Der Totgeglaubte
- Piper
- Erschienen: Januar 2015
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- Piper, 2002, Titel: 'The Revenant. A Novel of Revenge', Originalausgabe
Verrat und Rache im Wilden Westen
August/September 1823: Nach einem Überfall der Arikara-Indianer ist ein wichtiger Teil des Missouri praktisch nicht mehr befahrbar, da weitere tödliche Angriffe drohen. Da auch die erhoffte Hilfe durch die US-Army keinen Erfolg zeigt, beschließt die Rocky Mountain Fur Company zwei Gruppen auf verschiedenen Routen gen Westen zu schicken, um am Yellowstone auf Pelzjagd zu gehen. Einer der Trupps wird von Captain Andrew Henry geleitet, der in Fort Union überwintern soll, um im Frühjahr die Felle an die Indianer zu verkaufen. Henry führt eine kleine Truppe aus zehn Trappern durch die Wildnis; unter ihnen Hugh Glass, der bereits ein abenteuerliches Leben hinter sich hat. Als Glass dem Trupp vorauseilt, um Nahrung und eine geeignete Übernachtungsstelle zu suchen, wird er von einem Grizzly angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Zunächst entscheidet Henry den Schwerverletzten zu transportieren, doch die Truppe verliert wertvolle Zeit. So entschließt man sich, den jungen und unerfahrenen Jim Bridger sowie das zwielichtige Raubein John Fitzgerald bei Glass zurückzulassen. Sie sollen Glass nach seinem Tod begraben und anschließend der Truppe folgen. Doch bereits nach wenigen Tagen tauchen Arikara auf, worauf Fitzgerald und Bridger die Flucht ergreifen. Sie lassen nicht nur Hugh zurück, sondern nehmen ihm auch noch sein Gewehr und Messer weg. Schwerstverletzt und nur mit einem stumpfen Rasiermesser ausgestattet gelingt Glass ein Wunder. Er überlebt und schwört Rache&
3.000 Meilen durch die Wildnis
Hugh Glass ist ein Abenteurer durch und durch. Schon als 16-jähriger fuhr er zur See, wurde 1. Offizier und später Kapitän, geriet in Gefangenschaft des berühmt-berüchtigten Piraten Jean Lafitte und lebte, ebenfalls eher unfreiwillig, fast ein Jahr beim Stamm der Pawnee. Letzteres soll sich im Nachhinein als Glücksfall darstellen, denn von den Indianern lernt er in der Wildnis zu überleben. Sein größtes Abenteuer beschreibt die spannend und überaus intensiv erzählte Geschichte Der Totgeglaubte von Michael Punke. Sie beginnt im August 1823 und endet im Mai des darauf folgenden Jahres. Glass schließt sich einer Trapper-Truppe an, die den Missouri hochziehen soll, um Pelze zu sammeln, die im nächsten Jahr befreundeten Indianerstämmen verkauft werden sollen. Dabei soll ein neues Handelskonzept eingeführt werden, das "Rendezvous" in der Wildnis. Man will nicht zeitaufwändig die Pelze von einem Fort zum nächsten transportieren, sondern bereits auf dem Weg dorthin mit den Indianern Geschäfte abschließen, um so Zeit zu sparen. Die Expedition ist nicht ungefährlich, denn nicht nur feindlich gesinnte Indianerstämme machen Jagd auf Weiße. So fällt Glass einem Bärenangriff zum Opfer und wird von seinen vermeintlichen Helfern Bridger (hier noch als 18-jähriger; später erreicht er große Berühmtheit als "King of the Mountain Men") und Fitzgerald jäh im Stich gelassen. Fitzgerald ist ein Raufbold wie er im Buche steht. Nach einem Doppelmord versucht er sein Glück im Glücksspiel, verliert dort größere Summen und flüchtet letztlich auf die gefährliche Mission, nachdem ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt wird.
Glass wusste, das Bisonkalb war ein Glücksfall gewesen. Doch er schätzte seine Lage realistisch ein. Er hatte erneut einen Kampf überstanden. Aber er war allein und ohne Waffen. Zwischen ihm und Fort Brazeau lagen dreihundert Meilen offen Prärie. Zwei Indianerstämme der eine möglicherweise feindselig und der andere ganz bestimmt folgten demselben Fluss, an den er sich zur Orientierung halten musste. Und natürlich waren Indianer, wie Glass schmerzhaft erfahren hatte, nicht die einzige Gefahr, die ihm drohte.
Nun könnte man meinen, dass es sich bei dem vorliegenden Roman um einen weiteren Fall von Verrat und Rache handelt. Oberflächlich ist dem auch so, denn anders ist kaum zu verstehen, warum der kaum wieder genesende Glass erneut in die Wildnis aufbricht, um umgehend mit seinen "Verrätern" abzurechnen (er hätte ja zumindest den nahenden Winter abwarten können). Die Wunden sind noch nicht völlig verheilt, der Weg scheinbar endlos und in der Wildnis lauern überall Gefahren. Dennoch bietet der vorliegende Roman weit mehr. Er liefert grandiose Einblicke in eine weitgehend unberührte Natur mit ihrer atemberaubenden, rauen Schönheit. Allerdings sind auch die ständigen Gefahren durch Mensch und Tier (so muss es Glass in einer Situation unbewaffnet mit einem Rudel Wölfe aufnehmen) jederzeit für den Leser spürbar.
Eine Woche war seit dem Schneesturm vergangen, eine lange Zeit, die sie an ein und derselben Stelle verbracht hatten. Aber der Weg nach Fort Atkinson lag jetzt offen vor ihnen fünfhundert Meilen den Platte hinunter. Sie würden sich treiben lassen und die verlorene Zeit mehr als wettmachen. Fünfundzwanzig Meilen am Tag? Falls das Wetter hielt, könnten sie in drei Wochen am Ziel sein.
Wer ein Faible für Abenteuer, Entdeckungslust und den Wilden Westen hat, sollte diesen Roman nicht verpassen. Er beschreibt die beschwerliche Besiedelung des Gebietes zwischen dem Mississippi River und den Rocky Mountains, die ersten Versuche einen erträglichen (Pelz-)handel mit den Indianern aufzubauen und den Widrigkeiten der Natur. Packend, atmosphärisch dicht und jederzeit ein intensives Erlebnis. Warum das Buch erst in diesem Jahr in Deutschland erscheint (im Original erschien es bereits 2002 unter dem Titel The Revenant) bleibt ebenso ein Rätsel wie der Umstand, dass es erst jetzt eine Verfilmung durch Alejandro González Inárritu gibt mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle.
Michael Punke, Piper
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