Romeos Schatten
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2014
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- Lübbe, 2013, Titel: 'Still Star Crossed', Originalausgabe
Ein Fürst hat einen Plan
Zwei Wochen nach dem Tod von Romeo und Julia liegt Verona in Agonie. Zwar haben sie am Grab der beiden Liebenden Frieden geschworen, die Capulets und die Montagues, aber jahrelanger Hass verschwindet nicht so einfach auf fürstlichen Befehl. Vor allem unter den jungen Männern gärt es, brodelt es unter der Oberfläche, und kaum laufen sie sich in der Stadt über den Weg, so gehen sie schon wieder mit spitzer Zunge und scharfem Schwert aufeinander los. Selbst Romeos besonnener Vetter Benvolio, der seinem Namen (Der Wohltätige) durch seine Ruhe und Besonnenheit alle Ehre macht, wird in so einem Scharmützel verwundet. Und wieder gibt es Tote.
Da aber verfällt Fürst Escalus auf die scheinbar geniale Idee, die Häuser Capulet und Montague durch Heirat miteinander zu verbinden. Rosalinde, eine Cousine Julias, und Benvolio scheinen am besten für diesen fürstlichen Friedensplan geeignet. Zu dumm nur, dass die beiden sich so gar nicht ausstehen können. Und regelrecht tragisch, dass Escalus damit seine Jugendliebe Rosalinde dem Wohl der Stadt Verona opfert. Benvolio und Rosalinde tun alles, um diese unerwünschte Ehe nicht eingehen zu müssen. Nur eins bindet sie aneinander: Das Wissen um einen geheimnisvollen Fechter, der Montagues und Capulets mordet und damit den Hass immer wieder neu entfacht. Erst wenn die beiden jungen Leute diesen Mörder gefunden und vor den Fürsten gebracht haben, kann die Stadt Frieden finden. Und eine Ehe zwischen Benvolio und Rosalinde wird dann nicht mehr nötig sein.
Hommage an Shakespeare
Um es gleich vorweg zu sagen: Romeos Schatten ist kein historischer Roman. Melinda Taub hat hier die Theaterwelt Shakespeares aufgegriffen, in einer fiktiven Zeit, in einer fiktiven Stadt die zufällig den Namen Verona trägt. So gibt es auch keinen Anspruch auf historische Genauigkeit. Die in der Stadt agierenden Familien und der herrschende Fürst haben nichts mit der realen Geschichte der realen Stadt Verona gemein. Und dennoch kann man als Leser hier mit vollem Genuss in eine renaissanceartige Welt eintauchen, die in ihrer üppigen Ausstattung, mit ihrer Sprache und auch mit dem Verhalten der Protagonisten recht nah an die Realität heran reicht. Der Autorin ist es gelungen, die Atmosphäre Shakespearescher Theaterstücke in diesen Roman zu holen. Dies gelingt natürlich auch durch jene Protagonisten, die man bereits aus Romeo und Julia kennt, nicht zuletzt aber auch durch Adaptionen oder Zitate aus anderen ShakespeareStücken.
Die Sprache ihrer Protagonisten hat Melinda Taub weitgehend an die Vorlage Shakespeares angenähert. Jeder von ihnen hat einen ganz eigenen Duktus und wird dadurch charakterisiert, so wie es bereits in Romeo und Julia vorgegeben ist. Auch der Handlungsablauf ähnelt einem Theaterstück mit vielen dramatischen Sequenzen und so mancher von denen, die die Tragödie um Romeo und seine Julia überlebten, muss nun doch noch ins Gras, oder vielmehr ins schlammige Pflaster der Straßen von Verona beißen. Und natürlich dürfen auch Benvolio und Rosalinde ihre eigene Balkonszene haben - allerdings ganz anders geartet als die zwischen Romeo und Julia.
Mantel, Degen und Beziehungskisten
Melinda Taub entwickelt die Geschichte konsequent weiter. Dabei werden Protagonisten, die bei Shakespeare nur eine Nebenrolle spielten, jetzt zu Hauptakteuren in einer Geschichte voller Abenteuer, lange liebevoll gehätscheltem Hass, bösartiger Intrigen und wahrer, inniger Liebe. Oft hat Shakespeare nur wenige Charakterisierungsmerkmale für diese Nebenrollen vorgegeben. Der Autorin ist es jedoch wunderbar gelungen, aus diesen wenigen Versatzstücken starke, lebendige und realitätsnahe Charaktere zu formen. Romeo und Julia bietet auch nach dem letzten Akt jede Menge Konfliktpotential, mehr als genug für einen Fortsetzungsroman. Die Geschichte erwächst aus dem Wissen, dass allein ein fürstlicher Befehl nicht ausreichen kann, der Stadt endlich den lang ersehnten Frieden zu bringen.
Melinda Taubs Roman zaubert eine Atmosphäre, in der man als Leser mit durch die Straßen Veronas wandert, in der man förmlich die Geschlechtertürme der verfeindeten Familien über der Stadt aufragen sieht (wie man es vielleicht aus San Gimignano kennt) und in der auch jener berühmte - leider gefälschte - Balkon vor dem geistigen Auge des Lesers erscheinen kann. Die Autorin versteht es, sehr schnell spannend in den Roman einzusteigen und die Spannung dann auch über den gesamten Roman zu halten. Da hat man wenig Ruhe, bis man endlich am Ende angekommen ist und weiß, wer seine gerechte Strafe und wer die geliebte Frau denn nun bekommt.
Kein lauer Aufguß
Romeos Schatten bietet mehr als nur einen matten Abglanz des Shakespeareschen Dramas. Melinda Taub hat eine eigenständige, hoch dramatische und in sich völlig logische Fortsetzung geschrieben. Ein Glanzpunkt im Programm des Verlags Bastei Lübbe. Schade, dass das Cover so süßlich geraten ist, mit jener holden Maid, die farblich zwar wunderbar zur abgebildeten Veduta Veronas passt, aber ganz anders aussieht als die im Roman beschriebene Rosalinde. Leider suggeriert das Cover einen Nackenbeißer, dabei hat dieser Roman einiges mehr zu bieten als wilden Herzschmerz. Sehr interessant sind auch die Anmerkungen der Autorin am Ende. Diese sollte man jedoch erst nach dem Roman lesen, denn dort wird einiges über die Romanhandlung verraten.
Ein Roman, mit dem man viel Spaß haben kann und der seinen Lesern einige Stunden ungetrübter Lesefreude bescheren könnte.
Melinda Taub, Lübbe
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