Erbe und Schicksal

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2016
  • 1
  • Heyne, 2013, Titel: 'Best Kept Secret', Originalausgabe
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Yvonne Schulze
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Histo-Couch Rezension vonMai 2016

Das Niveau der Clifton-Saga geht in den Keller

Der dritte Teil der Familiengeschichte um die Cliftons und Barringtons beginnt erwartungsgemäß mit der Auflösung des Cliffhangers aus dem zweiten Teil. Giles wird zum Erben bestimmt und Harry und Emma dürfen endlich heiraten. Da sie sich aber nach wie vor nicht sicher sein können, ob sie nicht doch Geschwister sind, entscheiden sie sich dafür, keine weiteren Kinder zu bekommen. Wie sie das in Zeiten fehlender verlässlicher Verhütungsmethoden bewerkstelligen oder ob sie auch als Eheleute weiterhin wie Bruder und Schwester miteinander leben, bleibt das Geheimnis des Autors.

Giles Barrington verfolgt seine Karriere als Politiker, heiratet eine intrigante Adelige, die sich wiederum mit einem altbekannten Bösewicht aus Giles` Schul- und Militärzeit verbrüdert, der dann wiederum dem Dreigestirn Harry-Emma-Giles nach altbewährter Manier kräftig in die Suppe spuckt. Aber nichts kann dieses Dreigestirn entzweien, noch nicht mal ein vor Gericht ausgetragener Erbschaftsstreit, beim dem sie sich als Gegner gegenüber stehen, nachdem Giles´ Mutter ihren Sohn kurzerhand enterbt hat, um der raffgierigen Schwiegertochter eins auszuwischen. Willkommen im Märchenland! Der Heiligenschein bei Emma und Harry strahlt ja schon seit Beginn der Reihe, das heißt aber nicht, dass der Autor an diesem nicht noch kräftig herumpoliert, damit er noch heller scheint. Das Leben schwer gemacht wird ihnen wie gewohnt von völlig überzogen dargestellten Bösewichten, neue Namen zwar, aber unterm Strich die ewig gleichen bis zum Erbrechen ausgereizten Charaktereigenschaften und Handlungsmuster früherer bereits abgetretener Bösewichte.  

Neben Harry und Emma wird nun auch deren Sohn Sebastian zur tragenden Figur, allerdings mutiert er erwartungsgemäß zum Ebenbild seiner perfekten und unfehlbaren Eltern, was ihn aber nicht davon abhält, oftmals sehr naiv und bar jedes gesunden Menschenverstandes zu handeln. Mit einem südamerikanischen Drogenboss bekommt er seinen eigenen Bösewicht zur Seite gestellt.

Und dann gibt es da noch Jessica, die kleine Halbschwester von Emma und Giles, die von Emma und Harry nicht nur auf höchst unglaubwürdige und zufallsschwangere Art und Weise adoptiert wird, die sich dann natürlich welche Überraschung! - auch ziemlich schnell zu einem Wunderkind entwickelt.

Gehaltloses literarisches Fastfood

Während der erste Teil der Romanreihe mit einer ungewöhnlichen Erzählstruktur überzeugen konnte, da die Handlung jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und geschickt verwoben wurde, war beim zweiten Teil bereits ein qualitativer Abstieg zu erkennen. Im dritten Teil sinkt das Niveau allerdings noch eine Etage tiefer und man hat den Eindruck, dass der Autor die Lust an seiner Serie verloren hat. Gerade bei diesem dritten Teil wird es auch immer offensichtlicher, dass die Clifton-Saga ursprünglich für weniger Bände konzipiert war, nun aber auf Grund des Erfolges der Saga um ein paar Teile erweitert wird, ohne dass die Handlung an sich mit dieser Erweiterung mithalten kann. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

Der Inhalt dieses dritten Teiles besteht hauptsächlich aus einer Aneinanderreihung von Banalitäten. Die teilweise abstruse und mit überflüssigem Füllmaterial aufgeblasene Handlung hat kaum Ähnlichkeit mit einem intelligent konzipierten Roman. Archers erzählerisches Konzept, das den ersten Teil der Saga noch zu etwas Besonderem machte, ist mittlerweile einer mit Nichtigkeiten vollgestopften und überdramatisierten Billigversion gewichen.

Im ersten Teil sind die kontrastierenden Welten der aus der Arbeiterklasse stammenden Cliftons einerseits und der Industrieellenfamilie Barrington andererseits eine wichtige Komponente der Handlung, jetzt gibt es nur noch die Welt der Reichen und Mächtigen, in der Geld, Machtgier, Intrigen und Politik die vorherrschenden Elemente sind. Fast alle halbwegs interessanten Charaktere wurden vom Autor ins Nirwana geschickt so taucht z. B. Harrys Mutter Maisie hier nur noch einmal kurz in einem Nebensatz auf. Tiefgründige Charakterzeichnung ist schon seit dem ersten Band nicht des Autors Stärke, im dritten Teil sind seine Figuren an Klischeehaftigkeit und Eindimensionalität allerdings kaum mehr zu toppen. Archers Figuren sind flacher als das Papier, auf dem sie stehen.  

Soap in Buchform

Familieninternes Heile-Welt-Getue gepaart mit einer Anhäufung von Zufällen und Unwahrscheinlichkeiten, aufgeblasene spannungsarme Handlungsstränge, die wenig zur eigentlichen Geschichte beitragen, dafür aber gerne mal unfreiwillig komisch sind, ein tiefer Griff in die Klischeekiste, platte Figuren und eine Story, die sich auf erzählerischer Schmalspur bewegt, das sind die Komponenten dieses an den Haaren herbeigezogenen und trotz immenser Fülle erstaunlich gehaltlosen literarischen Fastfoods, für das sich bestenfalls Leser begeistern lassen, die anspruchslose Unterhaltung in schnell konsumierbaren Geschichten suchen und nicht zwingend Wert auf schlüssige Handlungsabläufe und ausgefeilte Charaktere legen.

Mit Blick auf die Folgebände mag man sich fragen, ob das Niveau dieser Serie noch tiefer absinkt oder ob Archer doch wieder zur erzählerischen Qualität des ersten Bandes zurückfindet. Ob er es irgendwann auch schafft, seine Figuren so zu zeichnen, dass sie die Bezeichnung "Charakter" verdienen und nicht lediglich als personifiziertes Abziehbild eines Klischees daherkommen, wäre höchstwahrscheinlich zu großes Wunschdenken. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. 

Erbe und Schicksal

Jeffrey Archer, Heyne

Erbe und Schicksal

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