Die Spionin des Königs

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2015
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  • Droemer-Knaur, 2015, Titel: 'Die Spionin des Königs', Originalausgabe
Die Spionin des Königs
Die Spionin des Königs
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Yvonne Schulze
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Histo-Couch Rezension vonSep 2015

Mantel- und Degengeschichte mit weiblichem D´Artagnan

In der Freien Reichsstadt Nürnberg lebte einst ein Freiherr, der wünschte sich sehnlichst einen Sohn. Nachdem seine Gattin aber wieder nur ein Mädchen gebar, entschied er sich, seine jüngste Tochter als Jungen zu erziehen. Und so wächst die kleine Freiin Florentine von Rosenberg als Junge heran und genießt damit all die Freiheiten, die sie als Mädchen niemals hätte. Als junger Mann wird sie Stallbursche am Hof des preußischen Königs Friedrich II. und wird sein wichtigster Vertrauter und Spion, ohne dass der König jemals ihre wahre Identität errät. Meisterlich und unschlagbar führt sie den Degen, wird Fechtlehrer des königlichen Neffen und später des russischen Thronfolgers. So lebt sie viele Jahre unbehelligt als Mann, bis sie am russischen Zarenhof  ihrem Traumprinzen begegnet. Und wenn sie nicht gestorben sind &

Nein, wir sind hier nicht bei den Brüdern Grimm gelandet, sondern in einem historischen Roman zur Zeit Friedrichs des Großen, mit dem die Jugendbuchautorin Heike Eva Schmidt die Lesewelt der Erwachsenen betritt. Die Themen, die sie für ihr Debüt wählt, sind gewagt, denn neben dem mehr als überstrapazierten Sujet der Heldin in Hosen wählt sie als historischen Hintergrund eine der geschichtsträchtigsten Epochen Europas und als Handlungsorte zwei illustre Herrscherhäuser, das preußische Königshaus und den russischen Zarenhof.

So stellt sich zwangsläufig gleich zu Beginn die Frage: Bekommen die routinierten Histo-Leser hier etwas Innovatives oder doch nur Althergebrachtes? Diese Frage beantwortet sich recht schnell. Die Autorin wählt den sicheren Weg und greift auf altbewährte Muster zurück. So ist dieser Roman dann auch weniger ein Sittengemälde des 18. Jahrhunderts, sondern reiht sich ein in die breite Masse historisierender Unterhaltungsliteratur, die einen romantisch-verklärten Blick auf die Vergangenheit wirft und wo tapfere Heldinnen allerlei Gefahren zu bestehen haben. Zwar integriert die Autorin hier und da rudimentäre Angaben zu historischen Ereignissen jener Zeit, diese bleiben aber Fußnoten, weil sie in keinem direkten Zusammenhang zur Handlung stehen. Der Leser betritt die weltgeschichtliche Bühne nicht, sondern bleibt außen vor. Dabei wäre es naheliegend gewesen, dass Florentine als junger, gesunder Bursche dem König auf die Schlachtfelder des Siebenjährigen Krieges folgt, vor allem da sie ja bekanntlich des Königs wichtigster Vertrauter und fähigster Stallbursche ist. Dann wäre es wirklich spannend geworden, wie lange Florentine ihre Maskerade hätte aufrechterhalten können.

Schablonenhafte Charaktere und eine perfekte Heldin

Wie beim Handlungsaufbau, folgt die Autorin auch bei der Figurenzeichnung den hier üblichen Mustern. Sie ordnet ihre Charaktere konsequent in die Schubladen Gut und Böse und versieht sie mit den entsprechenden Eigenschaften. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um fiktive oder historische Personen handelt, gerade die letzteren sind oftmals nur noch verzerrte Karikaturen, die mit den historischen Vorbildern wenig gemeinsam haben.

Florentine ist die strahlende Heldin, sie kann alles, weiß alles, ist Retter und Rächer, sie ist ein weiblicher D´Artagnan, neben dem sogar König Friedrich II. verblasst. Sie begeistert alle, jeder zieht sie ins Vertrauen, egal ob Diener oder Herrscher. Sie zähmt das wildeste Pferd im Stall, widersetzt sich ungestraft königlichen Befehlen, lernt innerhalb weniger Wochen die russische Sprache, versteht als einzige den schwierigen Charakter des russischen Thronfolgers Peter und Zarin Elisabeth nimmt sie vom Fleck weg in ihren Dienst, ohne die haarsträubende Geschichte, die Florentine ihr bei der ersten Begegnung auftischt, auch nur ansatzweise zu hinterfragen. Florentines Schnüffeleien sind dilettantisch, manchmal unfreiwillig komisch und wären real so niemals möglich gewesen. Florentine wechselt mühelos ihre Identitäten, schafft es über viele Jahre, ihr wahres Ich geheim zu halten. Ihr Leben als Mann führt kaum zu wirklichen Konflikten und wenn, dann steht an der nächsten Ecke schon Mister Zufall und das Problem löst sich in Wohlgefallen auf. Ja, der Mister Zufall, neben Florentine spielt er wohl die dominanteste Rolle in dieser Geschichte.

Die Spionin des Königs ist kein fundierter historischer Roman, sondern eine charmante und flott erzählte Mantel- und Degengeschichte mit einer alles überragenden Heldin. Hier steht in erster Linie der Unterhaltungswert im Fokus, weniger die historische Korrektheit oder sprachliche Brillanz. Wie weit ein Unterhaltungswert jedoch auf Kosten der Glaubwürdigkeit gehen darf, das muss jeder Leser selbst entscheiden. Die vielen Anachronismen werden nur bei geschichtlich bewanderten Lesern den Lesespaß beeinträchtigen.

Eine Anmerkung noch zum letzten Drittel des Buches

Warum hier ständig russische Wörter eingestreut werden, erschließt sich nicht. Der Roman erfährt durch sie keine Aufwertung, sie wirken eher störend. Des Weiteren wird das im Russischen übliche Patronym Iwanowitsch fälschlicherweise als Familienname benutzt und zugleich auch nicht beachtet, dass es im Slawischen eine feminine und maskuline Unterscheidung bei den Familiennamen gibt. Großfürst Peter nennt seine Geliebte ständig Bubliki. Wenn er sie schon scherzhaft Teigkringel nennt, hätte er hierfür sicher nicht den Plural benutzt, sondern den Singular "Bublik", wahrscheinlicher aber den weiblichen Diminutiv "Bublitschka". Der Name Wanja ist die im Russischen gängige Koseform des männlichen Vornamens Iwan, wird hier aber als weiblicher Vorname benutzt, was zu Irritationen führen kann.    

Die Spionin des Königs

Heike Eva Schmidt, Droemer-Knaur

Die Spionin des Königs

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