Das Geheimnis vom Oranienburger Thor

  • Jaron
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Jaron, 2014, Titel: 'Das Geheimnis vom Oranienburger Thor', Originalausgabe
Das Geheimnis vom Oranienburger Thor
Das Geheimnis vom Oranienburger Thor
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Annette Gloser
781001

Histo-Couch Rezension vonNov 2014

Gift im Topf

Berlin, 1852. Nach Genuß eines leicht überfälligen Bohneneintopfes stirbt der Kürschner Corduan in der Berliner Jägerstraße eines plötzlichen und äußerst unangenehmen Todes. Die Obduktion ergibt eine Arsenvergiftung. Commissarius Werpel ist sicher, daß hier nur eine Giftmörderin am Werk gewesen sein kann. Und er hat auch schon zwei Verdächtige: das Hausmädchen Susanna und die allgemein unbeliebte Erbin Corduans, Caroline Schlitt, ihres Zeichens Hausbesitzerin und Oberekel aus Leidenschaft.

Auch Oberst-Lieutenant Christian Philipp von Gontard kann Werpel nur zustimmen, diese beiden Damen scheinen am ehesten als Täterinnen in Frage zu kommen. Allerdings hat Gontard auch andere Sorgen, denn er wird erpresst. Jemand hat unwiderlegbare Beweise für seine Teilnahme an den Barrikadenkämpfen 1848 am Alexanderplatz. Heute, vier Jahre nach diesen Kämpfen, können solche Beweise für Gontard gefährlich werden und seine Existenz als Lehrer an der Artillerie-Schule vernichten, wenn sie in die falschen Hände gelangen.

Dann aber gibt es weitere Todesfälle, mit denen die beiden bisher verdächtigten Frauen nichts zu tun haben können. Werpel ist ratlos, denn offenbar kommt die gesuchte Giftmischerin weit herum. Niemand weiß, wie und warum sie ihre Opfer aussucht. Werpel hofft auf Gontard, der ihm ja schon einige Male aus der Patsche geholfen hat.

Krimi und Stadtgeschichte

Das Geheimnis vom Oranienburger Thor ist ein Krimi aus der Reihe Es geschah in Preußen. Der Jaron Verlag hat diese Reihe schon vor längerer Zeit auf den Weg gebracht und mit dem Hobby-Detektiv Gontard einen klugen, durchaus Preußen-typischen und trotzdem sympathischen Vertreter seiner Zunft etabliert. Jeder der Krimis bietet Interessantes zur Geschichte Berlins und zur Entwicklung Preußens. So spielen die Romane in einer Zeit, in der Berlin sich vom Möchtegern-Spreeathen zur Großstadt wandelt, in der aus Handwerk Industrie wird und zahlreiche technische Neuerungen das Leben der Menschen verändern.

In diesem Band spielt die Chemie eine ganz besondere Rolle. Der Apotheker Ernst Schering, Gründervater einer Berliner Industrie-Institution, der Schering AG, wird in den Anfangsgründen seines Gewerbes gezeigt. Zudem tragen Gontard und Co. Eine Menge Wissenswertes über Giftmischerinnen früherer Zeiten zusammen, was vielleicht nicht gerade zur Erheiterung, jedoch auf jeden Fall zur Erhellung des Lesers beitragen kann.

Autor Horst Bosetzky versteht es, seinen Lesern auch die eher zwiespältige Stimmung vor allem unter den Intellektuellen und Demokraten in Preußen nahe zu bringen. Die Märzunruhen von 1848 sind vorbei, ihre Todesopfer liegen im Friedrichshain, ebenso begraben wie die Hoffnung auf Demokratie, ein einiges Deutschland und Gedankenfreiheit. Aber im spitzelverseuchten Preußen gibt es nach wie vor fortschrittlich denkende Menschen und viele von ihnen begeistern sich für die vielfältigen neuen Entdeckungen und Erfindungen des 19. Jahrhunderts.

Viele flüchtige Begegnungen

Leider kann der Autor jedoch der Versuchung nicht widerstehen, sein umfangreiches Wissen zur Geschichte Preußens und Berlins in möglichst geballter Ladung an die Leserschaft zu bringen. Dabei gibt es eine Menge Interessantes zu erfahren, z.B. warum Goethe im Faust über Spuk in Tegel schreibt und daß sich Otto von Bismarck mit einem verfeindeten Politiker duellierte. Zudem gibt es viele Personen, die umfassend vorgestellt werden. Problematisch ist dabei nur, daß diese Personen häufig nur einen einzigen Auftritt im Roman haben, gelegentlich auch ganz unmotiviert, ohne die eigentliche Handlung voran zu treiben. Währenddessen liegt der Krimi auf Eis. Ein Vortrag über das antike Olympia, eine Unterrichtsstunde in preußischer Militärgeschichte, aber die Suche nach der Giftmörderin geht nicht voran. Das macht ungeduldig beim Lesen. Und das ist sehr, sehr schade.

Sehr angenehm übrigens in diesem Roman, daß Commissarius Werpel die Chance bekommt, sich mal von einer etwas netteren Seite zu zeigen. Und sein Gehilfe Krause, der zwar nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, jedoch immer wieder frappierend logische Schlußfolgerungen beisteuert, ist ein Berliner Original der Sonderklasse. Und wenn die Kriminalgeschichte in diesem Roman sich mal ein wenig von der Überfrachtung mit historischen Fakten befreit, dann ist sie spannend und verlockt zum Miträtseln.

Als Krimi mit Schwächen, als Geschichtsbuch ausgezeichnet

Wer Das Geheimnis vom Oranienburger Thor liest, sollte sich entscheiden. Entweder man erwartet einen rasanten Krimi, dann darf man sich beim Lesen ein bisschen über die Abschweifungen ärgern. Oder man nimmt das Buch zur Hand, weil man viel über Berlin im Jahre 1852 wissen will. Dann allerdings hat man keinen Grund, sich zu ärgern, denn dann hat man genau das Buch, das man haben wollte. Der Roman lässt sich auch dann gut lesen, wenn man die anderen Bücher der Reihe noch nicht kennt. Insofern ist es zwar Gontards siebenter Fall, aber als Einstieg in die Reihe ist das Buch trotzdem gut geeignet. Aber Vorsicht: Bei dieser Krimi-Reihe besteht Suchtgefahr! 

Das Geheimnis vom Oranienburger Thor

Titus Simon, Jaron

Das Geheimnis vom Oranienburger Thor

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