Das Lied der Nebelinsel
- Weltbild
- Erschienen: Januar 2014
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- Weltbild, 2014, Titel: 'Das Lied der Nebelinsel', Originalausgabe
Ein Lied, das in andere Welten entführt
Gleich vorneweg: Wer die tiefgründige Schönheit dieses Romans ganz auf sich wirken lassen möchte, muss sich Zeit nehmen. Zeit, die er zum einen im Jahr 1306 verbringt, wo Flora am Vorabend ihrer Hochzeit mit dem ihr noch so fremden Bräutigam verzweifelt versucht, sich in die Welt der Highlander einzufühlen. Vom Barden Ian nach ihrem Liederwunsch gefragt, muss sich die verstörte Flora nicht lange besinnen: Sie möchte etwas über die Liebe hören. Doch das Lied, das Ian daraufhin singt, bringt Düsternis. Floras Bräutigam David sticht Ian nieder und verschwindet. Während der Barde um sein Leben ringt, drängt Floras künftige Schwiegermutter den jungen Barden und Ians Zögling Ailean, das Geheimnis des seltsamen Liedes, bei dem es um die Liebe zwischen einem Raben und einer Wölfin auf der Insel Skye geht, zu ergründen. Denn nur so wird man verstehen, weshalb David so reagierte. Flora beschließt, Ailean nach Sky zu begleiten. Das Lied hat in ihr eine unendliche Sehnsucht geweckt. Während sich also die beiden jungen Leute gemeinsam zur Insel Skye aufmachen, blendet die Autorin Julia Kröhn ins Jahr 1249 zurück. Schauplatz ist ebenfalls die Insel Skye. Die Halbwaise Eilidh, Tochter eines Kaufmanns, begleitet ihren Vater auf die Insel, wo er dem Herrscher ein Angebot unterbreiten soll. Bevor er aber den Herrscher erreicht, trifft er auf dessen Verwandten Sigurd, der aus einer Laune heraus den Fremden tötet. Als Sigurd Eilidh bemerkt, nimmt er sie mit, um sie anstelle seiner kürzlich verstorbenen Tochter groß zu ziehen. Eilidhs Trost in dieser Zeit ist Scota, die davon träumt, dereinst Druidin zu werden und dem fremden Mädchen viel von der keltischen Kultur beibringt. Einige Jahre später treffen ein Mönch als Begleiter von Kieran, der vom König als Geisel genommen und zur Sicherheit auf die Insel geschickt wird, auf die jungen Frauen. Zwischen Kieran und Eilidh wächst eine Verbindung, die das Gefüge auf Skye durcheinander wirbelt.
Poetische Sprache
Wie von Julia Kröhn aus ihren früheren Romanen nicht anders zu erwarten, erzählt sie die Geschichte in einer sehr komplexen Art und einer poetischen Sprache. Das verlangt von den Leserinnen und Lesern aber auch, dass sie sich ganz auf den Roman einlassen und ihm den Raum geben müssen, sich in seiner ganzen Kraft zu entfalten. Einfach macht es die Autorin dem Publikum dabei nicht gerade: Die große Zahl der handelnden Charaktere dürfte für viele zunächst eine rechte Herausforderung darstellen. Hier wäre es auf jeden Fall hilfreich, würde der Verlag ein Personenregister einfügen, um den Überblick etwas zu verbessern. Je mehr die Leser mit den Figuren verwachsen und an ihrem Weg teilhaben, desto mehr legt sich die leise Verwirrung ob der Zahl der handelnden Personen. Mit ihrer Figurenzeichnung vermag Julia Kröhn nämlich einmal mehr zu überzeugen. Es ist ein leichtes, sich in die quirlige Flora, die tiefsinnige Eilidh, den noch etwas unreifen Ailean oder den staunenden und tief in seiner Seele verletzten Kieran hinein zu versetzen. Etwas weniger leicht fällt es dann, sich seine Lieblingsfigur aus dem Reigen zu erküren.
Gut getrennt
Obwohl zwischen den beiden Handlungssträngen nur eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne ist und der Schauplatz jeweils die Insel Skye ist, fällt es den Lesern nicht schwer, die beiden Handlungsstränge auseinander zu halten und sich nach jedem Szenenwechsel auf die neue Situation einzulassen. Das Erzähltalent der Autorin, das sich einmal mehr mit einem umfassenden Wissen paart, kommt in diesem Roman voll zur Geltung. Julia Kröhn präsentiert eine faszinierende und berührend schöne Geschichte, die alle Facetten beinhaltet, welche man sich von einem guten historischen Roman wünscht. Einerseits sind es atmosphärisch dichte Bilder, die dem Leser einen guten Einblick in die damalige Welt vermitteln, andererseits sind es viele Fakten, die so optimal aufbereitet sind, dass kaum je das Gefühl entsteht, es wäre Zuviel an Hintergrundinformationen. Die Leser bekommen sozusagen Geschichtskunde vermittelt, ohne dass sie sich belehrt fühlen. Das schafft Julia Kröhn mit dem geschickten Einweben der Fakten in die fiktive Geschichte.
Konflikt heraus gearbeitet
Erst beim längeren wirken lassen des Geschriebenen auf die Seele, wird der Leser die ganze Vielschichtigkeit des Romans erkennen. Zunächst dürfte er sich nämlich von der durchaus gut aufgebauten Spannung ablenken lassen. Und auch die Liebesgeschichten sind nicht ohne erst recht, da sie ohne jede Spur von Kitsch auskommen. Doch wer sich auf die Geschichte einlässt und darüber nachdenkt, wird erkennen, wie viele Brennpunkte darin festgehalten sind. Besonders gut aufgearbeitet ist etwa der Konflikt zwischen den Kulturen: Da die Anhänger des Keltentums, dort die Christen.
Es braucht da und dort etwas längeren Atem, um an der Geschichte dran zu bleiben. Denn Julia Kröhn verlangt von ihrem Publikum eine etwas gedämpfte Geschwindigkeit und die Fähigkeit, sich eine Geschichte zu erarbeiten. Aber es lohnt sich, sich darauf einzulassen. Denn vorgesetzt bekommt man einen wunderbaren, abwechslungsreichen, intensiven und hervorragend geschriebenen Roman.
Julia Kröhn, Weltbild
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