Die Meisterin aus Mittenwald
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- Erschienen: Januar 2014
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- , 2014, Titel: 'Die Meisterin aus Mittenwald', Originalausgabe
Zu viele erzählerische Lücken und Zufälle
Augsburg, 1703: Anna wird mit gerade 17 Jahren zur Vollwaise, als die Inquisition ihre geliebte Mutter als Hexe verurteilt und der Wasserprobe unterzieht. Sie selbst soll in ein Kloster, das in den Alpen liegt, gebracht werden, aber auf dem Weg dorthin passiert ein Unglück, so dass sie auf sich selbst gestellt ist. Anna nimmt die Identität eines Mannes an und tritt eine Lehrstelle in der Werkstatt eines Geigenbauers in Mittenwald an. Aber das Schicksal schlägt erneut zu...
Spröder Beginn
Äußerst kurz wird wiedergegeben, wie Anna vor dem einschneidenden Ereignis gelebt hat und wie es überhaupt dazu gekommen ist. Das ist so schnell erzählt, dass es wie eine zusammenfassende, für den weiteren Verlauf der Geschichte unwichtige Lappalie erscheint, dabei ist es das Schlüsselerlebnis des gesamten Romans.
Ausführliche Beschreibungen, die das Leben in der damaligen Zeit wiedergeben, fehlen weitestgehend, was die Erzählung emotionslos erscheinen lässt. Wo und wie lebt Anna in ihrem ersten Lehrjahr, wie meistert sie ihr alltägliches Leben oder was denken die Dorfbewohner, ahnen sie vielleicht etwas? Einzig wenn von Musik oder den Geigen erzählt wird, brennt der Text vor Leidenschaft.
Offene und unrealistische Handlungsstränge
Moritz, der schnell hinter Annas Geheimnis kommt und sich in sie verliebt, fertigt für eine vornehme Dame eine Geige an, aber wer diese Frau ist und was nachher mit der Geige passiert, wird nie wieder aufgegriffen. Auch die plötzliche Besessenheit des venezianischen Offiziers Carrigi, der aus dem Nichts heraus Anna verfällt, wirft Fragen auf.
Wenn die Handlung nicht weiter weiß, wird ein Zufall bemüht. Manche Absätze sind zudem verwirrend und unsinnig, entbehren jeglicher Logik, so zum Beispiel als Anna auf die Friedhofsinsel fährt, um nach einer Pflanze zu suchen. Moritz habe ihr von der Pflanze erzählt, was aber zuvor nicht erwähnt wird. Zudem denkt sie darüber nach, was wäre, wenn Carrigi jetzt auf der Insel wäre. Warum sollte er?
Die Wirkung Venedigs auf Anna ist sehr lebendig beschrieben. All die Eindrücke, die auf sie einstürzen, lassen die Stadt zu Beginn des 18. Jahrhunderts auferstehen und ziehen den Leser in den Bann. Leider ist das nur ein kurzes Aufflackern dessen, was möglich gewesen wäre.
Kaum Spannung, zu viele Lücken
Der Geigenbau und die Musik sind das Hauptthema des Romans, die restliche Geschichte wirkt wie ein notwendiges Übel drum herum gepackt. Es wird immer mal wieder auf Aussagen verwiesen, die eine Figur gemacht hat, aber die nicht im Buch beschrieben werden, so dass man das Gefühl einer drastischen Kürzung nicht los wird.
Die Geschichte erinnert an einen ruhigen Fluss, der ohne Biegungen oder Stromschnellen spannungsarm dahinplätschert. Schade war zudem, dass durch den Untertitel die Richtung der Geschichte erahnt werden kann.
Das Ende ist dermaßen abrupt, dass es wirkt, als habe die Autorin schnell zu einem Ende kommen wollen und zwar egal wie, denn die Handlungen der Personen sind alles andere als nachvollziehbar.
Wenn es um die Klangwelt von Geigen geht, erkennt man großes schwelgerisches Potential der Autorin, aber sie vermag es nicht, dieses in alle Bereiche des Romans zu übertragen, so dass sich der Leser nicht mit allen fünf Sinnen in die Geschichte fallen lassen kann.
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