Die Konitzer Mordaffäre

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2015
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  • Gmeiner, 2015, Titel: 'Die Konitzer Mordaffäre', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonJul 2015

Historisch belegter Fall interessant erzählt

In dem kleinen westpreußischen Städtchen Konitz wird am 13. März 1900 am Mönchsee der Torso einer männlichen Leiche gefunden. Der achtzehnjährige Schüler Ernst Winter wurde ermordet. Bürgermeister Deditius, gleichzeitig Chef der Polizeibehörde, veranlasst umgehend eine Suchaktion am See, woraufhin bald weitere Leichenteile gefunden werden. Am Tatort selbst wird aus Personalmangel ein pensionierter Polizist kurzfristig wieder in den Dienst versetzt, doch dessen Hinweis, dass eine derartige Zerstückelung des Opfers nur durch einen Schlachter gelingen könne, sorgt für erste Unruhe. So werden die beiden Schlachter Hoffmann und Lewy verdächtigt, allerdings finden sich keine stichhaltigen Beweise. Schnell zeigt sich, dass der Bürgermeister mit der Situation überfordert ist, so dass Berlin zunächst den jungen Kommissar Wehn entsendet. Dieser kann jedoch nicht viel erreichen und wird später durch den erfahrenen Inspektor Braun abgelöst. Doch auch Braun kann die aufgeheizte Stimmung nicht mehr kontrollieren. Längst hat sich die Volksmeinung verfestigt: Der oder die Täter müssen Juden gewesen sein, die in einem Ritualmord die Leiche des jungen Winter haben ausbluten lassen&

Ein ungelöster Mordfall kündet späteres Unheil an

Die Konitzer Mordaffäre ist ein historisch belegter Fall und so hat Autor Herbert Beckmann sich an den bekannten Fakten orientiert. Die Geschichte wird in vier Teilen, jeweils in Ich-Form geschrieben, erzählt. Zunächst berichtet Bürgermeister Deditius von den Anfängen des Falls, dann Kommissar Wehn von seinen missglückten Ermittlungen bevor dann Inspektor Braun im dritten und längsten Teil den Fall aufzuklären versucht. Im abschließenden vierten Teil berichtet dann ein Journalist anhand von Brauns Aufzeichnungen, wer der wahrscheinliche Täter war. Da die Staatsanwaltschaft jedoch den Fall zu diesem Zeitpunkt nicht mehr aufrollen will, gilt er bis heute als ungelöst.

 

"Ihr Misserfolg in Konitz war politischer Natur. Mein Lieber. Wir Kriminaler sind zum Aufklären da, nicht zum Befrieden des Mobs."

"Das sieht man in Konitz anders, Herr Inspektor. Und hier in Berlin auch."

 

Interessant ist besonders, dass die Geschichte aus der Perspektive verschiedener Protagonisten erzählt wird. Deditius, Wehn und Braun geben mehr oder weniger ihr vermeintlich Bestes, können aber nichts gegen die aufgeheizte Stimmung erreichen, zumal ihnen mit Staatsanwalt Settegast ein starker Gegenspieler immer wieder in die Quere kommt. Settegast, selbstgefällig und antisemitisch, verfolgt nur eine Spur, wenn sich diese gegen Juden richtet.

 

"Fällt Ihnen denn nicht auf, Settegast, dass diejenigen, die am meisten mit unseren Juden zu tun haben: die Bauern, die ihnen ihr Vieh verkaufen, sie eben nicht beschuldigen? Keine einzige Anzeige von ihrer Seite. Alle anderen aber sind nichts als Denunzianten und am Ende nur auf die ausgesetzte Belohnung aus! Wie können Sie sich damit ernsthaft abgeben?"

"Als Staatsanwalt ist es meine Pflicht, Herr Bürgermeister, Hinweisen aus dem Volke nachzugehen."

"Ihre Pflicht wäre es, diesen Unsinn zu ignorieren, ja zu bestrafen! Er kann uns noch gefährlich werden."

 

Der Schlachter Lewy scheint ein dankbares Opfer, obwohl es zahlreiche Zeugen gibt, die ihm ein Alibi verschaffen. Allerdings sind alle Zeugen Juden und so hält sich hartnäckig das Gerücht, man habe zum Passachfest ein christliches Blutopfer gebracht. Auch die antisemitische Staatsbürger-Zeitung schlägt in die gleiche Kerbe und ein hohes Preisgeld sorgt für unzählige, weitere Denunziationen. Die judenfeindliche Stimmung, die in brutalen Übergriffen auf deren Geschäfte und Wohnhäuser mündet - die Synagoge wird weitgehend zerstört -, macht letztlich auch vor Menschen nicht halt. Dabei werden nicht nur Juden angegriffen, selbst Inspektor Braun muss nach einer schweren Kopfverletzung, verursacht durch mehrere Steinwürfe, seine Arbeit vorzeitig aufgeben und nach Berlin zurückkehren.

Herbert Beckmann führt ohne Umwege in die damalige Zeit, beleuchtet detailliert, wie die Lage derart eskalieren konnte, ohne dabei wiederum zu sehr ins (brutale) Detail zu gehen. Die Übergriffe und der Hass gegen die Juden hätten durchaus deutlicher dargestellt werden können. Immerhin zeigt sich an dem Mordfall Konitz im Kleinen, was einige Jahrzehnte später in weit größerem, bis dahin unvorstellbarem Ausmaß passierte.

Abgesehen vom historischen Hintergrund ist Die Konitzer Mordaffäre aber auch ein durchaus packender Kriminalfall, so dass es sich aus mehreren Gründen lohnt, diesem Roman eine Chance zu geben.

Die Konitzer Mordaffäre

Herbert Beckmann, Gmeiner

Die Konitzer Mordaffäre

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