Satanskind
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2015
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- Rowohlt, 2015, Titel: 'Satanskind', Originalausgabe
Mäßig spannendes Histotainment
Als im Sommer 1535 in Frankfurt beschnittene Münzen auftauchen, gerät die ganze Stadt in Aufregung, denn die Herbstmesse steht vor der Tür und das letzte, was man jetzt braucht, sind Geldschneider. Der Schultheiß beauftragt Richter Blettner, die Betrüger dingfest zu machen. Doch dann wird eine Geldwechslerin ermordet und eine weitere überfallen und Blettner gerät immer mehr unter Druck. Nebenbei soll er sich auch noch um den Neffen des Schultheißen kümmern, der in Frankfurt ein Bankhaus eröffnen will, und dann ist da auch noch sein Eheweib Hella, das ihm ständig in den Ohren liegt, endlich ein größeres Haus zu kaufen.
Satanskind ist der 5. Teil aus der Reihe Die Verbrechen von Frankfurt, aber man kann ihn getrost als eigenständiges Buch lesen und muss nicht die Vorgängerromane kennen, um den Inhalt zu verstehen.
Nichts Halbes und nichts Ganzes
Was einen gelungenen historischen Kriminalroman auszeichnet, ist die richtige Balance zwischen spannendem Kriminalfall und historischer Rahmenhandlung, in die geschichtliche Fakten mit einfließen und die die Lebensumstände und Möglichkeiten der jeweiligen Epoche berücksichtigt. Es gibt Romane, bei denen diese Gratwanderung sehr gut gelungen ist, es gibt aber auch solche, bei denen das nicht funktioniert hat und zu diesen gehört der hier vorliegende Roman.
Ines Thorn legt mit Satanskind einen massentauglichen historisierenden Unterhaltungsroman für die Leser vor, die die Vergangenheit gern aus einem romantisierenden Blickwinkel betrachten und möglichst wenig mit der Realität vergangener Jahrhunderte konfrontiert werden möchten. Aber selbst als purer Unterhaltungsroman ist er nicht wirklich gelungen, sondern wirkt lieblos und uninspiriert. Hier wird auf Biegen und Brechen eine Serie fortgesetzt, die ihren Zenit augenscheinlich bereits überschritten hat, denn was dem Leser hier aufgetischt wird, ist nichts anderes als der übliche Einheitsbrei, wie er schon hundertfach vorhanden ist.
Der eigentliche Kriminalfall ist zwar schlüssig und bis zu einem gewissen Grad auch spannend, alles in allem aber recht einfallslos. Ein Pageturner, bei dem man vor lauter Spannung Nägel kauend auf der Stuhlkante sitzt, ist Satanskind definitiv nicht, denn dazu fehlt es ihm an Raffinesse und interessanten Wendungen. Versierte Krimileser werden sehr schnell herausfinden, in welcher Richtung Täter und Motiv zu suchen sind. Die Auflösung ist unspektakulär und bietet letztendlich auch keine großen Überraschungen. Die Befindlichkeiten und zwischenmenschlichen Beziehungen der Protagonisten nehmen viel Raum ein, mangelnde Empathie und Tiefe in der Charakterzeichnung lassen sie aber eindimensional und konturlos erscheinen.
Kaum vorhandener historischer Hintergrund
Bis auf die wenigen eingestreuten Fakten über das Finanzwesen jener Zeit, die allerdings oberflächlich bleiben und nicht in die Tiefe gehen und damit höchstens für die geschichtlich nicht so bewanderten Leser interessant sein dürften, hat der Roman auch historisch wenig zu bieten. Am Anfang des ersten Kapitels steht zwar die Jahreszahl 1535, geschichtliche Ereignisse dieser Zeit fließen aber nicht in das Geschehen ein. Genaugenommen hätte die Handlung zu jeder x-beliebigen Zeit und an jedem x-beliebigen Ort spielen können.
Die einfache Sprache trägt auch nicht zur Aufwertung der Geschichte bei, vor allem, weil die Autorin hier keinen einheitlichen Stil findet. Einerseits verwendet sie die altertümliche Anrede in der 3. Person, legt den Figuren andererseits dann aber Dialoge in den Mund, die kaum der Sprache des Bürgertums des 16. Jahrhunderts entsprochen haben dürften, sondern heutigem Sprachgebrauch entstammen und mit ihrem ermittlungstechnischen Vokabular auch eher an Krimiserien aus dem Vorabendprogramm des Fernsehens erinnern. Und wenn eine offensichtlich ehrbare Witwe mit einem unverheirateten Mann in wilder Ehe unter einem Dach zusammenlebt und eine verheiratete Frau ohne Zustimmung ihres Mannes ein Bankhaus aufsucht, um einen Kredit für einen Hauskauf aufzunehmen und diesen auch bekommt, hat man als Leser erst recht das Gefühl, sich in der Gegenwart zu befinden und nicht in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Einem anspruchslosen Durchschnittsleser mag das vielleicht egal sein, jedem anderen verderben solche Nachlässigkeiten jedoch den Lesespaß.
Literarisches Fast Food
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es der Geschichte eindeutig an Substanz fehlt und sie über den Status einer eher durchwachsenen Lektüre nicht hinausgeht. Man sollte also wissen, worauf man sich hier einlässt und seine Erwartungen von vornherein niedriger ansetzen oder lieber gleich zu anderen historischen Kriminalromanen greifen. Bücherverschlinger werden an dieser anspruchslosen Geschichte vielleicht ihre Freude haben, denn sie bietet leicht konsumierbares Lesefutter, das sich flott weglesen und abhaken lässt.
Eine Frage bleibt allerdings bis zum Schluss offen: Was hat der Buchtitel mit der Romanhandlung zu tun?
Ines Thorn, Rowohlt
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