Sterne über der Alster

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2015
  • 1
  • Piper, 2015, Titel: 'Sterne über der Alster', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
901001

Histo-Couch Rezension vonJan 2016

Die Turbulenzen um die Familie Dornhain gehen weiter

Der Erste Weltkrieg ist vorbei, das Leben in Deutschland schwierig: Die Siegermächte beuteln das Land und interessieren sich auch intensiv für die Reederei der Familie Dornhain. Ellinor kämpft um das Erbe der Familie. Denn der Vater hat sich seiner Verantwortung durch einen Selbstmord entzogen. Ein Umstand, den Ellinor nicht nur vor der Öffentlichkeit, sondern auch vor ihren Schwestern Nele und Lavinia geheim halten soll. So will es die strenge Großmutter, deren ganzes Trachten danach strebt, jeden Skandal zu vermeiden, der das Ansehen der Familie gefährden könnte. Für Ellinor bedeutet das jedoch, dass sie die gesamte Verantwortung alleine tragen muss - und auch das Wissen darum, dass der Vater erpresst worden war, nicht teilen darf. Während die große Schwester um die Reederei ringt, kehrt Nele mit Lavinias Ehemann zurück nach Hamburg. Für sie ist die Zeit der Bereinigung gekommen. Denn Nele erwartet von Konrad ein Kind. Lavinia, die sich nach Lust und Laune gegen das Liebesglück ihrer Schwester und des von ihr mit einem Trick in die Ehe gezwungenen Mannes stellt, bleibt sich selber treu: Sie gefällt sich in der Rolle der verwöhnten und ungestümen Reederstochter, der man alles nachsieht. Zunehmend eine Rolle spielt auch das Dienstmädchen Klara, das eine besondere Verbindung zum Hause hat.

Charaktere weiter ausgebaut

So schreibt man einen Fortsetzungsroman! Autorin Micaela Jary macht es vor, wie es sein muss, damit die Leserinnen und Leser sich erneut in der Familiengeschichte verlieren können, ohne den schalen Geschmack im Mund, dass das nun quasi eine Wiederholung des ersten Teils ist. Mit viel Fingerspitzengefühl hat Micaela Jary ihre Charaktere weiter ausgebaut - wobei sie zumindest bei Lavinia auch einen kleinen Schritt zurück gemacht hat. Livi, wie sie von ihrer Familie genannt wird, kümmert sich nicht darum, dass ihr exaltiertes und egoistisches Verhalten andere tief verletzt. Auch nach den Erfahrungen im Krieg, an denen sie trotz allem etwas reifte, bleibt sich die jüngste Dornhain-Tochter treu. Sie setzt sich über alles hinweg - und verspielt auf diese Weise auch die Gunst der Leserinnen und Leser. Selbst jener, die erst beim zweiten Band hinzugekommen sind und nicht die ganze Vorgeschichte kennen. Auch Nele bleibt sich selber treu, verzagt fast an ihren Zukunftsängsten und wagt es nicht, ihrer jüngeren Schwester den Rücken zuzukehren, obwohl diese ihre Gefühle auf geradezu brutale Weise verletzt hat. Es ist bemerkenswert, wie der Autorin der Bogen geglückt ist, nach dem Ende des Teil eins den Faden wieder aufzugreifen und die Personen sanft reifen zu lassen, ohne deren Grundcharakter plötzlich zu ändern.

Interessante Darstellung

Ein großes Plus verdient dieser Roman für die gelungene atmosphärische Darstellung der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg. Selbst wer sich nicht so stark mit dieser Epoche auseinander gesetzt hat, wird sich bald ein umfassendes Bild von den Gegebenheiten machen können. Die Autorin beschönigt nichts, sie beschreibt die turbulenten Zeiten, in denen sich die Bewohner der Häuser vor vorbeiziehenden Marodeuren fürchteten - obwohl die Zeit der Kriegsscharen vorbei scheint. Ausgezeichnet gelingt es Micaela Jary, die Zerrissenheit dieser Zeit darzustellen. Charlotte, die verzweifelt an einer gesellschaftlichen Form festhält, die längst in sich zusammen gebrochen ist und einer neuen Rangordnung Platz macht, steht den jungen Frauen gegenüber, die sich auf die Neuerungen besser einstellen können und die Freiheiten, die die neue Zeit mit sich bringt, nutzen wollen.

Auf diese Weise gelingt es der Autorin, die fiktive Geschichte um die Dornhain-Erbinnen mit der tatsächlichen Geschichte über die Nachkriegsjahre zu verknüpfen. Es ist ein Roman entstanden, der zwar in einer Fortsetzungs-Serie eingebunden ist, aber für sich alleine stehen könnte und dennoch eine starke Aussagekraft hätte. Und auch ein Roman, der sichtbar macht, wie sich die Gesellschaft wandelt und welche Hürden sie dabei zu nehmen hat.

Dass Sterne über der Alster nicht das Ende der Geschichte bedeutet, kommt zwar gut zum Ausdruck, mündet aber nicht in einen seichten Cliffhanger, sondern bietet den Leserinnen und Lesern genügend Boden, um abzuschließen, wenn sie keine weitere Fortsetzung lesen wollen, oder aber um neugierig die weitere Entwicklung der Geschichte um die Dornhain-Töchter zu erwarten.

Sterne über der Alster

Micaela Jary, Piper

Sterne über der Alster

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