Unter Schwalbenzinnen
- Steidl
- Erschienen: Januar 2015
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- Steidl, 2015, Titel: 'Unter Schwalbenzinnen. Florenz, Frühling 1442', Originalausgabe
Ein ungewöhnliches Buch über ein ungewöhnliches Buch
Florenz, 1442. Matteos Vater ist gestorben. Matteo ist Kopist und bekommt von seinem Vater ein Buch vererbt, dass seit vielen Generationen von ihnen gehütet wird. Das Libro Dei C ist ein sehr wertvolles Buch, das auch Cosimo de' Medici gern hätte, doch darf er es nicht bekommen.
Um mehr Geld zu verdienen als durch seine Kopistentätigkeit ergibt es sich eines Tages zufällig, dass er vom Vater der Patriziertochter Evelina di Adimari beauftragt wird, dass Matteo zu ihr gehen soll und ihr zuhören soll und ihre Gedanken aufschreiben soll. Doch ihre Gedanken machen es ihm nicht einfach, und so beginnt er sie zu zeichnen, statt sie aufzuschreiben. Durch seine vielen Besuche bei Evelina gerät er jedoch mit seinen Arbeiten als Kopist bald zeitlich ins Hintertreffen.
Stimmiges Autorenpaar
Astrid Dehe und Achim Engstler haben mit ihrem historischen Roman Unter Schwalbenzinnen einen großen Wurf gemacht und einen sehr poetischen Roman geschrieben, der vom Leser volle Aufmerksamkeit erfordert, ohne allzu kompliziert zu sein. Dabei schreiben sie eine Geschichte um ein Buch, das tatsächlich existiert, dessen Geschichte nicht lückenlos bekannt ist und das niemand lesen kann. Im Einband des Romans sind Seiten aus dem Libro Dei C abgedruckt, sodass jeder Leser sich ein Bild davon machen kann, worum es im Roman überhaupt geht.
Dehe und Engstler pflegen einen einheitlichen Erzählstil, was ein Glücksfall für ein Autorenpaar ist. Sie haben einen klugen Roman konzipiert, der den Leser für sich vereinnahmt und ihn das Buch nicht so leicht wieder aus der Hand legen lässt. Die Autoren haben dafür Figuren erschaffen, die beispielhaft für viele andere ihrer Zeit agieren und somit eigentlich nichts Besonderes sind wenn da nicht die Eigenart Evelinas wäre, Matteo ihre Sicht der Welt zu erzählen, und er soll sie festhalten.
Alles ist alles. Vollendung, Anfang, Ende. Das Ganze ist überall ganz. Matteo gerät bei Evelina in einen Strudel von Leben und Philosophie und vergisst dabei seine eigentliche Arbeit. Doch er ist bemüht, Evelinas Worte in Skizzen zu verarbeiten, aus denen später ihr Haus ausgemalt werden soll. Sie ist so schnell, dass er nicht hinterherkommt, zudem hat er wenig Zeit, aufgeschobenes nachzuholen. Er wird fürstlich entlohnt werden, doch ist der Zeitraum nicht klar, in dem er Evelinas Träume aufzeichnen soll.
"Das Leben ist groß, man verläuft sich rasch, verfehlt seinen Weg, und am Ende war es doch der zum Ziel. Nicht jeder, der erklärt, zur See fahren zu wollen, schifft sich auch ein."
Matteo ist ein einfacher Charakter, der im Laufe des Romans sowohl wächst, als auch in einen leidenschaftlichen Strudel gerät und der ihn zu vernichten droht. Evelina hat immer eine (irgendwie unwillige) Dienerin dabei und ihr Frettchen, das erst einmal alle Räumlichkeiten erkundigt, sich später aber an Matteo gewöhnt und ihn als Anwesenden akzeptiert.
Auch Cosimo de Medici spielt in dem Roman eine Rolle, wenngleich sie sich erst spät offenbart. Er will das Libro Dei C besitzen, und Matteo darf und will es ihm nicht überlassen. Doch die Schergen der Medici sind ihm auf den Fersen, und er muss sich etwas einfallen lassen, um sowohl die Zeichnungen für Evelina als auch das Libro zu retten.
Großartige Literatur mit viel Poesie
Am Ende wird der Roman sogar spannend und nimmt an Tempo zu, man fiebert mit, was aus Evelina und Matteo und dem Buch wird. Das soll hier natürlich nicht verraten werden, nur so viel, dass es eine Fortsetzung geben wird, denn der Weg des Buches von Florenz in die Beinecke Rare Book & Manuscript Library in der Yale University, wo man das Libro tatsächlich einsehen kann, ist noch lang.
Hervorstechend neben den gelungenen Charakterisierungen der Figuren sind auch die Beschreibungen von Florenz und einigen historischen Begebenheiten und Traditionen, die das gelungene Bild zusammen fügen, die der Roman hinterlässt. Ein beeindruckendes und spezielles Buchcover und die erwähnten Abbildungen aus dem Libro ergänzen einen beeindruckenden, kraftvollen und ungewöhnlichen Roman, den sich Freunde aussergewöhnlicher historischer Romane nicht entgehen lassen sollten.
Astrid Dehe & Achim Engstler, Steidl
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