Feuer

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  • Erschienen: Januar 2014
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  • , 2014, Titel: 'Feuer', Originalausgabe
Feuer
Feuer
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Annette Gloser
951001

Histo-Couch Rezension vonAug 2014

Kreuz ist der Christen Recht! Das, und nichts anderes!

Im Jahre 1521 wird ein seltsamer Gast auf die Wartburg gebracht, ein dürres Männlein mit zugewachsener Tonsur, doch noch immer deutlich als Mönch erkennbar. Nur wenige Burgbewohner wissen, wer hier auf Befehl des sächsischen Kurfürsten beherbergt wird. Ein seltsamer Gast, geplagt von Ängsten und Träumen, der wunderbare Melodien zur Laute spielt und für den man ganze Mauleselladungen Bücher aus Eisenach heranschaffen muss. Junker Jörg wird der merkwürdige Kerl genannt, aber irgendwann hat es sich doch herum gesprochen, dass jener einsame Gast der Doktor Martin Luther ist, jener Luther, der in Wittenberg seine Thesen gegen den Ablasshandel veröffentlicht hat. Der in Worms dem Kaiser und den Mächtigen die Stirn geboten hat.

Nur ein Jahr bleibt Luther auf der Wartburg, dann ruft ihn sein Landesherr zurück nach Wittenberg, denn offenbar hat das dumme Volk die Lehren des Reformators völlig falsch verstanden. Nicht bis zum Himmelreich wollen sie warten, nein, hier in ihrem irdischen Leben wollen sie Gerechtigkeit, die Stadtarmen und die Bauern. Luther erhält den unmissverständlichen Befehl, diesen rebellischen Geist in Wittenberg zu unterdrücken. Er bekommt sein Lehramt zurück und ein Dach über den Kopf im Schwarzen Kloster.

Aber überall im Lande gärt es, begehren die Bauern gegen die Obrigkeit auf, fordern ihre Rechte ein und berufen sich dabei auf Luther und auf die Bibel selbst. Der gelehrte Doktor aus Wittenberg jedoch ist sich sicher, dass niemand an die althergebrachte Ordnung rühren darf, dass es dem Bauern, dem kleinen Handwerker bestimmt ist, untertan zu sein. Sie haben kein Anrecht darauf, schon hier auf Erden menschenwürdig behandelt zu werden, mag ihnen der Thomas Müntzer auch einreden, alle Menschen seien gleich vor Gott. Luther hält dagegen: Kreuz ist der Christen Recht. Das, und nichts anderes!

Es knistert im Lande

Ein Roman von Waldtraut Lewin ist immer ein außerordentliches Leseerlebnis. Feuer. Der Luther-Roman macht da keine Ausnahme. Die Autorin selbst schildert in einem Vorspruch zum Roman jene Probleme, die entstehen, wenn man über eine Person schreibt, welche bestens dokumentiert und analysiert ist. Die Spielräume für eine Romanschreiberin sind da recht gering, allerdings wäre Waldtraut Lewin eben nicht Waldtraut Lewin, wenn sie nicht welche gefunden hätte. Sie nähert sich ihrem Helden mit Neugier, nimmt die Perspektiven jener auf, die mit ihm konfrontiert werden. So spiegelt sie im Roman Befremden, Zuneigung, Respekt und oft eine gewisse Wehrlosigkeit gegenüber der Allmacht der Worte. Aus Luther wird dabei kein übermächtiger Heros, sondern ein Mensch mit Stärken und vielen Schwächen, schwach vor allem im Fleische, aber auch nicht immer stark im Geiste.

Die Autorin verzichtet dabei auf das gerne von ihr verwandte Stilmittel, Personen aus dem Umfeld erzählen zu lassen. Nicht immer verläuft die Romanhandlung gradlinig, es gibt Rückblenden, Träume und Phantasien. Und so schildert Lewin ihren Luther als einen Mann voll Aberglauben, voll Angst vor dem Teufel und vor Dämonen. Ein geschmeidiger Mann im Umgang mit der Obrigkeit, einer, der auf Wunsch des Fürsten problemlos zurück nimmt, was er gesagt und geschrieben hat. Nur eine Sache scheint Luther wichtig: Der Glaube. Nicht die Menschen, nicht ihre Lebensumstände.

 

Sollen sie ihre Bitten oder Forderungen an die weltliche Obrigkeit richten, Recht und Gesetz verlangen - aber nicht aufgrund der heiligen Texte. Nicht aufgrund seiner Biblia. Nicht, wenn sie sich lossagen von gottgewollter Ordnung.

 

Mit viel Sensibilität zeigt die Autorin aber auch die Konflikte, in welche Luther gestürzt wird, denn er ist keineswegs ein kaltherziger Mensch. Seine Zerrissenheit, seine Gewissensnöte, stehen gegen die feste Überzeugung, dass niemand an die von Gott gewollte Ordnung rühren darf. Hier bekommt der Leser einen tiefen Einblick in Luthers Seelenleben.

Denn deinen Weinberg, die Kirche, will ein Wildschein aus dem Walde verderben!

Ein besonderer Pluspunkt in Waldtraut Lewins Romanen ist immer ihr Blick auf die politische Situation jener Zeit, in welcher der jeweilige Roman spielt. Und auch Feuer. Der Luther-Roman bildet hier keine Ausnahme. Die Autorin zeigt das politische Kalkül im Hintergrund auf, lässt ihre Leser erkennen, warum Luther überhaupt die Chance bekam, so zu agieren, wie er es letztendlich tat. Sehr deutlich werden die divergierenden Interessen des deutschen Adels beschrieben. Luther handelt, Luther hat die geistige Größe dazu. Die Fäden aber ziehen andere.

Immer wieder wird deutlich, dass hier umfassend recherchiert wurde, dass Lewin ihren Luther so gut kennt wie sonst vielleicht nur Kirchenhistoriker. Und so entsteht für den Leser ein plastisches Bild des Reformers, mit dem Finger auf den wunden Stellen und klarem Blick auf die Politik.

Der Autorin gelingen dabei lebensvolle Protagonisten, die der Leser bildhaft vor Augen hat. Insbesondere Melanchthon sei hier als Beispiel benannt, aber auch Herr Käte, wie Luther seine Angetraute Katharina von Bora zu nennen pflegte. Waldtraut Lewin schreibt dabei in einer modernen Sprache. Aber durch die gezielte Verwendung bestimmter Worte oder Formulierungen fühlt sich der Leser schnell in Luthers Zeit versetzt. Es gibt auch immer mal wieder Zeitsprünge, nicht sofort erkennbar, denn die einzelnen Kapitel sind nicht durch Jahreszahlen gekennzeichnet. Trotzdem erfährt man beim Lesen sehr schnell, in welchem Lebensabschnitt Luthers die Handlung gerade stattfindet.

Hochprozentige Literatur

Mit Feuer. Der Luther-Roman hat der Leser eine außergewöhnliche Roman-Biographie in der Hand. Wer einen kritischen Blick auf den Kirchenreformer werfen will, wer eine aussagekräftige Schilderung politischer Hintergründe der Reformation lesen möchte, wer einfach nur mehr über den Menschen Luther erfahren möchte, der ist mit diesem Buch gut beraten. Hier hat man hochprozentige Literatur im Bücherregal, auch wenn nicht jedem die angekratzte Fassade des Helden gefallen wird. Es gibt Leser, für die Waldtraut Lewin die Grande Dame des deutschen historischen Romans ist. Mit diesem Luther-Roman untermauert sie ihren Anspruch auf einen solchen Titel.

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