Lady Africa
- Aufbau
- Erschienen: Januar 2015
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- Aufbau, 2015, Titel: 'Circling the Sun', Originalausgabe
Die fiktive Geschichte einer Flugpionierin
An einem stürmischen Septembertag des Jahres 1936 besteigt in England eine Frau namens Beryl Markham ein Flugzeug, um als erste den Sprung über den Atlantik in Ost-West-Richtung zu wagen. Sie wird nicht nur als Flugpionierin in die Geschichte eingehen, sondern sich auch als Autorin etablieren. Als 1942 Markhams Autobiographie Westwärts mit der Nacht erschien, musste selbst Hemingway neidvoll eingestehen, dass dieses "unmögliche Weib" eine bessere Schriftstellerin sei als er. Beryl Markham war eine Frau, die sich über Konventionen hinwegsetzte und unbeirrt ihren Weg ging.
Paula McLains Interpretation des Charakters Beryl Markham ist in ihrem Roman dagegen die einer sentimentalen und faden Frau. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass die Autorin in Ich-Form schreibt, statt einen neutralen Erzählstil zu wählen, der hier sicher vorteilhafter gewesen wäre. Sie legt ihrer Protagonistin Gedanken und Worte in den Mund, die kaum auf eine starke und in sich ruhende Persönlichkeit schließen lassen, die auf Konventionen pfeift und ein selbstbestimmtes Leben führt. Die reale Beryl Markham und die Romanfigur Beryl Markham haben außer dem Namen und biographischen Eckdaten kaum etwas gemeinsam und der hier vorliegende Roman ist kein biographischer, sondern ein fiktiver Roman.
Als solcher beginnt er aber sehr vielversprechend. In England geboren, kommt die kleine Beryl mit ihren Eltern nach Kenia. Von ihrer Mutter verlassen, die ohne sie nach England zurückkehrt, vom Vater vernachlässig, der mit seiner Farm alle Hände voll zu tun hat, wird sie von den Ureinwohnern aufgezogen. Beryl wächst wie ein Junge auf, wild und ungebunden, sie lernt Bogenschießen, Jagen und Kämpfen. Für sie wird Kenia zur Heimat und wird es Zeit ihres Lebens bleiben. Es ist amüsant zu verfolgen, wie sich die kleine Beryl jeglichem Mädchentand verweigert, ihre Gouvernanten vergrault, denen sie zur Abschreckung auch gerne mal eine tote Schlange ins Bett legt. Sie ist eine charmante kleine Rebellin, die an Pippi Langstrumpf erinnert. Als Beryls Vater seine Farm verliert und nach Südafrika zieht, heiratet die erst sechzehnjährige Beryl überstürzt einen Nachbarn, um in ihrem geliebten Kenia bleiben zu können. Dieser entpuppt sich jedoch bald als impotenter Trinker, also verlässt Beryl ihn kurzerhand, um die Pferde von Lord Delamere, einem alten Freund der Familie, zu trainieren und das sehr erfolgreich. Es gelingt ihr, mit nur 18 Jahren als erste Frau in Kenia eine Lizenz als Pferdetrainerin zu erwerben. Bis zu diesem Punkt hat der Leser eine wirklich interessante Geschichte gelesen, die dem Leben der realen Beryl Markham sogar ziemlich nahe kommen dürfte.
Was allerdings dann folgt, ist eine seitenlange uninspirierte Aneinanderreihung von Partys, Affären, Heiraten, Scheidungen, Abtreibungen usw., unterbrochen von Pferdetrainings hier und Pferderennen da. Der Mittelteil ist von gepflegter Langeweile geprägt und beim Leser ist Geduld gefragt. Erst im letzten Drittel nimmt die Handlung wieder Fahrt auf und der Leser, der tapfer bis hierhin durchgehalten hat, wird für seine Geduld belohnt. Etwas Schwung kommt in den ruhig dahinplätschernden Mittelteil lediglich dann, als Beryl Karen Blixen kennenlernt. Die beiden Frauen verbindet eine eigenartige Freundschaft und mit Karens Liebhaber Denys Finch Hatton hat auch Beryl eine Affäre. Viele werden bei Denys sofort das Gesicht Robert Redfords aus dem preisgekrönten Filmepos Jenseits von Afrika vor sich sehen. Wie auch immer die Affäre zwischen der realen Beryl und Denys abgelaufen sein mag, die Romanheldin Beryl wird sich im weiteren Verlauf der Geschichte auf enervierende Art und Weise ständig nach Denys verzehren. Von der kleinen Rebellin aus dem ersten Drittel ist hier nicht mehr viel übrig geblieben, sie ist einer Frau gewichen, die ihre Unsicherheit mit Zickigkeit überspielt.
Das große Kopfkino setzt sich immer nur dann in Bewegung, wenn die Autorin über Kenia schreibt, und das macht sie wirklich hervorragend. Hier liegen dann auch die Stärken des Romans. Die Beschreibungen der Landschaft und ihrer Menschen, der Tierwelt, der vielen unterschiedlichen Stimmungen sind wirklich gelungen. Auch das ungehörige Verhalten der englischen Siedler, die die britischen Kolonien als Spielwiese betrachten und ein Benehmen an den Tag legen, das sie in England nicht wagen würden, kommt ungeschönt zur Sprache. Hier verzichtet die Autorin aber auf den erhobenen Zeigefinger und ergreift keine Partei, sondern bleibt neutral und überlässt es dem Leser, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Lady Africa ist ein solider Unterhaltungsroman mit Stärken und Schwächen und leider auch einigen Längen. Wer an der realen Person Beryl Markham interessiert ist, dem sei ihre oben erwähnte Autobiographie ans Herz gelegt oder eines der Werke, das sich im Quellenverzeichnis im Anhang befindet.
Paula McLain, Aufbau
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