Das Geschenk des Wesirs
- Kindler
- Erschienen: Januar 2014
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- Kindler, 2014, Titel: 'Das Geschenk des Wesirs', Originalausgabe
Ausflug in die Historie Mallorcas
Mit seiner Weihnachtsedition hat der Kinder-Verlag vor Jahren eine schmucke Serie lanciert. Das Geschenk des Wesirs gehört zu den kleinen, feinen Romanen, mit denen der Verlag Jahr für Jahr die Leserinnen und Leser in der Adventszeit verwöhnen möchte. Die hochwertige Aufmachung des Buches passt sich denn auch nahtlos den vorherigen Romanen in dieser Reihe an. Nicht aber der Inhalt.
Bei Das Geschenk des Wesirs steht die Haremsfrau Samira im Mittelpunkt. Sie wurde einst als kleines Kind geraubt und in Mallorca aufgezogen. Dank ihrer bezaubernden Schönheit wird sie zur Geliebten des jungen Prinzen, der mit der Sklavin von seinem Vater darüber hinweg getröstet wird, dass er aus politischen Gründen eine hässliche Frau heiraten musste. Samira liebt Thabit von Herzen und ist nur zu gerne bereit, mit ihm das Lager und das Leben zu teilen auch wenn sie lediglich als Haremssklavin geduldet wird. Als die Spanier 1229 die Insel überfallen und die Hauptstadt belagern, gerät auch Samira in Gefahr. Der maurische Herrscher, der sein Volk retten möchte, entsendet Samira als Geschenk an den Spanischen König Jaume. Um ihren geliebten Prinzen zu retten, mischt sich Samira ins Geschehen ein mit tödlichen Folgen. Sie muss erkennen, dass sie vielen Irrtümern erlegen ist. Einzig der Jude Elias, der im spanischen Heer mitreist, scheint die junge Frau zu verstehen. In ihm findet Samira unerwartet einen Freund.
Der Weihnachtsaspekt fehlt
Als historischer Roman bietet Das Geschenk des Wesirs alles, was man erwarten kann: ein interessantes Setting und stimmige Charaktere. Die Eroberung der Insel durch die Spanier bietet einen interessanten Hintergrund und die entsprechenden Ereignisse aus dem dreizehnten Jahrhundert sind bisher kaum thematisiert worden, bieten also den Freunden von historischen Romanen eine ausgezeichnete Grundlage, sich mit einem neuen Geschichtskapitel zu befassen. Ricarda Jordan ist als Autorin von historischen Romanen versiert. Sie präsentiert einen fein abgestimmten geschichtlichen Rahmen, der zwar viele Informationen bietet, den Leser mit der Fülle von Details aber nicht erdrückt. Dass Ricarda Jordan einen flüssigen und eingängigen Schreibstil pflegt, macht die Lektüre zu einem Genuss, dem man sich an einem kalten Winterabend gerne hingeben mag. Auch die orientalische Atmosphäre passt ganz gut zu den Gerüchen, die während der Weihnachtszeit in vielen Wohnungen anzutreffen sind: Zimt, Kardamom, Orange und vieles mehr. Aber dennoch will der Roman nicht so ganz in die Reihe der Weihnachtsbücher passen. Waren die Vorgänger jeweils Geschichten, die zu Herzen gehen und ein wenig nostalgische Wehmut wecken, ist das diesjährige Weihnachtsbuch ein gut geschriebenes, aber absolut nicht weihnachtliches Werk.
Nette Charaktere
Mit Samira und Elias hat die Autorin nette Charaktere geschaffen, die sich ganz gut durch den Dschungel der politischen Ereignisse schlängeln. Sehr gut gelungen ist Ricarda Jordan dabei die Entwicklung Samiras. Sie beschreibt die junge Frau als Kind ihrer Zeit: Erzogen zur Haremssklavin, benimmt sie sich auch so. Selbst als sie erkennt, dass es noch eine andere Welt gibt, bleibt die junge Frau zunächst beim Bekannten. Erst nach und nach beginnt sie, verschiedene Dinge differenziert zu betrachten, ihr kommt dabei jedoch immer wieder ihre Erziehung in die Quere. Auch Elias verhält sich ganz so, wie sich ein junger Mann in seiner Situation verhalten würde. Er versucht, sich den christlichen Mitstreitern anzupassen und bleibt als ursprünglicher Jude doch immer ein Aussenseiter, der mehr oder weniger akzeptiert wird. Ihm gelingt es anfänglich so wenig wie Samira, sich von seinen Verhaltensmustern zu lösen und einen eigenen Weg einzuschalten. Gut gelungen sind aber auch die Nebenfiguren, allen voran der undurchsichtige und verwöhnte Thabit, der nur sein eigenes Wohl im Auge hat.
Ricarda Jordan hat also allen Fans des historischen Romans etwas zu bieten. Dass es auf gerade mal 141 Seiten nicht zu sehr in die Tiefe gehen kann, mag man nachsehen. Hier leistet die Autorin jedoch Erstaunliches: Kaum bekommt man den Eindruck, als würde etwas fehlen. Als Weihnachtsbuch geht der Roman jedoch klar am Thema vorbei.
Ricarda Jordan, Kindler
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