Die Täuferin

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2015
  • 13
  • Lübbe, 2013, Titel: 'Villeins Trilogy 1: The Brethren', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
891001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2015

Eindrucksvolle Geschichtslektion am Vorabend der Reformation

Kunwald in Böhmen, 1517. Die noch junge Kristina ist eine Täuferin, deren Eltern bereits gestorben sind, verbrannt auf dem Scheiterhaufen. Denn Täufer sind der Meinung, dass jeder das Recht haben sollte, Lesen zu lernen, und das ist der herrschenden katholischen Kirche natürlich ein Dorn im Auge. Kristina heiratet den um Jahre älteren Berthold, ehemals Priester, nun aber Täufer mit Leib und Seele. Kristina und Berthold lieben sich trotz des grossen Altersunterschieds und wollen mit ein paar Freunden nach Mainz ziehen, um dort Verbündeten zu helfen und selbst eine Druckerwerkstatt zu eröffnen.

Zur gleichen Zeit muss der junge Leibeigene (genannt Villani) Lud auf Geheiss seines Herrn, dem Ritter Dietrich Geyer von Giebelstadt, mit seiner Truppe in den Krieg gegen die Türken ziehen. Luds Truppe, das sind zwölf Jungen, denen noch nicht einmal ein Bart wächst, die aber ausgesucht wurden, um der Lehnspflicht zu entsprechen und ihr Dorf zu repräsentieren. Alle noch grün hinter den Ohren, vertrauen sie auf Lud und Ritter Dietrich, die den Auftrag haben, die Jungen wieder in die Arme ihrer Familien zurückzubringen.

Im Donautal südlich von Wien müssen Lud und seine Jungs die eine oder andere Demütigung über sich ergehen lassen, als sie nahe Würzburg in den Krieg geraten. hier lernt die Gruppe um Lud auch die Gruppe um Kristina kennen, die auf ihrem Wagen einen schwer verletzten Türken pflegen, der schwer verwundet ist und der, da er als Geisel dienen kann, für alle die Austrittskarte von der Front ist. Ritter Dietrich will den Türken in Mainz ausliefern, wo sich die Täufer eine Druckerei aufbauen wollen. Doch auch Dietrich beabsichtigt, eine Druckerei zu erwerben, um kirchliche Texte zu verbreiten. Doch die aufkommenden Pocken machen allen einen Strich durch die Rechnung.

Ein Krieg und die Pocken

Es ist schon noch ein wenig komplizierter und verworrener, als hier in der Kürze dargestellt werden kann, aber dem geneigten Leser soll nicht zu viel von der Spannung genommen werden. Der amerikanische Schriftsteller Jeremiah Pearson beschreibt ein Kapitel deutscher und europäischer Geschichte, die noch sehr viel Spannung verspricht, zumal Luther im selben Jahr seine 95 Thesen noch an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nageln wird.

Pearsons Hauptprotagonisten sind die junge Kristina, eigentlich noch ein Mädchen und gerade so im heiratsfähigen Alter, und der ein bisschen ältere Lud. Beide haben Menschen im Schlepptau, die nicht ihrer eigenen Altersklasse entsprechen: Lud mit seinen zwölf Jungen und Kristina mit ihrem um eine Generation älteren Ehemann Berthold, der sich mit der Zeit als unflexibler und bisweilen feiger Mann herausstellen wird und sich Kristina fragt, ob sie denn mit ihm die richtige Wahl getroffen hat. Das Verhältnis der beiden ist eine interessante Nebenhandlung, von denen Pearson einige in seinen Roman einflicht.

Spannend und vielfältig

Lud hingegen zweifelt immer wieder an seiner Obhut über die Jungen, kennt er doch alle und ihre Eltern von klein auf und will er niemanden von ihnen verlieren. Als sie nach der Schlacht in ihr Heimatdorf zurückkehren, ist dies wie verlassen, denn die Pocken gehen um, und Lud wird beauftragt, das lebende Volk zur Arbeit auf den Feldern zu bewegen, damit sie ihre Abgaben machen können, wenn es Winter wird, sonst geht es an die eigene Habe. Er wird gezwungen, Verantwortung zu übernehmen, und tut dies auch, wenngleich es ihm lieber wäre, es würde ihn nicht treffen. Das macht ihn natürlich nicht beliebt, aber es muss eben getan werden.

Pearson schafft es, den Leser durch seine vielfältigen Handlungsstränge, die immer wieder zueinander finden und dann wieder auseinander gehen, an die Lektüre zu fesseln und trotzdem den Überblick zu behalten. Seine Charaktere sind glaubwürdig und mit vielfachen Eigenschaften geschaffen, die nicht stereotyp sind, so dass sie dem Leser plastisch vor Augen erscheinen und ihn mit auf die Reise nehmen.

Pearson lässt auch die brisanten Themen nicht aus. Pocken, Pest, Krankheit, Lehnstreue und Lehnspflicht, Krieg, Leben und Tod, Verfolgung von Juden und viele mehr. Fast besteht die Gefahr, dass der Roman mit allen möglichen Themen überladen wird, doch Pearson schafft es, die richtige Balance zu finden, bevor es bisweilen in Kitsch umzuschlagen droht, und manchmal ist es tatsächlich knapp. Hier wäre weniger vielleicht mehr.

Viele interessante Charktere

Neben Kristina und Lud gibt es eine Reihe von Charakteren, die für unterhaltsame Lesestunden sorgen. Neben Ritter Dietrich ist dies Kristinas Ehemann Berthold, bei dem sich allerdings bald die Vermutung einstellt, dass er nicht der ist, den Kristina eigentlich heiraten wollte. Dietrich selber ist ein Vetter von Konrad, Prinz von Thüngen, der Fürstbischof ist und der ein Vorreiter in Sachen Druckereien ist. Zudem ist er Fürstbischof und vermutet, dass Dietrich ihm einst in sein Amt folgen will.

Am interessantesten ist jedoch die Figur des Buchdruckers Witter, den sie in Marienberg kennenlernen und dessen Figur sich schicksalshaft mit Kristinas Gruppe verwebt, was nicht nur daran liegt, dass er sich in sie verliebt. Er ist eine geheimnisvolle Figur, eigentlich ein Einzelgänger, mit dunkler Vergangenheit, Druckerkenntnissen und Talent für Sprachen.

Historische Einleitung

Alles in allem ist Jeremiah Pearson eine gesunde und angenehm zu lesende Mischung gelungen, die schnell die Leserschaft an sich fesselt. Die Täuferin ist der erste Teil einer Trilogie, die im englischen Original bereits komplett erschienen ist und deren Folgebände auch hoffentlich im Deutschen nicht mehr lange auf sich warten lassen. Interessenten des ausgehenden Mittelalter und der beginnenden Reformation finden hier eine Trilogie, die sich an einem historischen Scheideweg befindet und von daher ein bislang in dem Umfang nicht häufig beackertes Feld präsentiert.

Eine historische Einleitung bringt den Leser in die richtige Ausgangsposition für den Roman, und ein ausführliches Personenverzeichnis (bei dem nur der Hinweis auf fiktive und reale Personen fehlt) führen den Leser perfekt in den Roman ein, der nach 600 Seiten mit einem kurzen Nachwort endet. Zwei Karten in den Buchdeckeln und ein äußerst liebevoll und ansprechend gestaltetes Coverbild komplettieren ein spannendes und unterhaltsames Leseerlebnis, das Lust auf die Nachfolgebände macht. Sehr ambitioniert und lobenswert.

Die Täuferin

Jeremiah Pearson, Lübbe

Die Täuferin

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