Sibirisch Rot
- Droemer-Knaur
- Erschienen: Januar 2014
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- Droemer-Knaur, 2012, Titel: 'Siberian Red', Originalausgabe
Spannende Rückkehr ins Sibirienlager
September 1939. Während Hitler in Polen einfällt, wird der Privatspion Nummer eins Russlands zum Chef beordert. Stalin empfängt sein Smaragdauge Inspektor Pekkala und schickt ihn auf Mission nach Sibirien. Dort hat sich im Straflager Borodok ein Mordfall ereignet, der Stalin persönlich interessiert. Doch das Lager ist ausgerechnet das, in dem Pekkala selbst zehn Jahre Zwangsarbeit verrichten musste und wo er nicht nur Freunde hatte.
Mit äußerst gemischten Gefühlen nimmt er natürlich die Mission an und wird mit vielen anderen Häftlingen im Zug unter unangenehmsten Bedingungen dort eingeliefert. Einzig der Lagerkommandant Klenowkin ist über seine Anwesenheit informiert, und um möglichst unauffällig mit ihm in Kontakt treten zu können, um Botschaften nach Moskau senden zu können, wird Pekkala als Küchenhilfe eingeteilt, was ihm automatisch gewissen Handlungsfreiheiten zubilligt.
Während Pekkala seine Nachforschungen anstellt und dabei auch den einen oder anderen alten Bekannten wiedertrifft, was nicht immer von Vorteil ist, beginnt in Moskau Stalin, an der Entsendung Pekkalas zu zweifeln, da er nicht in dem Masse Rückmeldungen gibt. So wird Pekkalas Assistent Kirow von ihm zur Unterstützung nach Sibirien geschickt, ausgestattet mit allen Privilegien, die sonst Pekkala geniesst, sozusagen als zweites Smaragdauge. Unterdessen spitzen sich in Borodok die Ereignisse zu...
Ungeliebte Rückkehr
In seinem bereits dritten Fall wird der finnische Inspektor Pekkala, Privatermittler Stalins mit besonderen und einmaligen Privilegien, an den Ort seiner grössten Schande geschickt. Einst vom Zaren aussortiert, musste Pekkala zehn Jahre im tiefsten Sibirien im Arbeitslager Borodok Bäume markieren, die zum Fällen geeignet waren, und damit war er allein im Lager und sogar teilweise solange unsichtbar, dass zwischendurch immer wieder gedacht worden war, er wäre nicht mehr am Leben. Nach zehn Jahren von Stalin zurückbeordert, und mit den alten Privilegien versehen, soll er nun erneut in die Hölle seiner Vergangenheit, um einen Mord aufzuklären.
Allein die Ausgangssituation sorgt beim Leser für Spannung. Ist Stalin schon für sich kein einfacher Mensch, was auch durch Reaktionen seines Sekretärs Poskrjobyschew gezeigt wird, wenn gelegentlich in Stalins Büro übergeblendet wird. Da man bei Stalin nie weiß, was man von ihm halten soll, kann sich Pekkala auch nicht sicher sein, ob der Mord an einem Insassen der einzige Grund ist, warum er in sein altes Lager geschickt wird. Die Informationskette vor Ort mit Wissenden und Nichtwissenden ist auch schon vom Gedanken daran brüchig, und obwohl Pekkala mitbekommt, dass er einen Beschützer vor Ort hat, kann er sich trotzdem nicht sicher sein, seinen Auftrag erfüllen zu können.
Lagerleben
Anschaulich beschreibt der Autor die quälende Zugfahrt nach Sibirien und die Verhältnisse im Lager. Wer sich nicht den dort herrschenden Hierarchien unterwirft, hat von Anfang an nichts zu lachen, und wer wem Schutzgeld oder Nahrungsrationen abzutreten hat, wird schnell klar. Unter dem Koch Melekow hat er auch weder Freude noch Privilegien, während Melekow selbst sich schon einmal einen kleinen zusätzlichen Brotlaib gönnt. Die Verhältnisse vor Ort stehen nicht zum besten, keine gute Ausgangslage zudem für diskrete Nachforschungen.
Wie schon in den Vorgängerromanen wird die Handlungsebene immer wieder durch Rückblenden unterbrochen, die Pekkala an Ereignisse aus der Vergangenheit erinnern, doch in diesem Fall haben diese Rückblenden meist keinen inneren Zusammenhang, sondern sind kleine Situationen, die ihn oder andere näher an den Leser heranbringen, aber nicht unbedingt an die Handlung. Leider sind sie in diesem Roman auch zum Teil unnötig und derart konstruiert und offensichtlich in den Roman eingebaut, dass sie den Lesefluss stören und die aufkommende Spannung stören. Hier könnte der Autor künftig besser dosiert vorgehen und sich nicht selber unterbrechen, nur weil ein Kapitel beendet wurde und noch eine Rückblende dazwischen geschoben werden muss, denn dieser Eindruck entsteht leider an manchen Stellen.
Stalin
Dennoch bleibt die Handlung spannend, vor allem deshalb, weil ja die Kommunikationsmittel der Zeit nicht die von heute sind und Nachrichtenübermittlung schwierig ist. So schwierig, dass Stalin in Moskau am Vorangehen der Ermittlungen zweifelt und die Entsendung Pekkalas bereits als Fehler ansieht und daher dessen Assistenten Kirow entsendet, um notfalls den vermeintlich übergelaufenen Pekkala auch nicht lebendig zurückzubringen. Hier arbeiten die Pole gegeneinander, die eigentlich füreinander arbeiten sollten, und somit spielt auch der Faktor Zeit ein bedeutende Rolle.
Trotz leichter Erzählschwächen erweist sich Sam Eastland wieder als guter Beobachter und Kenner der Materie. Rückt dieses Mal Assistent Kirow mehr in den Vordergrund und werden wieder einige Exekutionen vorgenommen, entspricht das doch dem zwielichtigen Bild der Zeit und vor allem der undurchsichtigen Moral Stalins. Gerade ihn zu einer Art Romanhelden zu machen, ist schon zweifelhaft, aber das löst Eastland auf gekonnte Weise, indem er ihn, der Auftraggeber und Gegenspieler zugleich für Pekkala ist, nicht allzu sympathisch beschreibt. Auch Pekkala ist kein Überheld, auch er hat in Sibirien zu leiden, tastet sich aber mit seinem Auftrag allmählich voran.
Sibirisch Rot ist ein spannender, wenngleich ungewöhnlicher Kriminalroman, der sibirische Kälte, realen Sozialismus, Systemkritik und Spannung in sich vereint und Freunden besonderer historischer Kriminalromane ebenso gefallen dürfte wie seine beiden Vorgänger. Im Original sind bereits zwei weitere Fälle erscheinen, auf die man sich hoffentlich auch in deutscher Übersetzung wird freuen können. Ein extra Kapitel über die tatsächlichen Ereignisse in Sibirien ergänzt einen spannenden Roman, dessen Fortsetzung hoffentlich nicht allzu lange aus sich warten lässt.
Sam Eastland, Droemer-Knaur
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