Aufruhr in Wittenberg
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- Erschienen: Januar 2015
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- , 2015, Titel: 'Aufruhr in Wittenberg', Originalausgabe
Luther unter Mordverdacht
Wittenberg im Jahr 1520. Die junge Katharina Roeseling ist neu in die Stadt gekommen, weil sie den ortsansässigen Thomasus Roeseling geheiratet hat, der ein Handelskontor hat. Da sie neu in der Stadt ist, kennt sie noch nicht viele Leute. Da wird Roswitha, die siebzehnjährige bildhübsche Tochter des Druckermeisters Dederich Ville erhängt in ihrem Haus aufgefunden. Da Selbstmord gegen die Natur und gegen die Kirche ist, findet sich niemand, der mit der Familie trauern will, und so bietet sich Katharina an.
Sie versucht, mehr über Roswitha und die Familie herauszubekommen und so stellt sie bald fest, dass es möglicherweise doch kein Selbstmord war. Gegen den Willen ihres Mannes, der sich irgendwie verdächtig benimmt, stellt sie Nachforschungen an und gerät dabei sogar ins Büro des Klosterbruders Martin Luther, der gerade Schwierigkeiten mit der Obrigkeit hat. Doch Katharina lässt nicht locker und setzt neben ihrer Ehe auch ihr Leben aufs Spiel.
Eine Neu-Wittenbergerin ermittelt
Es ist schon mehr als ein Aufruhr, was da los ist in Wittenberg, aber auch der Terminus Aufruhr scheint eigentlich nicht geeignet als Titel für den Roman von Daniela Wander, und auch der Untertitel "ein Luther-Krimi" ist ziemlich übertrieben. Ein Krimi, nun ja, es wird jemand erhängt aufgefunden, und eine Privatperson glaubt nicht an Selbstmord und ermittelt gegen alle Ratschläge, das ist eigentlich kein typischer "Whodunit". Martin Luther selbst spielt eine eher untergeordnete Rolle, taucht auch an wenigen Stellen höchstpersönlich auf, ist aber eigentlich in der Größe seiner Rolle nicht maßgeblich.
Aber von vorne. Roswitha Deville wird im Haus ihres Vaters, des Druckermeisters Dederich Deville, auf dem Dachboden erhängt aufgefunden. Katharina Roeseling, die gerade erst nach Wittenberg geheiratet hat und den örtlichen Befindlichkeiten gegenüber noch unvoreingenommen ist, hilft bei der Totenwaschung und der Totenwache mit, da sich niemand anderes dafür findet. Einen Selbstmord heißt die Kirche nicht gut und somit darf die Tote auch nicht in geheiligter Erde bestattet werden.
Katharinas Mann ist strikt gegen eine Einmischung Katharinas in die Trauerarbeit, doch da ist Katharina bereits angefixt. Sie hat ein paar Ungereimtheiten festgestellt, die es eher so aussehen lassen, als hätte jemand einen Selbstmord Roswithas vorgetäuscht und wolle einen Mord vertuschen. Niemand glaubt Katharina, und ihr Mann sagt ihr immer wieder, sie solle sich da heraushalten.
Ungewollte Ermittlungen
Doch das kann Katharina nicht, und sie beginnt Nachforschungen anzustellen. Zwar stösst sie immer wieder auf taube Ohren, und ihr wird auch des Öfteren gesagt, sie solle sich nicht in etwas einmischen, was sie nichts angeht. Doch auf einmal gerät auch ihr Mann Thomasus in Verdacht, der stets beteuert hat, die Tote nicht zu kennen, aber scheinbar doch zusammen mit ihr beobachtet wurde.
Später stellt sich heraus, dass Roswitha, das Engelchen, das nur alle in guter und braver Erinnerung hatten, doch "in guter Hoffnung" war, und sofort stehen einige Männer in Verdacht, natürlich Katharinas Mann Thomasus, und plötzlich auch Martin Luther, der Kontakt zu Roswitha hatte und wohl einer der letzten war, der sie lebend gesehen hatte. Hier könnte man meinen, das würde vielleicht rechtfertigen, den grossen Reformator in den Untertitel zu setzen, aber mehr als über diese kleine Nebenrolle kommt Luther nicht hinaus, und somit hält der grosse Name in diesem Fall nicht das, was er vielleicht verspricht.
Katharina ist eine starke Frau, die ihren (Ermittlungs-)Weg geht und sich auch nicht von ihrem Mann oder dessen Jugendfreund Burkhardt davon abbringen lässt. Neben ihren Ermittlungen stellt die Autorin schön dar, wie Katharina sich in ihrem neuen Haushalt zurecht finden muss. Sie hat Thomasus geheiratet, der bereits einmal verheiratet war, und Katharina kommt nun in einen laufenden Haushalt und muss sich mit dem alten personal herumschlagen, und es ist klar, dass es einige Zeit dauern wird, bis sie akzeptiert und als neue Herrin anerkannt ist. Gerade die Köchin Walli ist eine ordentliche Kratzbürste und lässt kein gutes Haar an Katharina, und so mancher hätte sie längst der Kochstube verwiesen, wenn sie nicht so verdammt gut kochen könnte& In den Szenen mit Walli setzt die Autorin schöne kleine Akzente, und abgesehen davon, dass die Dialoge mit ihr sehr herzerfrischend sind, zeigt die Autorin schön auf, wie es ist, in einen bestehenden neuen Haushalt zu kommen. Man mag mit Katharina mitfühlen, vor allem, wenn der neue Ehemann einen eigentlich liebt, aber jegliche Untersuchungsansätze untersagt. Man liebt sich und man streitet sich und will es allen recht machen - eine schwere Aufgabe für Katharina, und dieses Dilemma wird von der Autorin gut dargestellt, zieht es sich doch letztlich durch den ganzen Roman.
Leichte Krimikost
Die Zeit ist gut dargestellt, der Ort Wittenberg aber letztlich austauschbar, wenn nicht Luther da wäre, der letztlich als Figur auch austauschbar wäre. Insgesamt weiß der 350 Seiten lange Romane aus dem Verlag Bild und Heimat gut zu unterhalten und gibt dem Leser einen schönen Einblick in die frühen Tage der Reformation, als Luther gerade beginnt, Schwierigkeiten mit der Obrigkeit zu bekommen und zudem ein (wenngleich inoffizieller) Mordverdächtiger ist. Der Roman hat keine Extras wie eine Zeittafel, Glossar oder Personenverzeichnis zu bieten und bietet dem Leser eine schöne Geschichte, die mit Aufruhr in Wittenberg den falschen Titel hat, denn gerade dieser soll ja konsequent vermieden werden. Dennoch kann hier jeder bedenkenlos zugreifen, der einen leichten Krimi ohne viel Blut mit historischen Bezügen lesen möchte. Immerhin hat die Autorin mit Tod in Wittenberg bereits einen weiteren Krimi um Katharina Roeseling verfasst, der drei Jahre später spielt und in dem Martin Luther auch wieder vorkommt. Man darf gespannt sein.
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