Das Janusprojekt
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2007
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- Rowohlt, 2006, Titel: 'The One from the Other', Originalausgabe
Der Krieg ist vorbei - oder nicht?
München, 1949. Bernie Gunther, frustriert vom heuchlerischen Nachkriegsdeutschland, will der Detektivarbeit eigentlich den Rücken kehren und betreibt ein Hotel. Doch die Umstände und eine schöne Frau führen in wieder zurück auf alte Pfade - mitten in eine Geschichte, deren Ausmaße er nicht einmal ansatzweise abschätzen kann. Denn was als bloße Vermisstensuche beginnt, weitet sich schnell zu einem Komplott aus, dessen Opfer Gunther selbst zu sein scheint. Gunther braucht nicht nur sein detektivisches Geschick, sondern auch Glück, wenn er lebend aus der Sache herauskommen will ...
Im mittlerweile vierten Band der Reihe um den Privatdetektiv Bernie Gunther trifft man den Ex-Polizisten zunächst auf unvertrautem Gebiet an: in einem Hotel. Doch wie nicht anders zu erwarten handelt es sich dabei nicht um die große Liebe und Gunther begibt sich zurück auf sein Fachgebiet: das Ermitteln. Im München der Nachkriegszeit, wo mehr vermisste Menschen gesucht werden als es Detektive und Polizisten gibt, kommen die Fälle quasi von selbst. Als eine schöne Unbekannte ihn bittet, ihren verschollenen Mann ausfindig zu machen, ahnt Bernie Gunther nicht, dass er in Konflikt mit Leuten gerät, die nach der offiziellen Variante längst verschwunden sind.
Noir Krimi in einer zutiefst zynischen Epoche
Nachdem der Leser bereits in Band 3 der Reihe in die Nachkriegszeit entführt wurde, begleiten wir auch hier wieder Bernie Gunther nach dem Krieg. Die in der Gründung befindliche Bundesrepublik will - gefördert vom Westen als "Bollwerk gegen den Bolschewismus" - die bittere Vergangenheit schnell ad acta legen und neu beginnen - sogar von einem Straferlass ist die Rede. Dabei sind die alten Kader nach wie vor aktiv, wie Bernie Gunther feststellen muss.
Philip Kerr wirft einen Blick auf eine Zeit, in der das Vergessen das größte Vergnügen verspricht und der heute noch oft beschworene Satz, "die Vergangenheit doch endlich Vergangenheit sein zu lassen" die wichtigste Parole ist. Die deutsche Aufarbeitung der Naziverbrechen wird noch Jahrzehnte in Anspruch nehmen, und so erlebt der Leser eine zutiefst zynische Gesellschaft, in der das, was gestern war, gar nicht mehr so wichtig ist. Dem Autor gelingt es wie schon in den Vorgängerbänden auch hier wieder, die Stimmung dieser Zeit exzellent einzufangen und die Welt durch die Augen von Bernie Gunther erlebbar zu machen. Neben dem reinen Faktenwissen, das dem Leser auf unterhaltsame Art serviert wird, ist vor allem der Blick in die Psyche des Nachkriegsdeutschland interessant und vielschichtig, aber auch beklemmend.
Eine Krimi, der etwas braucht, um auf Hochtouren zu kommen
Kerr ist dafür bekannt, dass er zunächst viel Zeit auf die Vorbereitung der eigentlichen Geschichte verwendet. Da werden Figuren vorgestellt, Wege vorgezeichnet und scheinbar zusammenhanglose Elemente präsentiert, bevor deren eigentliches Verweben beginnt. Somit braucht Das Janusprojekt einige Zeit, bis die Geschichte ins Rollen kommt. Der Leser ist jedoch gut beraten, wenn er diese Geduld aufbringt. Denn auch wenn Philip Kerr kein Vertreter der Geschichten ist, in denen man von der ersten bis zur letzten Seite gehetzt wird - dies langsam aufgebaute Spannung verdichtet sich im Verlauf der Geschichte enorm und führt dazu, dass der Leser zum Ende der Geschichte hin nur so an den Seiten klebt. Das mag nicht jedermanns Sache sein, funktioniert jedoch genau so, wie es funktionieren soll. Man spürt hier die Routine, ohne dass Langeweile aufkommt.
Nicht zuletzt ist das Treffen mit Bernie Gunther so, als würde man einen alten Bekannten wiedertreffen. Bernie Gunther als Ich-Erzähler ist dem Leser besonders nah und wirkt so dreidimensional, dass der Leser ihn durch und durch kennt. Auch bzgl. der Nebenfiguren gelingt die Charakterzeichnung - wieder einmal - sehr gut, so dass Fans der Reihe bedenkenlos zugreifen und sich auf ein gewohnt hochwertiges Lesevergnügen freuen können.
Philip Kerr, Rowohlt
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