Das Kind, das nachts die Sonne fand
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2015
- 9
Gloria, eine junge Engländerin mit Vergangenheit, begibt sich auf eine Erholungsreise nach Italien. Ihr eigentliches Ziel ist Verona. Kurz vor der Stadt allerdings trifft sie auf eine junge Frau, diese ist völlig aufgelöst und bittet um Hilfe. So erfährt Gloria, dass hier ein Duell stattgefunden hat. Ein Mann ist tot und der Zweite flüchtig. Allerdings erfährt sie auch, dass hier etwas nicht stimmt. Sie beschließt der Italienerin zu helfen und nach dem verschwundenen Mann zu suchen. Dabei bekommt sie unerwartet Hilfe von einem englischen Gentleman. Alexander Lyndon ist zufällig auf derselben Strecke unterwegs und wenig begeistert davon, dass sich hier eine Frau in ein Duell einmischen will. Auf Gloria wirkt Alexander gleich wenig sympathisch, sie ist aber trotzdem froh Hilfe zu bekommen.
Eine Frau ermittelt
Dieser Krimi, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts spielt, erzählt von einer Frau, die dabei ist, sich selbst zu finden. Gloria hat schon einiges hinter sich und will sich einfach nur erholen, als sie förmlich in diesen Fall hinein stolpert. Da es hier Parallelen zu ihrem eigenen Leben gibt, beschließt sie zu helfen. Dabei kommt Gloria aber auch schnell an ihre Grenzen. Es war eben nicht üblich für eine Frau, Fragen zu einem Duell oder Ähnlichem zu stellen.
Nette Unterhaltung in viktorianischer Zeit
Marlene Klaus nimmt ihre Leser mit ins viktorianische Zeitalter und schildert ein wenig, wie es in dieser Zeit gewesen sein könnte. Sie gibt Einblicke in die Etikette und zeigt, wie schwierig es war, wenn man sich eben nicht an diese hielt. Diese Szenen sind ihr auch gut gelungen und fügen sich wunderbar in die Krimihandlung ein. Allerdings sind sie dabei nicht unbedingt spannend zu nennen. Zum Teil wiederholen sie sich auch, je nachdem, wer gerade befragt wird. Es wird dabei immer wieder erwähnt, was eben nicht schicklich ist für eine Frau.
Gloria wird zwar als eine Frau geschildert, die weiß was sie will und sich nicht von einem Weg abbringen lässt, den sie einmal eingeschlagen hat, aber das war es dann auch schon. So richtig kann sie sich eben nicht durchsetzen, auch wenn sie versucht, hier den Fall zu lösen. Deutlich wird, wie schwer es für eine Frau war, in einem fremden Land, wichtige Details zu erfahren. Gloria stößt schnell an ihre Grenzen und braucht Hilfe. Diese Hilfe kommt in Form des englischen Gentleman Lyndon daher. Leider sind sich die beiden Protagonisten von Anfang an nicht sympathisch und werden auch nicht müde, dies ständig zu betonen. Durch diese ständigen Wiederholungen wird es dann etwas anstrengend weiterzulesen.
Von Anfang an scheint aber auch klar zu sein, dass die beiden irgendwann zueinander finden werden. So verwundert es vermutlich niemanden, dass am Ende des Romans Gloria die Gedanken kommen, dass Alexander so unsympathisch gar nicht sei. Die Beziehung, die sich hier anzubahnen scheint, ist dann auch vorhersehbar und nicht neu. Der Krimi selbst ist lockere Unterhaltung, der Spannungsbogen nicht allzu intensiv und der Fall dann auch schnell gelöst.
