Martins Frühling
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- Erschienen: Januar 2015
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- , 2015, Titel: 'Martins Frühling', Originalausgabe
Die letzten Kriegstage in München
März 1945. Christa Klausen, 31, versucht mit ihrem Sohn Martin, 10, dass sich abzeichnende Kriegsende zu überstehen. Nahezu täglich gibt es Fliegeralarm, versammeln sich die Bewohner ihres Mehrparteienhauses im Luftschutzkeller und hoffen, dass ihr Haus nicht getroffen wird. Auch sonst mangelt es am Nötigsten, und zudem weiß Christa nicht, was aus ihrem Mann Robert geworden ist, der seit Monaten in Russland als vermisst gilt. Bei ihren gelegentlichen Besuchen in ihrer Stammgärtnerei lernt Christa den Franzosen Yves kennen, einen Kriegsgefangenen, der dort aushelfen soll. Yves steckt Christa immer wieder ein paar Lebensmittel zu und so kommen sich die beiden näher. Für Martin ist derweil der Krieg auch ein großes Abenteuer, denn er soll sich angesichts der Bombenangriffe nicht zu sehr von seinem Haus entfernen. Doch gemeinsam mit seinem Freund Horst stromert er durch die Gegend; nicht selten treffen sie dort Peter, einen jungen Mann, der eigentlich im Feld stehen müsste. Als jedoch Martin erfährt, dass seine Mutter in Hinblick auf ihre Beziehung zu Yves nicht die Wahrheit sagt, zieht er drastische Konsequenzen&
70 Jahre nach Kriegsende Ein anderer Blick auf die Ereignisse
Martins Frühling startet mit einem Fauxpas gleich auf der dritten Seite, der andeutet, dass der Roman 1944 spielt, tatsächlich spielt er ein Jahr später, was in Hinblick auf die folgenden Ereignisse (Fliegerangriffe) nicht ganz unwichtig ist. Dies bleibt glücklicherweise der einzige Schönheitsfehler und so entwickelt sich nach überstandener Irritation eine durchweg lesenswerte Geschichte. 2015, siebzig Jahre nach Kriegsende, reißt die Flut an Sachbüchern und vor allem Romanen über den Zweiten Weltkrieg nicht ab. Doch während die meisten Bücher sich mit dem Schicksal der Soldaten an der Front oder den Gefangenen im Lager beziehungsweise einem KZ beschäftigen (sehr zu empfehlen Pieter Webeling Das Lachen und der Tod sowie Bernd Ohm Wolfsstadt) beschreibt der Roman von Josef Ebner die dramatischen Ereignisse der Daheimgebliebenen, jener Menschen, die nicht im Kriegseinsatz sind, sondern zuhause versuchen zu überleben.
Zum normalen Leben gehörte auch, dass man fast komplett angekleidet schlief, um beim nächsten Alarm gleich wieder in den Keller rennen zu können, und sich kaum noch wusch, weil es nur stundenweise Wasser gab, manchmal auch nur aus Tankwagen oder am Hydranten, und überhaupt anderes wichtiger war. "Die Amerikaner sollen nur kommen", hatte Frau Kronawitter vom dritten Stock einmal gesagt, "die stinken wir zur Stadt hinaus."
Der Roman beinhaltet kaum Spannung, ist aber durchaus spannend zu lesen, denn im Mikrokosmos der handelnden Personen ereignen sich tragische Ereignisse. Christa, die sich zu Yves hingezogen fühlt, ohne hierfür einen genauen Grund zu wissen; Martin, der mit seiner Situation altersbedingt hoffnungslos überfordert ist; Peter, der seine Eltern früh verlor und jetzt die große Gelegenheit sucht, es den verdammten Nazis heimzuzahlen; Horst, dessen Vater im Sterben liegt. Immer wieder stören die Fliegerangriffe den Tagesablauf und während sich alle in ihre Luftschutzbunker verkriechen, nutzt Christa wiederholt die Gelegenheit, sich mit Yves zu treffen. Stattdessen würde sie besser zu ihrer Tante Kathi auf das Land ziehen, um den Angriffen zu entgehen, aber ihr Vater will schließlich noch versorgt werden. Als Christa endlich einsieht, dass sie ihre Beziehung zu Yves beenden und die in Trümmern liegende Stadt verlassen muss, ist es fast schon zu spät.
"Als die beiden gegangen sind, war ich mir ziemlich sicher, dass ich sie nie wiedersehen werde. Dann habe ich mich daran erinnert, wie ihr immer gesagt habt, man solle die Hoffnung nie aufgeben. Ich versuche mich daran zu halten. Aber worauf soll ich eigentlich noch hoffen?"
Die Menschen haben die Hoffnung an den Führer längst aufgegeben, nur noch ein paar Unverwüstliche hoffen auf den Endsieg. Wer kann, haut ab und hofft, von den Nazis nicht erwischt zu werden. Irgendwo müssen doch die Amerikaner sein und schlimmer kann es eh nicht mehr werden. Fast wie ein Tagebuch, aber eben in Romanform geschrieben berichtet der Autor detailverliebt von Not und Elend der Bevölkerung in den letzten Kriegstagen. Immer dann, wenn sich - wie bei einer Hochzeit - ein kleiner Lichtschimmer zeigt, wird schnell klar, dass die Hoffnung trügerisch ist.
"Er war ja vorher in der Hitlerjugend. Da haben sie die jungen Burschen vollgepumpt mit ihrer Ideologie, die haben nichts mehr im Kopf gehabt als ein Volk, ein Reich, ein Führer. Führer befiel, wir folgen dir! Und dann: Schnell ausgebildet, schnell an die Front, schnell gestorben."
Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt. Wie schön, dass bei all dem Elend und all den Toten wenigstens ein kleines Happyend den Leser aus einer betroffen machenden Literatur entlässt. Aber mehr als ein Funken Hoffnung war wohl nicht zu erwarten.
Josef Ebner, -
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