Der eiserne Sommer

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2014
  • 3
  • Suhrkamp, 2014, Titel: 'Der eiserne Sommer', Originalausgabe
Der eiserne Sommer
Der eiserne Sommer
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Jörg Kijanski
851001

Histo-Couch Rezension vonAug 2014

Das Militär ist unantastbar. Lesenswerter Debütroman über 1914

Sommer 1914. Sebastian Reitmeyer, Kommissär bei der Münchener Kriminalpolizei, ermittelt in einem Todesfall, bei dem offenbar ein Mann besoffen eine Treppe am Ufer der Isar hinunter stürzte. Dies belegt die Obduktion des Gerichtsmediziners, doch die junge Ärztin Caroline, die aufgrund des Personalmangels in der Gerichtsmedizin aushilft, erkennt, dass es sich um einen Mord handelte. Reitmeyer ist fest entschlossen, den vertrackten Fall zu lösen, dessen Spur in das zwielichtige Café Neptun führt, wo sich überwiegend Offiziere vergnügen. So findet Reitmeyer nach einem weiteren ominösen Mordfall heraus, dass offenbar einige wichtige Offiziere etwas zu unvorsichtig ihren homosexuellen Neigungen nachgingen.

 

"Sie lesen doch auch Zeitung und wissen über die Weltlage Bescheid. Das ungeheuerliche Attentat von Sarajewo. Was geschieht jetzt auf dem Balkan Was tut Russland? Und die Franzosen haben die Wehrpflicht auf drei Jahre verlängert. Ganz Europa rüstet auf. Da können wir doch unser Militär  nicht schwächen wegen so einer Lappalie, wegen so einem verkommenen&

 

Einige Hinweise führen sogar zum königlichen Leibregiment und in Carolines Familie, mit der Reitmeyer seit seiner späten Jugend verbunden ist.  Reitmeyer hat gleich mehrere Schwierigkeiten bei seinen Fällen. Einerseits darf er aufgrund der Gesetzeslage gegen das Militär nicht ermitteln, andererseits scheint das wichtigste Anliegen seines Präsidenten zu sein, möglichst viel zu vertuschen. Das Attentat von Sarajewo ist noch zu frisch und niemand vermag in der aufgeladenen Stimmung zu erahnen, wie Österreich-Ungarn sich gegenüber Serbien verhalten wird&

2014 kommt dieser Roman gerade recht

Dass es hundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges etliche Romane geben würde, die genau dieses Thema aufgreifen (also den Krieg beziehungsweise dessen Vorgeschichte), durfte vermutet werden. Bereits vor zwei Jahren erschien das grandiose Verdammte Deutsche von Gerhard Seyfried und auch das in diesem Jahr erschienene Ein langer, langer Weg von Sebastian Barry ist vorzüglich. Spielen bei Seyfried die Engländer eine wichtige und bei Barry die Iren sogar die zentrale Rolle, so beschränkt sich Felenda in ihrem dies soll hier ausdrücklich betont werden Debütroman ausdrücklich auf Bayern, genauer gesagt auf München.

Hervorragend fängt sie die Stimmung der letzten Tage vor Ausbruch des Krieges ein und selbst das Verhältnis zwischen Polizei und Militär ist außerordentlich prägnant beschrieben. Für Letzteres gilt die Militärgesetzgebung und somit hat Reitmeyer hier gar nichts zu ermitteln, was seinen Fall verständlicherweise ein wenig auf der Stelle stehen lässt. Die Stimmung in der Bevölkerung ist aufgeheizt, der Deutsche Wehrverein fordert lauthals einen Präventivschlag (Weltmacht oder Untergang) und so fordern Innen- und Kriegsministerium unisono, dass vorrangig verschleiert wird, dass in München ein Mörder sein Unwesen treibt, der womöglich in den Kreisen des Militärs, im schlimmsten Fall sogar in unmittelbarer Nähe der Leiber, der königlichen Leibgarde, zu finden ist.

Der Fall hat einige Überraschungen parat und führt Reitmeyer bei seinen Ermittlungen immer wieder zu Carolines Familie, die offenbar in die Fälle verwickelt ist und ebenfalls nicht immer mit offenen Karten spielt. Die Figur des Protagonisten hat einen hohen Sympathiefaktor, nicht zuletzt weil er eine Aversion gegen seine Vorgesetzten hat, für die er vertuschen, verschweigen und Statistiken fälschen soll. Alles für das Vaterland versteht sich, in dem elitäre Militärs vor allem an sich selbst denken. Altes Standesdenken verpflichtet.

 

"Das Berliner Kriegskabinett! Die sind es doch, die die Ängste der preußischen Junker teilen! Dort fürchtet man sich, Mannschaften einzuziehen, die statt vom Land aus der großstädtischen Arbeiterschaft stammen. Weil sie sozialistisch durchseucht seien und demokratische Tendenzen in die Armee einbrächten. Genauso große Angst hat man vor einer Zunahme bürgerlicher Offiziere. Angeblich hätten diese Leute nicht jene Werte verinnerlicht, die einen Aristokraten schon von Geburt an auszeichneten.

 

Ein packender Plot, Einblicke in (altes?) militärisches Denken und eine gelungene Stimmungsaufnahme in die Zeiten des Hurra-Patriotismus. Schade nur, dass sich Felenda bezüglich des bayerischen (hier nur grob angedeuteten) Dialektes nicht entscheiden konnte. So wirkt es ein bisschen fad. Robert Hültner zeigt, wie es besser gehen kann.  

Der eiserne Sommer

Angelika Felenda, Suhrkamp

Der eiserne Sommer

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