Der Bayerische Hiasl
- Sutton
- Erschienen: Januar 2012
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- Sutton, 2012, Titel: 'Der Bayerische Hiasl', Originalausgabe
Biografie eines Wildschützen und seiner Bande
Das abenteuerliche Leben des Matthäus Klostermayr lautet der Untertitel des Romans und zeigt an, was der Leser erwarten darf; einen Abenteuerroman über den in Bayern einigermaßen bekannten Wilderer Hiasl Klostermayr (geboren am 2. September 1736, gestorben am 6. September 1771).
Das Buch unterteilt sich in zwei Abschnitte (Der Hirtensohn und Der Renegat) und erzählt zunächst die Kinder- und Jugendjahre des Protagonisten. Bereits in sehr jungen Jahren muss Hiasl seiner Mutter bei der Haus- und Hofarbeit helfen, während der Vater als Gemeindehirte kaum seine Familie ernähren kann und daher zusätzlich als Tagelöhner arbeiten muss. Schon bald muss Hiasl auch seinem Vater zur Hand gehen, was ihm aber nichts ausmacht, denn die Schule ist ihm überwiegend verhasst, dank seines Lehrers, der nur zu gerne Prügel verteilt. Recht früh entdeckt Hiasl seine Leidenschaft für die Jagd und bekommt im Alter von zehn Jahren eine Vogelflinte geschenkt. Ein Jahr später, die Schule ist endlich abgeschlossen, wird er Gehilfe im Mergenthauer Schloss, hat aber Schwierigkeiten mit einem Mönch, und kehrt zur Familie zurück.
Angstvoll schaute sie auf den Mehringer Bader, der ihren Urin im Nachttopf untersuchte. Der untersetzte Mittfünfziger, dessen gelbliche Gesichtsfarbe auf ein Leberleiden hindeutete, beroch die Flüssigkeit, schmeckte sie auf der Zunge ab und rührte sie mit einem Holzspatel um, damit er ihr Farbenspiel betrachten konnte.
Weitere Jahre und Ereignisse vergehen, bis Hiasl seine wahre Bestimmung erfährt. Nachdem er gegen seinen Willen von Werbern des bayerischen Kurfürsten zur Armee gesteckt wird, gelingt ihm gerade noch rechtzeitig die Flucht.
"Wir Husaren bekommen jeden Tag einen Laib Brot sowie in der Woche eineinhalb Pfund Fleisch; dazu täglich drei Maß Bier."
Anschließend schließt er sich einer Wildererbande an, verlässt diese jedoch im Streit und wird später zu neun Monaten Haft verurteilt. Danach hat er mit der Gesellschaft und ihren Obrigkeiten, allen voran den Kuttenbrunzern (Mönchen) abgeschlossen und wird letztlich Chef der Klostermayr-Bande ...
Vermeintliche Kleinigkeiten werden zum Ärgernis
Die Lebensgeschichte des Hiasl orientiert sich sehr eng am Mikrokosmos seiner Hauptfigur, so dass zwar kräftig über die allmächtigen Kirchenleute nach Herzenslust geschimpft wird, ohne dass man dabei erfährt, was sich denn gegen Mitte des 18. Jahrhunderts in der Kirche so alles ereignet hat. Auch politische Ereignisse werden nicht erwähnt, es sei denn, Hiasl ist unmittelbar betroffen. Damit wird es ein bisschen einseitig und vor allem verliert sich der Autor in zahlreichen Wiederholungen. Es wird gejagt und gearbeitet, gejagt und gearbeitet. Gejagt werden Vögel, Hasen, sämtliche Wildtiere und später vor allem Schwarzkittel (Wildschweine), die den Bauern die Felder verwüsten.
"Ich scheiß auf die Münzen, weil die Schädel der Großkopfeten darauf abgebildet sind. Die Sauschädel der Kurfürsten, der Augsburger Bischöfe oder der sonstigen gottverfluchten Landesherren. Diese Drecksäcke können nichts weiter, als uns anständige Menschen zu unterdrücken und auszurauben, und deshalb mag ich ihre Sauköpfe nicht lange in meinem Beutel herumtragen."
Wären diese Wiederholungen nicht schon ein bisschen des Guten zu viel, so erlebt man vor allem im ersten Teil eine unangenehme Überraschung, denn offenbar hat es sich Böckl zum Ziel gesetzt, einen Rekord aufzustellen. Einen Rekord in der häufigsten Nennung der Altersangabe seiner Hauptfigur. So wird aus Hiasl im Verlauf der Geschichte unter anderem der Elfjährige und damit man dies nicht vergisst, wird der Elfjährige als der Elfjährige ständig beschrieben. Allein auf der Doppelseite 62-63 taucht diese Formulierung nur, falls man es vergessen sollte rekordverdächtige fünf Mal auf. Und so nervig geht es in einer Tour weiter, bevor dann der bald Zwölfjährige später der Fünfzehnjährige wird. Der Fünfzehnjährige wird dann ungezählte Male der Halbwüchsige genannt, was den Lesespaß keineswegs erhöht man hat es ja gleich beim ersten Mal verstanden. Dabei lobt der Buchrücken ausdrücklich die bekannte Sprachgewalt des Autors.
Erst im zweiten Teil reduzieren sich die ständigen Altersangaben auf ein erträgliches Maß und prompt gewinnt gleich die ganze Geschichte deutlich an Niveau und Inhalt. Endlich passiert ein wenig mehr als jagen, geschossenes Wild verkaufen und verstecken. Doch ganz will Böckl seiner Erzählweise nicht untreu werden und so wird aus Hiasl überwiegend der Renegat.
Ebenfalls ärgerlich ist das Inhaltsverzeichnis zu Beginn des Buches. Wenn man schon eine Inhaltsübersicht liefert, sollten zumindest auch die Seitenzahlen stimmen. Stattdessen sind diese überwiegend falsch; so findet man das Glossar angeblich auf Seite 350. Nur theoretisch allerdings, denn praktisch endet das Buch nach 347 Seiten.
Erst im zweiten Teil überzeugt die Handlung
Im ersten Teil überzeugt die Darstellung des Familienlebens, welche zwar etliche Wiederholungen im Tagesablauf aufweist, aber dennoch sehr eindringlich die Situation der einfachen Leute aufzeigt (gewissermaßen eine Sozialstudie im Kleinen). Hier die ärmliche Landbevölkerung, dort die wohlgenährten Geistlichen, die ausnahmslos negativ dargestellt werden. Im zweiten Teil wird es deutlich temporeicher und spannender. Allerdings bleiben auch hier Wiederholungen nicht aus, denn ob die Wildschweinrotte auf dem Bauernhof X oder Y gejagt wird, ist auf Dauer ebenso so spannend wie das permanente Versteckspiel der Bande oder deren diverse Trinkgelage in den Wirtshäusern. Dennoch dürfen alle zugreifen, die sich für das Leben im 18. Jahrhundert und (insbesondere) die Jagd interessieren.
Manfred Böckl, Sutton
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