Das Vermächtnis der Landgrafen

  • Sutton
  • Erschienen: Januar 2014
  • 2
  • Sutton, 2014, Titel: 'Das Vermächtnis der Landgrafen', Originalausgabe
Das Vermächtnis der Landgrafen
Das Vermächtnis der Landgrafen
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Yvonne Schulze
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Histo-Couch Rezension vonSep 2014

Der thüringisch-hessische Erbfolgekrieg

Thomas Bienert nimmt seine Leser mit auf eine Reise in das mittelalterliche Eisenach in Thüringen. In der sogenannten kaiserlosen Zeit in der Mitte des 13. Jahrhunderts geht es im Land drunter und drüber. Während auf der einen Seite das Raubrittertum blüht, das die Menschen in Angst und Schrecken versetzt, streiten sich der Wettiner Albrecht und Sophie von Brabandt, die Tochter der heiligen Elisabeth, um die Herrschaft in Thüringen. In diesen unruhigen Zeiten, in denen ein Menschenleben nicht viel gilt, fallen in Eisenach zwei angesehene und scheinbar unbescholtene Bürger einem Doppelmord zum Opfer, dessen Motiv völlig unklar ist. Dietmar Hellgreve, ein integrer Eisenacher Tuchhändler, wird von der Obrigkeit mit der Aufklärung des Falles betraut. Dietmar gelingt es, den Bösewicht zu entlarven, doch bevor es zu einer Verhaftung kommt, bricht der thüringisch-hessische Erbfolgekrieg aus und die Bürger sehen sich plötzlich mit anderen Problemen konfrontiert. Und Dietmar, der sich durch seine Nachforschungen einige Feinde gemacht hat, muss fliehen.

Geschichtsunterricht auf unterhaltsame Art

Der Historiker Thomas Bienert beschäftigt sich seit einigen Jahren mit Thüringer Regionalgeschichte und hat auch bereits Sachliteratur dazu verfasst. Mit dem hier vorliegenden Roman hat er sich den Traum erfüllt, sein immenses Wissen in einen historischen Roman zu packen. Nun ist ein guter Historiker nicht zwangsläufig auch ein guter Romanautor, diese Erfahrung hat schon so mancher Leser historischer Romane machen müssen. Bei Thomas Bienert kann man aber sagen, dass er durchaus das Zeug zu einem guten Romanautor hat, wobei sein Können auf diesem Gebiet sicher noch ausbaufähig ist. 

Besonders in der ersten Hälfte des Buches stellt der Autor unter Beweis, dass er als Romanautor durchaus punkten kann. Die Geschichte beginnt wie ein Krimi, entwickelt sich jedoch sehr bald zu einem prall gefüllten historischen Roman, bei dem die Krimihandlung immer weiter in den Hintergrund rückt und der Bösewicht auch bereits in der Mitte des Buches bekannt wird. Der Autor zeichnet in erster Linie ein opulentes Sittengemälde jener Epoche, er vermittelt dem Leser auf unterhaltsame Weise ein farbenfrohes Kaleidoskop mittelalterlichen Lebens in einer sehr schwierigen Zeit. Positiv hervorzuheben ist das hohe Maß an Authentizität, das diesen Roman auszeichnet, denn hier schreibt ein Autor, der seine Hausaufgaben in Sachen Thüringer Geschichte gemacht hat. Wer hier eine romantisierende Mittelalterstory erwartet, wird eher enttäuscht sein. Zielgruppe sind diejenigen Leser, die historische Romane bevorzugen, die möglichst nahe an den Fakten bleiben und geschichtliche Ereignisse und ihre Auswirkungen auf das Leben und den Alltag der Menschen so wiedergeben wie es höchstwahrscheinlich war, nämlich ein täglicher Kampf und alles andere als gemütlich.

Romanautor vs. Historiker

In der zweiten Hälfte des Buches nimmt die Handlung dann eine deutliche Wendung, es geht mitten hinein in den thüringisch-hessischen Erbfolgekrieg. Während in der ersten Hälfte des Romans der Historiker in den Hintergrund tritt und dem Romanautor die Bühne überlässt, drängt sich in der zweiten Hälfte des Buches der Historiker in den Vordergrund und der Romanautor verschwindet in den Kulissen. Denn jetzt sieht sich der Leser mit einer detailverliebten Schilderung der kämpferischen Auseinandersetzungen und politischen Verwicklungen des Erbfolgekrieges konfrontiert. Die Informationsflut, gepaart mit der großen Anzahl historischer Persönlichkeiten, die jetzt die Bühne betreten, erfordert aufmerksames Lesen. Der Historiker ist in seinem Element und vergisst, dass er doch eigentlich einen unterhaltsamen historischen Roman schreiben wollte. Auch der Erzählstil wechselt immer mehr in den Sprachjargon eines Sachbuches. Hier wird dem Leser einiges an Konzentration und Durchhaltevermögen abverlangt. Diesem Part der Romanhandlung werden sicher nur die geschichtlich vorgebildeten oder wirklich interessierten Leser etwas abgewinnen können.

Nach der starken ersten Hälfte bricht die Spannung im zweiten Teil völlig ein und was dem Autor in der ersten Hälfte sehr gut gelingt, nämlich den Lesern Geschichtswissen auf unterhaltsame Art zu vermitteln, mutiert in der zweiten Hälfte zum trockenen Geschichtsunterricht mit einer Informationsfülle, die erst einmal verarbeitet und richtig einsortiert werden muss.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die viel zu moderne Sprache, die der Autor seinen Protagonisten in den Mund legt. So ist es doch sicher eher unwahrscheinlich, dass ein Tuchhändler des Mittelalters von "Recherchen" spricht oder eine Pfeilspitze einem "Ballistiker" zur Überprüfung gegeben wird. Hier fehlt definitiv die korrigierende Hand eines erfahrenen Lektors.

Fundiert und unterhaltsam

Trotz aller Kritikpunkte ist Das Vermächtnis der Landgrafen eine Bereicherung auf dem Gebiet des historischen Romans, denn er ist um Längen besser und anspruchsvoller als die vielen mittelmäßigen historisierenden und romantisierenden Geschichten, die derzeit auf dem Buchmarkt vertreten sind. Das Vermächtnis der Landgrafen verdient das Label "historischer Roman", denn er vermittelt ein Stück interessanter deutscher Geschichte auf fundierte und unterhaltsame Weise, auch wenn man bei letzterem definitiv einige Abstriche machen muss.

Zum Schluss ein Hinweis an den Verlag

Es wäre wünschenswert, dass die Klappentexte künftig sorgfältiger verfasst und nicht schon im Vorfeld wichtige Details verraten werden, die der Romanhandlung einen wesentlichen Teil der Spannung nehmen.    

Das Vermächtnis der Landgrafen

Thomas Bienert, Sutton

Das Vermächtnis der Landgrafen

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