Zorn des Himmels

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2014
  • 7
  • Lübbe, 2014, Titel: 'Zorn des Himmels', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonOkt 2014

Die Apokalypse überrennt Frankfurt

Frankfurt, 1342. Das Leben könnte für die Einwohner der Stadt normal verlaufen, wenn sich nicht gerade Kaiser Ludwig I. von Wittelsbach angesagt hätte, der einige Tage in Frankfurt bleiben will. Die Sicherheitskräfte sind ausser Rand und Band, die Brücke über den Main nach Sachsenhausen wird nahezu gesperrt und die Schiffer sollen ebenfalls ihre Dienste einstellen. Doch Philippa, Tochter des Zunftvorstehers der Schiffer, ist damit nicht einverstanden.

Zudem erreicht ein Ritter die Stadt, der seinen Namen und seinen Auftrag vergessen hat. Er erinnert sich nur an das Wort Frankfurt, daher ist er angereist um zu versuchen, sich zu erinnern. Ludwig I. hingegen steht unter dem Kirchenbann und will sich durch eine Prozession auf der Brücke wieder beim Papst einschmeicheln.

Als sei das alles nicht schon brisant genug, nähern sich die Anzeichen, dass eine enorme Sturmflut bevorsteht und das Unwetter des Jahrhunderts über Frankfurt hereinbrechen wird. Dem Steigen des Mainpegels folgen eine Heuschreckenflut, ein Sandsturm und schließlich ein Unwetter, dass als das Magdalenenhochwasser in die Geschichte eingehen wird. Doch was wird aus dem Anschlag, der auf den Kaiser verübt werden soll? Haben die Schifferstochter und der geheimnisvolle Ritter eine gemeinsame Zukunft? Ein Wettlauf gegen die Zeit und gegen die Elemente beginnt.

Eine Sintflut in Buchform

Wie bringt man ein Hochwasser in Romanform? Diese Aufgabe hat sich Erfolgsautor Richard Dübell gestellt, und er hat geschickt eine spannende Rahmenhandlung gefunden, in die sich das Hochwasser eindrucksvoll seinen Weg bahnt.

Dübell erspart dem Leser nichts und lässt bereits im ersten Satz des Prologs dem Leser keine Gelegenheit, sich langsam auf das Schlimmste einzustellen.

 

Gottes Zorn entlud sich in der Morgendämmerung.

 

Keine Zeit zu verplempern, direkt rein in die Sturmflut. Den Leser erwartet ein temporeicher Roman, der nur wenig Raum zum Atmen lässt. Und wer glaubt, der Prolog wäre in seiner Sturmflut schon schlimm gewesen, wird im Laufe des Romans eines Besseren belehrt werden.

Bunte Charaktere

Dübells Charaktere haben einige Ecken und Kanten und gewinnen so an facettenreichen Konturen, die sie menschlich erscheinen lassen. Philippa ist eine resolute Schifferstochter, die sich ihren Platz unter den Schiffern hart erarbeiten musste, obwohl sie die Tochter des Zunftvorstehers der Schiffer ist. Sie ist selbstbewusst und weiss den Main und seine Strömungen und Launen zu lesen wie ein Buch und traut den Fluten nicht. Sie lernt einen Ritter kennen, der sein Gedächtnis verloren hat und der nur weiss, dass er nach Frankfurt kommen soll. Sie erkennt in seinen Augen etwas, was kein anderer darin sieht und fühlt sich zu ihm hingezogen, obwohl sie ihn nicht kennt. Leider hat Philippa in Albrecht einen Verlobten, der mehr von der Verlobung überzeugt ist als sie und den sie eigentlich auch gar nicht will keine guten Vorraussetzungen für eine erfolgreiche Ehe.

Zu den Frankfurtern, die in der Stadt etwas zu sagen haben, gehören Hilpolt Meester, der Anführer der kaiserlichen Garde, der sich allein dadurch unbeliebt macht, als er die Brücke für den Verkehr sperren lässt und auch die Schiffahrt während des Kaiserbesuchs einstellen lässt. In einem ersten gewaltreichen Aufeinandertreffen mit dem Unbekannten stellt dieser fest, wie reaktionsschnell und wie gewaltbereit er ist. Das birgt ungeahntes Potenzial, nicht nur, was künftige Schlägereien und sonstige Gefechte angeht.

Biblische Plagen

Eine schillernde Figur in dem Roman ist Stiftsprobst Gottfried von Eppstein, dem Richard Dübell einen interessanten Sprachfehler andichtet, diesen aber im Laufe des Romans wegen Gewöhnung auflöst. Hier beweist der Autor Humor, wenn auch nicht konsequent, aber ein durchgehender Sprachfehler bei einer Hauptfigur birgt natürlich die Gefahr, die Person der Lächerlichkeit preiszugeben, und das wäre für einen Stiftsprobst dann doch zu unpassend.

Die apokalyptischen Vorboten der Sintflut werden von Dübell eindrucksvoll und beengend geschildert. Gerade bei der Heuschreckenflut, die ein fast gruseliges Präludium zu dem abgibt, was da noch kommen mag, fühlt man sich an die biblischen Plagen erinnert, und man leidet mit den Protagonisten mit, die gerade so in ein Haus fliehen können, in dem sie aber nur bedingt vor den Insekten sicher sind.

Insgesamt hat Richard Dübell einen eindrucksvollen Roman geschrieben, der nur an wenigen Tagen spielt und den Leser trotzdem oder gerade deswegen in seinen Bann zieht. Die Sintflut und ihre Vorboten werden mit allen apokalyptischen Einzelheiten beschrieben, und der Autor versteht es, in Worte zu fassen, was heutzutage nicht einmal Fernsehbilder anschaulich machen können. Auch gerade wegen seiner Aktualität ist der Roman empfehlenswert, da man diese Bilder nahezu täglich rund um den Globus erlebt und betrachten kann, und einem jeden Leser werden solche Bilder vor Augen kommen, wenn er Zorn des Himmels liest. So unwahrscheinlich ist es nicht, dass man diese Ereignisse selbst einmal erleben könnte, was die Wetterkapriolen auf unserem Erdball immer wieder beweisen.

Ein menschlicher Kaiser

Dübells Charaktere sind bunt gemischt und lassen sogar dem Kaiser normalmenschliche Züge zukommen, gerade wenn er persönlich für den Schutz von vielen Kindern während der Flut sorgt. Ein Kaiser zum Anfassen der Not entsprungen, aber trotzdem beeindruckend. Ob das realistisch ist, steht auf einem anderen Blatt. Doch schnelle Szenen wechseln sich immer wieder mit ruhigeren Momenten zum Durchatmen ab, und somit hält der Autor den Leser immer wieder bei der Stange. Ein geplanter Anschlag auf den Kaiser tut sein Übriges.

Der knapp 400 Seiten starke Roman aus dem Hause Lübbe kommt als aufwändig gestaltetes Hardcover daher und passt daher wunderbar in die Reihe des Autors aus demselben Hause. Eine alte Karte von Frankfurt mit der Brücke über den Main als Mittelpunkt, ein Personenregister und ein interessantes Nachwort ergänzen einen gelungenen Roman, der zudem durch eine Prise Humor besticht. Allein dass der Autor die historischen Bezeichnungen für Städte und Flüsse belassen hat, stören ein wenig den Lesefluss, denn sie wären nicht nötig gewesen. Dennoch darf man sich auf weitere Romane aus der Feder Dübells freuen, vielleicht dann weniger feucht als dieser.

Zorn des Himmels

Richard Dübell, Lübbe

Zorn des Himmels

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