Die Lukasbrüder
- Acabus
- Erschienen: Januar 2016
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- Acabus, 2016, Titel: 'Die Lukasbrüder', Originalausgabe
Auf den Spuren der Nazarener
Sie machen sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens. 1810 ziehen vier ungleiche Freunde - alles Wiener Kunststudenten - von Österreich nach Rom. Friedrich Overbeck ist der Konsequenteste von ihnen, auf ihn geht die Gründung der Lukasbruderschaft zurück. Konrad Hottinger, der Friedrich Overbeck verehrt, Franz Pforr und Ludwig Vogel vervollständigen das Quartett. Sie verfolgen ein ebenso ehrgeiziges wie in gewissem Sinne überhebliches Ziel: Sie wollen der Kunst eine neue Ausrichtung geben. Etwas, das nur in Rom gelingen könnte. Die Reise nach Rom steckt voller Abenteuer, die die Freunde jedoch meistern - nicht zuletzt dank ihrer stabilen Gemeinschaft. Dann aber erreichen sie die Stadt, die sie als Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Revolution auserwählt haben. Und hier driften die Interessen der Nazarener, wie sich die Lukasbrüder nennen, schnell auseinander. Friedrich Overbeck steigert sich in eine Art Fanatismus hinein, Konrad Hottinger sieht eher das süße Leben, das ihn scheinbar auf den Straßen Roms erwartet. Er gibt sich ganz dem sinnenfreudigen Dasein hin. Das ehrgeizige Ziel, das sich die Lukasbrüder gesetzt hatten, droht, sich in Luft aufzulösen.
Spannende Charakterstudie
Alexandra Doerrier liefert weit mehr als einen aufschlussreichen Roman über eine Künstlergruppe, die sich durchzusetzen verstand. Sie ermöglicht ihren Leserinnen und Lesern zum einen einen spannenden Einblick in die Kunstszene des 19. Jahrhundert. Zum anderen stellt sie die ausgeprägten Charaktere der vier Lukasbrüder einander gegenüber und schildert auf glaubwürdige Weise, wie sich die Männer in verschiedene Richtungen entwickeln. Obwohl das Gewicht klar auf Overbeck und Hottinger liegt, ist auch Pforr ein interessanter Charakter: Er fühlt sich dem charismatischen, wenngleich asketischen und immer stärker in eine Art Besessenheit geratenen Overbeck zugetan und bekommt dadurch Probleme mit sich selber. In diesem Sinne ist wohl Pforr der tragischste Charakter der Lukasbrüder, auch wenn er - wie auch Vogel - eher neben den beiden Hauptfiguren steht. Alexandra Doerrier macht durch eine unvergleichliche Sprache und einen immer wieder aufblitzenden Humor die Figuren sehr lebendig, sie bietet eine spannende Charakterstudie und lässt die Leser vieles hinter den Zeilen entdecken. Dazu ist es jedoch nötig, sich ganz auf das Buch einzulassen und die Geschichte sich vor dem inneren Auge entfalten zu lassen.
Akzente gesetzt
Die Autorin ist der Malerei zugetan, das blitzt immer wieder durch. Beim Aufbau des Plots setzt Alexandra Doerrier Akzente und räumt dem Thema Malerei sehr viel Platz ein, auch wenn es sich hier primär um ein Buch über die Menschen handelt, die hinter dem Begriff "Lukasbrüder" stehen. Bei diesem Spagat - zum einen die Geschichte der Menschen darzustellen, zum anderen die Malerei verstärkt ins Zentrum zu rücken - verliert die Autorin hin und wieder die Nähe zu ihren Figuren und wirkt für kurze Momente distanziert und zu sehr den geschichtlichen Fakten anhängend. Da der Roman nach Angaben der Autorin auf Fakten wie Tagebüchern und Briefen basiert, könnte auch das Bestreben, möglichst authentisch zu bleiben, zu dieser Distanz beigetragen haben.
Feines Portrait des beginnenden 19. Jahrhunderts
Nebst der - hierzulande wenig bekannten - Geschichte der Nazarener serviert die Autorin ihrem Publikum ein feines Portrait des beginnenden 19. Jahrhunderts. Sie lässt ihre Protagonisten durch eine Welt wandern, die den Zeitgeist facettenreich wiederspiegelt und den Lesern ermöglicht, einen Blick auf eine schillernde Welt zu werfen, in der Tradition auf Fortschritt prallt und sich etwas entwickelt, das für die kommenden Generationen wegweisend sein wird. Der Lesegenuss ist also garantiert.
Alexandra Doerrier, Acabus
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