Das Vermächtnis des Vaters

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2015
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  • Heyne, 2012, Titel: 'The Sins of the Father', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
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Histo-Couch Rezension vonNov 2015

Die Cliftons und die Barringtons gehen in die zweite Runde

Es war ein dicker Cliffhanger, mit dem der erste Teil der Familiensaga um die Cliftons und die Barringtons endete und jeder Leser, der den ersten Teil dieser Reihe noch nicht kennt und sich die Spannung erhalten will, sollte hier vorsichtshalber nicht weiterlesen.

Harry Cliftons Ankunft in New York steht unter keinem guten Stern. Mit falscher Identität eingereist, wird er sogleich verhaftet und für die Vergehen eines anderen vor Gericht gestellt. Doch statt den Irrtum aufzuklären, lässt sich Harry auf einen faulen Deal ein und landet im Gefängnis. In seiner Heimat gilt Harry als tot. Seine große Liebe und mutmaßliche Schwester Emma Barrington hat unterdessen seinen Sohn zur Welt gebracht, von dem Harry nichts weiß und während Harrys Freund und mutmaßlicher Halbbruder Giles Barrington diverse Heldentaten auf den Schlachtfeldern des Zweiten Weltkrieges vollbringt, frohlockt der in Ungnade gefallene Hugo Barrington darüber, endlich seinen Bastard Harry losgeworden zu sein und beginnt sogleich wieder, jede Menge Intrigen zu spinnen. Dabei hätte Mutter Maisie nur Harrys Abschiedsbrief zu öffnen brauchen, um zu erfahren, dass Harrys Tod nur vorgetäuscht ist und er in Amerika im Gefängnis sitzt. Doch der Brief bleibt verschlossen, denn Maisie kann bekanntlich nicht lesen. So ist Emma letztendlich die einzige, die nicht an Harrys Tod glaubt und sich auf die Suche nach ihm macht.

Gewohnt eindimensionale Charaktere

Wie schon im ersten Teil, wird auch hier die Geschichte wieder aus den Perspektiven der wichtigsten Hauptakteure erzählt. Der zweite Teil der Familiensaga bringt ein Wiedersehen mit bekannten Figuren, es wird gestorben und neue Figuren kommen hinzu, bei deren Charakterisierung der Autor seiner Maxime - hier die Guten, dort die Bösen - treu bleibt, denn seine Protagonisten sind durch die Bank stereotyp mit den üblichen klischeehaften Charaktereigenschaften. Die Guten sind rechtschaffen und intelligent, sie machen keine Fehler und ihnen gelingt alles mühelos und wenn sich das Schicksal einmal gegen sie wendet, sind immer die Bösen daran schuld, denen der Autor wiederum keine einzige gute Charaktereigenschaft zugesteht und deren Boshaftigkeit einzig und allein auf Machtstreben und Geldgier basiert. Doch die Welt ist nicht nur schwarz und weiß und kein Mensch ist nur gut oder nur schlecht. Die Glaubwürdigkeit der Figuren bleibt auf der Strecke, denn gerade bei den sogenannten Guten findet keine Entwicklung statt, sie sind ja schon perfekt. Dass dadurch natürlich auch die Handlung zu einem gewissen Grad vorhersehbar wird, liegt auf der Hand.   

Historische Ereignisse als Randnotizen

Zeitgeschichtliche Themen sind auch im zweiten Teil von Archers Familiensaga eher Mangelware. Der Roman spielt zwar zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, historische Ereignisse finden aber nur dann Einzug in die Geschichte, wenn sie dem Handlungsablauf dienlich sind. Letztendlich sind sie nur Staffage für die in bester Hollywood-Manier vollbrachten Heldentaten von Giles Barrington. Das Kriegsgeschehen wird nicht nur verharmlost, es wird regelrecht verherrlicht und der Autor macht sich auch nicht die Mühe, hier halbwegs historisch korrekt zu sein. So essen z. B. Wehrmachtsoffiziere bei einem Silvesterdinner Borschtsch, was in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dieser Speise um ein russisches Nationalgericht handelt, wenig glaubhaft ist. Die Dienstgrade, die der Autor den Angehörigen der Deutschen Wehrmacht verpasst, entsprechen ausnahmslos den im englischen Sprachraum üblichen Dienstgraden und dieser Fauxpas wird selbst in der Übersetzung beibehalten, anstatt ihn zu korrigieren.  

Ungereimtheiten und Zufälle

Es stecken jede Menge Ungereimtheiten und Zufälle in der Handlung, den gravierendsten Logikfehler begeht der Autor aber in der Konstellation Harry Clifton - Emma Barrington. Letztendlich basiert doch die ganze Handlung auf Harrys nach wie vor ungeklärter Abstammung und dem Fakt, dass er und Emma den gleichen Vater haben könnten, so dass die Liebesbeziehung zwischen den beiden, aus der sogar ein Kind hervorgegangen ist, einem Inzest gleichkommt. Was in der Realität und vor allem gerade zu dieser Zeit ein riesiger Skandal gewesen wäre, interessiert hier niemanden und wird kommentarlos akzeptiert. Sogar Giles scheint es nichts auszumachen, dass ihm Harry als sein wahrscheinlich älterer Halbbruder quasi das Erbe streitig macht. Und selbst im Britischen Oberhaus, das über Harrys Status als Erbe des Barrington-Imperiums entscheiden soll, nimmt kein Mensch Anstoß an der augenscheinlich inzestuösen Beziehung zwischen Harry und Emma, noch nicht einmal der Bischof von Bristol. Jeder auch nur halbwegs mitdenkende Leser wird angesichts dieser Tatsache nur ungläubig den Kopf schütteln und sich fragen, ob der Autor ihn hier für dumm verkaufen will.

Eines muss man Archer aber zu Gute halten: Er ist unbestritten ein guter Erzähler, der seine Leser zu unterhalten versteht. Sein Roman mag unlogisch, trivial und redundant sein, trotzdem schafft er es, seine Leser zu fesseln und in die Geschichte zu ziehen und sie letztendlich soweit zu bringen, bereitwillig ihr Hirn auszuschalten und gebannt der Handlung zu folgen. Und das scheint letztendlich das Erfolgsgeheimnis dieser ansonsten alles andere als anspruchsvollen Familiensaga zu sein.   

Das Vermächtnis des Vaters

Jeffrey Archer, Heyne

Das Vermächtnis des Vaters

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