Di Fulvio erschafft eine eigene Welt
Das behütete Leben des kleinen Prinzen Marcus von Saxia endet abrupt, als die väterliche Burg im Jahr 1407 überfallen wird. Die Angreifer meucheln nicht nur die Fürstenfamilie von Saxia, sie töten auch alle anderen Bewohnerinnen und Bewohner. Nur mit Hilfe von Eloisa, der Tochter der Dorfhebamme Agnete, gelingt es dem kleinen Marcus, dem Gemetzel zu entkommen. Agnete ist nicht begeistert über den Gast, den ihre Tochter mitbringt. Trotzdem beschließt sie, dem Jungen zu helfen. Sie nennt ihn fortan Mikael. Zunächst tut sich Mikael schwer damit, sich in diesem völlig anderen Leben zurecht zu finden. Erst die Hilfe eines Einsiedlers, des alten Raphael, hilft dem Jungen, seine Ängste zu überwinden und sich zu einem starken jungen Mann zu entwickeln. In die Rolle des Leibeigenen geworfen, erlebt Mikael die bösartige Willkür des neuen Herrschers Ojsternig, der das Tal rücksichtslos unterjocht und Freude darin findet, die Menschen zu quälen. Als Ojsternig aus einer Laune heraus ein junges Paar trennt, das eben vom Dorfpfarrer getraut worden war und Emöke, die junge Ehefrau als Soldatenhure auf die Burg verschleppt, bricht in Mikael etwas auf. Er versucht, Ojsternig die Stirn zu bieten. Die gebrochene Emöke flüchtet sich in eine Scheinwelt und gilt als Irre. Eines Tages prophezeit sie Ojsternig, dass er dereinst lieben wird. Der Mann mit dem steinernen Herzen wird darob so wütend, dass er Emöke als Hexe zum Tode verurteilt. Mikael will die verstörte Frau retten. Dafür muss er aber seine Liebe zu Eloise aufgeben, denn nur eine Flucht aus dem Rahünval könnte Emöke retten. Mikael schließt sich dem Rebellen Volod an, der unbedingt nach Konstanz zum Konzil reisen will, um Jan Hus zu treffen.
Vergebene Suche
Leserinnen und Leser, die sich auf die Suche nach dem Rahünval begeben, werden bald aufgeben müssen. Das Tal in den Ostalpen, wie Autor Luca di Fulvio es beschreibt, existiert nicht unter diesem Namen. Di Fulvio hat sich flugs eine eigene Welt erschaffen und bestückt diese mit den unterschiedlichsten Charakteren. Dass der Autor dabei eine Affinität zum Mittelalter und dessen gesellschaftlichen Verhältnissen hat, wird schnell deutlich. Auch wenn die Örtlichkeiten wie auch die Persönlichkeiten fiktiv sind, so haben sie dennoch eine starke Aussagekraft. Immer wieder versinkt der Leser in der fremden Welt und wird sich schon nach kurzem weder die Frage stellen, wo denn nun das Rahünval liegen könnte, noch welche Bedeutung den einzelnen Namen zukommt. Die scheinen nämlich willkürlich zusammen gestellt, von verschiedenen Sprachschlägen geborgt und in dieses nicht existente Tal verlegt.
Sehr komplex
Einfach zu lesen ist Das Kind, das nachts die Sonne fand nicht. Wohl pflegt Luca di Fulvio eine sehr poetische Sprache, doch lässt er seinen Roman zu einer so komplexen Geschichte verwachsen, dass es zunächst viel Atem braucht, stets mitzuhalten. Im Grundsatz geht di Fulvio auf den Konflikt zwischen ausbeutendem Herrscher und darbendem Volk ein, das sich langsam erhebt. Diese Thematik macht den Hauptteil des Romans aus. Doch mischt er immer wieder neue Komponenten bei und lässt damit den Geschmack des Buches sich nach und nach verändern. Scheint es zunächst, als ob ein klassischer Ritterroman vorläge, bekommt die Geschichte durch jede beigefügte Facette einen neuen Dreh. Dadurch katapultiert Luca di Fulvio seine Leserschaft schon nach kurzer Zeit regelrecht in die Geschichte hinein. Vergessen sind die anfänglichen Schwierigkeiten, alles zu erfassen. Wer bereit ist, sich der Geschichte zu öffnen, vor dem wird die Welt des Rahünval und dessen Bewohner wie ein Fächer ausgebreitet.
Langer Nachhall
Die opulenten Bilder, die Luca di Fulvio mit seiner Sprache zu malen vermag, haben einen langen Nachhall. Sie bewegen und machen betroffen, lassen hoffen und manchmal auch gerührt inne halten. Es ist die hohe Kunst des Erzählens, die in diese Geschichte einfließt. Und die sie zu etwas so Besonderem macht, dass man zum Schluss das Rahünval kaum verlassen mag. Mit diesem Werk hat Luca di Fulvio bewiesen, dass er in der Lage ist, an die beiden vorherigen Bestseller anzuknüpfen, ohne sich in der Geschichte zu wiederholen wenn auch gewisse Muster sich wie ein roter Faden durch die Romane hindurch ziehen. Mit Das Kind, das nachts die Sonne fand legt di Fulvio einen Roman vor, der von allem ein wenig hat: etwas Mittelalter, etwas Räubergeschichte, etwas Religion und vor allem auch eine Portion Liebe, die wie eine Prise Vanille dem Ganzen genau die optimale Würze verleiht.
Luca di Fulvio, Lübbe
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