Die Lausitzer Musen
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2016
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- Gmeiner, 2016, Titel: 'Die Lausitzer Musen', Originalausgabe
Ein Mörder geht um in der Lausitz
Ivonne Hübners historischer Kriminalroman ist offensichtlich der Auftakt zu einer Serie, deren Handlungsort der östlichste Teil Deutschlands, genauer die Gegend um Löbau in der heutigen Oberlausitz ist. Ein Schauplatz, der erfreulicherweise mal aus der Reihe tanzt, denn diese Region und ihre Geschichte fand in historischen Romanen bisher kaum Beachtung. Nach Ivonne Hübners hervorragenden historischen Romanen Im Land der Sümpfe und Teufelsfarbe liegt die Messlatte nun natürlich entsprechend hoch. Es lässt sich aber schon vorwegnehmen, dass Die Lausitzer Musen qualitativ nicht an die beiden erstgenannten Bücher heranreicht.
Das Jahr 1815, in dem diese Geschichte spielt, ist ein Jahr voller Unsicherheit und großer politischer Umwälzungen. Und mitten in dieser schwierigen Zeit sieht sich ein kleines Dorf an der Löbau mit einer Reihe von Selbstmorden konfrontiert, jedenfalls nehmen die Bewohner an, dass es sich hierbei um Selbstmorde handelt, nachdem man zuerst die Müllerstochter Henriette und später die Schankmagd Gertrud ertrunken aus dem Mühlbach fischt. Zur selben Zeit taucht im Dorf der Wandergeselle Jakub auf, der eigentlich nur auf der Durchreise in seine böhmische Heimat ist. Er entschließt sich jedoch zu bleiben, nicht zuletzt auch, weil er sich in Mathilde verliebt. Doch auch der Arzt Dr. Waldeck hat ein Auge auf Mathilde geworfen, ist aber zu schüchtern und so scheint der draufgängerische Jakub mehr Chancen bei Mathilde zu haben. Jakub findet Anstellung in der Mühle und freundet sich mit dem Arzt Dr. Waldeck an, der schon sehr bald Zweifel an den angeblichen Selbstmorden der Frauen hegt. Nachdem er Jakub und Mathilde davon überzeugen kann, erhält er von den beiden tatkräftige Unterstützung bei der Aufklärung der Todesumstände.
Dörfliche Milieustudie
Ivonne Hübner lässt ihren Roman sehr ruhig angehen. Lange Zeit dreht sich die Handlung des Romans vorrangig um das Dorfleben und das soziale Gefüge dieses dörflichen Mikrokosmos: soziale Spannungen, Dorfklatsch, Vorurteile gegenüber allem Fremden, Diskrepanzen zwischen Oben und Unten, Arm und Reich und daneben der gräfliche Haushalt mit seinen Familienquerelen. Dieses dörfliche Milieu zeichnet die Autorin jedoch sehr bildhaft, man hat das Gefühl, mittendrin zu stehen und stellt erstaunt fest, dass sich an den Strukturen bis heute offensichtlich nicht groß etwas geändert hat. Nicht nachvollziehbar ist dann allerdings, dass die Dorfbewohner trotz ihrer ausgeprägten Aversionen gegen alles Fremde einem umherziehenden böhmischen Wandergesellen Tür und Tor öffnen und ihm ohne weiteres ihr Vertrauen schenken. Der Müller gibt Jakub sofort eine Anstellung und geht mit ihm fortan regelmäßig ins Wirtshaus, wer Jakubs Zeche zahlt, bleibt dabei aber ein Geheimnis. Unklar bleibt auch, wie die Sprachbarriere zwischen Jakub und den Dorfbewohnern überwunden wird. Dabei wäre die Erklärung hierfür relativ einfach gewesen, wenn die Autorin regionale Besonderheiten in ihren Roman mit eingebunden hätte. Die Lausitz wurde zu dieser Zeit überwiegend von Sorben bewohnt, einer noch heute in Teilen der Oberlausitz lebenden slawischen Bevölkerungsgruppe mit eigener Kultur und Sprache, die der böhmischen sehr ähnlich war. So wird lediglich in einem Nebensatz mal eine sorbische Tracht erwähnt. Dass ein Volk, das damals eine ganze Region geprägt hat, von einer Autorin, die selbst in der Lausitz geboren wurde, völlig außer Acht gelassen wird, verwundert schon sehr, mal ganz davon abgesehen, dass damit jede Menge Potential verschenkt wurde.
Krimihandlung mit Schönheitsfehlern
Die Krimihandlung setzt erst sehr spät ein, was auch damit zusammenhängt, dass die Dorfbewohner recht spät von der Selbstmordtheorie abweichen. Die Suche nach dem Mörder ist durchaus spannend, der sehr modern denkende Dr. Waldeck geht ungewöhnliche Wege und schreckt auch vor einer Exhumierung nicht zurück. Der Erzählstil der Autorin ist zwar angenehmem zu lesen, alles in allem aber sehr behäbig. Des Weiteren gelingt es ihr nicht, den Spannungsbogen gleichmäßig hoch zu halten, denn zu oft verliert sie sich in Nebensächlichkeiten oder Nebenhandlungen, die den Lesefluss stören, wie z. B. die Familienzwistigkeiten und Eheprobleme des Grafen und seiner ungeliebte Kindfrau. Die Identität des Bösewichts wird sich für erfahrene Krimileser recht bald herauskristallisieren, seine Beweggründe hätten dagegen etwas mehr psychologische Tiefe vertragen.
Die Lausitzer Musen ist eine unspektakuläre Kriminalgeschichte, die eine erhöhte Dosis Einfallsreichtum und Esprit vertragen hätte. Für die Folgebände ist definitiv jede Menge Luft nach oben, vor allem was Handlungsabläufe und Erzähltempo betrifft. Das Dreiergespann Waldeck-Jakub-Mathilde wird sicher schon die Sympathien der Leser gewonnen haben, Entwicklungspotential ist aber auch bei diesen Figuren noch genügend vorhanden. Wünschenswert wäre es auch, das neben den Besonderheiten dieser Region auch der historische Aspekt mehr Beachtung findet und über den Status lediglich hier und da eingestreuter Randnotizen hinaus kommt.
Ivonne Hübner, Gmeiner
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