Spiel der Zeit

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2015
  • 2
  • Heyne, 2011, Titel: 'Only Time Will Tell', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
721001

Histo-Couch Rezension vonJul 2015

Die Cliftons und die Barringtons Teil 1 der Familiensaga

Harry Clifton wird 1920 in Bristol als Sohn eines Hafenarbeiters geboren, sein Vater Arthur kommt unmittelbar nach seiner Geburt unter mysteriösen Umständen ums Leben und Harry wächst mit der Lüge auf, sein Vater wäre im Ersten Weltkrieg gefallen. Was Harry nicht weiß ist, dass seine Mutter kurz vor ihrer Hochzeit mit Arthur Clifton eine kurze Affäre mit einem Unbekannten hatte, der höchstwahrscheinlich Harrys biologischer Vater ist.

Harry wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und statt zur Schule zu gehen, lungert er lieber in den Hafenanlagen herum. Das ändert sich, als er Old Jack Tar begegnet, einem geheimnisvollen Einsiedler, der in einem ausrangierten Eisenbahnwaggon auf dem Hafengelände lebt und der Harrys väterlicher Freund wird. Ihm gelingt es, Harry von der Wichtigkeit des Schulbesuchs zu überzeugen. Harry wird Mitglied im Chor, wo er mit seiner außergewöhnlichen Gesangsstimme bald Aufmerksamkeit erregt. Als ihm sein musikalisches Talent ein Stipendium an einer Eliteschule beschert, nimmt Harrys Leben eine entscheidende Wendung. Als Chor-Stipendiat aus der Unterschicht hat er dort inmitten all der Snobs aus Geldadel und richtigem Adel aber einen schweren Stand. Unterstützung bekommt er von Giles, dem Spross der reichen und mächtigen Reeder-Familie Barrington. Giles und Harry werden Freunde und mit dem sympathischen Streber und Schlaumeier Deacon ist das Dreiergespann komplett.

Im Haus der Barringtons betritt Harry die Welt der Upperclass und während Giles´ Familie ihn freundlich aufnimmt, stößt er bei Giles´ Vater Hugo auf totale Ablehnung. Harry und seine Mutter bekommen es fortan mit einem mächtigen Gegner zu tun, der keine Intrige scheut und auch vor kriminellen Handlungen nicht zurückschreckt, um den beiden das Leben so schwer wie möglich zu machen, der Grund hierfür wird einem aufmerksamen Leser sehr schnell klar.

Ungewöhnlicher Erzählstil

Spiel der Zeit ist der erste Teil einer Familiensaga in sieben Teilen rund um die Familien Clifton und Barrington und erstreckt sich über die Jahre 1920-1940, umfasst damit im Wesentlichen Harrys Jugendjahre. Die Geschichte wird teils aus Harrys Perspektive, teils aus Sicht anderer Personen erzählt. Zu Wort kommen neben Harry und seiner Mutter Maisie auch Old Jack Tar, Hugo Barrington sowie Giles und seine Schwester Emma, die in Harrys Leben eine besondere Rolle spielen wird. Diese Perspektivwechsel sind so angelegt, dass der Leser ein und dieselbe Begebenheit mehrmals aus unterschiedlichen Blickwinkeln erzählt bekommt, dabei werden von jeder erzählenden Person wichtige Puzzleteile beigesteuert oder Geheimnisse offenbart, so dass die Spannung erhalten bleibt und sich nach und nach ein komplettes Bild ergibt. Diese Erzählstruktur füllt Seiten, bringt aber die Handlung nicht wirklich voran, beim Leser ist also Geduld gefragt. Überdies wechselt der Erzählstil ständig zwischen Ich-Erzählung und Erzählung in der dritten Person.  

Eine Familiengeschichte nach altbewährtem Muster

Vom eigenwilligen Erzählstil einmal abgesehen, entspricht der Aufbau dieser Familiengeschichte den üblichen Mustern, hier erfindet der Autor das Rad nicht neu. Damit schleicht sich aber auch eine gewisse Vorhersehbarkeit in die Handlung und es gibt kaum Überraschungen. Die Figuren werden in die Schubladen Gut und Böse eingeordnet, richtige Charakterköpfe sucht man vergeblich. So verkörpert zum Beispiel Maisie Clifton die Rolle der gebeutelten und sich ständig für ihren Sohn aufopfernden Mutter, Giles ist der liebenswürdige Luftikus, sein Vater Hugo wird konsequent auf den intriganten Bösewicht reduziert, dem der Autor nicht eine einzige positive Charaktereigenschaft zugesteht. Harry ist der brave, aber leider auch ziemlich farblose Held.

Umso erstaunlicher ist es dann wiederum, dass es dem Autor trotz aller Weitschweifigkeit, Vorhersehbarkeit und eindimensionaler Figurenzeichnung gelingt, den Leser zu fesseln, ihn in die Geschichte zu ziehen und nicht wieder herauszulassen. Während sich die Handlung in den ersten beiden Dritteln überwiegend im ruhigen Fahrwasser bewegt, überschlagen sich die Ereignisse im letzten Drittel und der erste Teil dieser Familiensaga endet mit einem dicken, jedoch taktisch klugen Cliffhanger.   

Wenig historischer Hintergrund

Was bei dieser Familiengeschichte allerdings ziemlich außer Acht gelassen wurde, sind die historischen Ereignisse jener Zeit. Sie finden zwar hier und da Erwähnung, bleiben aber überwiegend Marginalie. Dabei hätten sich solche Themen wie das Aufbrechen gesellschaftlicher Strukturen und das sich ändernde Frauenbild gerade für eine Familiengeschichte wie diese angeboten. Auch der aufkommende Faschismus in Deutschland und seine Wahrnehmung im Ausland wäre ein interessantes Thema gewesen, das man hier gut hätte integrieren können und so mancher historisch interessierte Leser wird sich im Nachhinein wünschen, dass der Autor den geschichtlichen Ereignissen jener Zeit mehr Raum gegeben hätte.  

Fortsetzung folgt

Der erste Teil der Clifton-Saga ist ein unterhaltsamer Roman mit einer schlüssigen Handlung, der sich trotz seines ungewöhnlichen Erzählstils gut lesen lässt. Es ist definitiv keine anspruchsvolle Literatur, sondern vielmehr ein gemütlicher Lesespaß für Leser, die Familiengeschichten lieben. Man darf auf die Fortsetzung gespannt sein. 

Spiel der Zeit

Jeffrey Archer, Heyne

Spiel der Zeit

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