen
Interessant schildern die Autorinnen die medizinischen Möglichkeiten ihrer Zeit, die den Leser glücklich schätzen lassen wird, dass er in der heutigen Zeit lebt, wo man ja vermeintlich viel weiter ist. Das Personal ist geschickt zusammengestellt, von neuen Charakteren und alten Bekannten bis hin zum Joker Friedemann. Besonders hervor stechen Erasmus Brackhagen, mit dem Julius sich naturgemäß nicht versteht, und vor allem auch Julius Zimmergenosse von Auer, gegen den es auch ein Duell auszutragen gilt. Verboten zwar, was aber die Studenten nicht daran gehindert hat, sie trotzdem auszutragen. Von Auer steht ein paar Semester über Julius und hat die Nase so hoch und ist so penibel korrekt, dass er knapp am Klischee vorbeischrammt. Überhaupt sind das Genre Universitätskrimi und Klischees hier so nah beieinander, dass es zeitweise eine Gratwanderung ist. Nicht immer wählen die Autorinnen die originellere Seite.
Alles in allem ist der Roman eine Steigerung gegenüber seinem Vorgänger, der noch sehr unentschlossen und streckenweise konfus daherkam. Auch wenn hier am Ende (wieder) nicht alle Fragen beantwortet werden, so geht der Roman doch stringenter voran und hat fast durchgehend ein hohes Tempo, wenn man von den romantischen Ausflügen absieht, bei denen es aber auch nicht angebracht wäre.
Ein Glossar, ein Hinweis auf reale Personen, ein zweiseitiges Nachwort und das bei Gmeiner übliche passende Lesezeichen ergänzen einen flotten Roman, der einen interessanten Einblick in die Medizingeschichte gibt und hier vor allem punkten kann. Leser aus Halle bekommen eine Portion Lokalkolorit mit und alle anderen können sich ebenfalls über eine überzeugende Geschichte mit Fragezeichen am Ende freuen. Das riecht nach einem weiteren Roman um dieselbe Gruppierung. Wenn sich das Autorenduo weiterhin steigern kann, stehen noch spannende Lesestunden bevor.
Christiane Gref, Gmeiner
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